Wedel. Kriegsrelikt wird zur Lagerfläche, um enorme Spendenbereitschaft für Flüchtlinge in Hamburg aufzufangen
Unfassbar. Wer sich derzeit einen Weg durch die alte Bunkeranlage unter Wedels einzigem Gymnasium bahnen darf, kommt aus dem Staunen kaum heraus. In den weit verzweigten Gängen und den zahlreichen Räumen lagern überall Kartons. Der Bunker, der ursprünglich als Schutzraum bei einer nuklearen Katastrophe zu Zeiten des Kalten Krieges gebaut und gedacht war, hat sich in eine Sammelstelle für die Hamburger Flüchtlingshelfer verwandelt. Hinter den dicken Bunkertüren stapeln sich nun massenweise Kartons, die auf Paletten stehen. Alles, was hier steht, wurde gespendet. Und es ist unfassbar viel zusammengekommen.
Dort, wo Menschen bei einem nuklearen Angriff hätten schlafen, sich waschen oder behandeln lassen sollen, werden nun Kinderspielzeug, Kleidung in allen Farben und Formen, Windeln, Kinderkarren, Hygieneartikel und Erstausstattungen für die Flüchtlinge aufbewahrt. Teilweise sind die Sachen auch neuwertig, wurden von Unternehmen zur Verfügung gestellt, teilweise sind sie gebraucht. Eines haben sie alle gemein: Sie kommen aus Hamburgs zentraler Aufnahmestelle für gespendete Hilfsgüter, zu der sich die Kleiderkammer Hamburg in den Messehallen gemausert hat. Dort wurden sie entgegengenommen, sortiert und in die beschrifteten Kartons verpackt.
Das von ehrenamtlichen Helfern angeschobene Projekt in den Messehallen hat Dimensionen angenommen, die sich niemand zuvor hätte ausmalen können. „Diese Aktion ist anders als alles, was ich bisher erlebt habe“, sagt Rene Grassau, der sich bereits mehrfach sozial engagiert hat. Der Unternehmer gehört zum Team der zahlreichen Helfer und weiß um die enorme Hilfs- und Spendenbereitschaft in Hamburg, denn er hat sie in den vergangenen Tagen miterlebt.
„Es ist gigantisch. Die Menschen sind super engagiert“, berichtet er. Jeder helfe unbürokratisch, schnell und flexibel. „Wir posten bei Facebook, dass wir etwas zu essen benötigen, und schon sind zehn Pizzen da“, berichtet Grassau. Oder es würden Kartons benötigt, und eine Firma bringe so viele mit, dass der Turm in den Himmel reiche.
Am Sonnabend war Grassau das erste Mal in den Messehallen, half beim Sortieren des Lagers und assistiert nun beim Aufbau einer Software, um Struktur in das Ganze zu bekommen. Aus einem Tag wurde eine Woche, in der er rund um die Uhr half und dafür sorgte, dass die Hilfsgüter nach Wedel kamen.
Denn Grassau ermöglichte, dass der Bunker in Wedel zum Zwischenlager wurde. Der EDV-Fachmann stellte die 5000 Quadratmeter, die er hier von der Stadt gemietet hat, kurzerhand für das Projekt zur Verfügung, dem es an Fläche fehlt. Das Problem: Auf der einen Seite ist die Hilfsbereitschaft so groß, dass der Berg an gespendeten Sachen massiv wächst und auf der anderen Seite ist die Fläche endlich. Die Messehalle kann nur noch einige Wochen genutzt werden.
Grassau stellt den Bunker zur Verfügung, Unternehmen gaben kostenlos Transporter, Fahrer und Gabelstapler für die riesige Umzugsaktion her. Freiwillige beluden die Lastwagen, die tagelang fuhren. Ein 40-Tonner, der jeweils 33 Europaletten fasst, fuhr laut Grassau mindestens 15 Mal. Die Wedeler Stadtverwaltung erlaubte kurzfristig eine Straßensperrung, die Bauhofmitarbeiter füllten schnell eine Lücke im Beton vor dem Eingang, als sie sahen, dass die beim Transport störte.
Unklar ist derzeit, ob aus dem Zwischenlager eine Dauerlösung wird. Laut Grassau gibt es am Dienstag Gespräche, wie es in den Messehallen nun weitergehen soll. Der Unternehmer ist bereit, die Räume dafür herzugeben. Er sagt: „Wir haben hier die Fläche, und es ist sinnvoll sie zu nutzen.“