Burkhard Fuchs. Steigende Flüchtlingshilfe sorgt 2016 für 15 Millionen Euro Minus. Ampelkoalition: Land darf das nicht dem Kreis zur Last legen

Die Kreisverwaltung schlägt Alarm. Die explodierenden Ausgaben für Flüchtlingshilfen machen spätestens 2016 die Haushaltskonsolidierung des Kreises Pinneberg zunichte. Dieses Jahr sind die Mehrausgaben von etwa drei Millionen Euro durch einen Überschuss in gleicher Höhe auszugleichen. Nächstes Jahr reißt vor allem die erwartete Aufnahme von 200 minderjährigen Flüchtlingen, die allein zwölf Millionen Euro kostet, eine Lücke von bis zu 15 Millionen Euro in den 390 Millionen-Euro-Etat.

Damit würde sofort der Konsolidierungsvertrag (finanzieller Rettungsschirm) greifen, der zurzeit wegen der guten Finanzlage ruht, und den Kreis zwingen, zusätzliche etwa 3,5 Millionen Euro einzusparen. „Das Geld haben wir nicht. Das können wir nicht leisten“, sagt Jens Bollwahn, der als Fachdienstleiter für Controlling und Finanzen erst die Fraktionschefs und am Dienstag den Kreisfinanzausschuss über diese Misere informiert hat.

SPD, Grüne und FDP, die den Doppelhaushalt für 2015/16 mit rund 770 Millionen schnürten, haben sofort reagiert. Sie wollen auf der nächsten Kreistagssitzung am 14. Oktober den Antrag stellen, die Landesregierung aufzufordern, den Mehraufwand für Unterkunft und Betreuung der Flüchtlinge aus der Bewertung der Finanzsituation der Kreise auszuklammern.

„Das ist das Gebot der Stunde. Wir müssen in dieser Notsituation den Städten und Gemeinden helfen“, sagt FDP-Fraktionschef Klaus G. Bremer. „Da hoffen wir auf die Einsicht der Landesregierung.“ Grünen-Fraktionschef Thomas Giese sagt: „Die Ausgaben für Flüchtlinge müssen gesondert betrachtet werden. Es kann nicht sein, dass uns das zur Last gelegt wird.“ Und SPD-Fraktionschef Hannes Birke, der die neuerliche Ampelkoalition in dieser Sache initiierte, warnt: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht gegeneinander ausgespielt werden und die gute Stimmung in der Bevölkerung für die Flüchtlinge plötzlich kippt.“ Wohnungsbau und Bildungsangebote müssten gleichermaßen allen Bevölkerungsgruppen zugute kommen. Er werde nächste Woche auf dem SPD-Kreisparteitag Ministerpräsident Torsten Albig auf das Problem aufmerksam machen.

Investitionsprojekte wie die bereits auf 2016 verschobene Sanierung und Erweiterung der Heidewegschule für Behinderte in Appen, die 3,3 Millionen Euro kosten soll, lägen auf Eis. Weitere Sparanstrengungen im ohnehin minimalen Bereich der Kreiszuschüsse an Vereine und Verbände wären die Folge.

Dabei hatte sich die jahrelang angespannte finanzielle Situation des Kreises voriges Jahr ins Positive gedreht. Der 2012 mit dem Land vereinbarte Rettungsschirm wurde ausgesetzt. Es flossen keine Hilfsgelder mehr vom Land, das 2012/13 noch 5,6 Millionen Euro an den Kreis überwiesen hat, weil der Kreis im Gegenzug 2012 bis 2014 7,7 Millionen Euro eingespart hat. Wenn nun die Kreisfinanzen wieder ins Minus rutschen, würde automatisch die Ausgleichsverpflichtung in Kraft treten – es sei denn, die Landesregierung nimmt die Flüchtlingsgelder aus dieser Bewertung heraus, was aus Sicht der Kreispolitiker nur folgerichtig wäre, wie Giese findet. „Das hat nichts mit dem Rettungsschirm zu tun.“

Schon Landrat Oliver Stolz hatte auf der Kreistagssitzung vor zwei Wochen die Dimensionen der Flüchtlingshilfe skizziert. Demnach verdoppeln sich in diesem Jahr die Aufwendungen für das Asylbewerberleistungsgesetz von 8,4 Millionen auf 16,4 Millionen Euro, wovon der Kreis 30 Prozent und das Land 70 Prozent zu tragen haben. Mit 2060 zugewiesenen Asylbewerbern in diesem Jahr ist erstmals der Höchstwert von 1992 übertroffen worden, als 2028 Flüchtlinge in den Kreis Pinneberg kamen. 2016 dürften die Ausgaben ähnlich weiter steigen, insbesondere wegen der großen Zahl an Minderjährigen, die ohne Eltern hierher flüchten.