Haseldorf . Fehlt ein Getränk oder das Essen? Sind die Stühle zu niedrig? Bei Problemen und Wünschen der SHMF-Künstler ist Katy Dittrich erste Ansprechpartnerin.

Ihr Blick huscht unruhig hin und her. Katy Dittrich ist angespannt. Dabei könnte sie kurz durchatmen. Ihre Künstler sind versorgt, sie proben auf der Bühne im Rinderstall. Es ist 19 Uhr. In einer Stunde beginnt das Konzert. Die ersten Besucher treffen in Haseldorf ein, während die Musiker des Borodin Quartets Anspielprobe haben. Das bedeutet für Dittrich 30 Minuten Zeit, in der ihre Dienste nicht benötigt werden. Theoretisch. Praktisch steht sie auf Abruf bereit.

Fehlt ein Getränk, Essen, ist das Licht schlecht, die Stühle zu niedrig? Bei allen Problemen und Wünschen der Künstler ist die Hamburgerin die erste Ansprechpartnerin. Sie sorgt für das Nötige, damit die Musiker sich voll und ganz auf den Auftritt konzentrieren können. Dittrich gehört zu den zahlreichen Helfern hinter den Kulissen, die dafür sorgen, dass es ein schöner Konzertabend für die Besucher wird. Die 25-Jährige ist eine von insgesamt zehn Künstlerbetreuerinnen des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF). Sie ist „Mädchen für alles“, Projektplanerin und Chauffeurin. Zur ihren Aufgaben gehörte es, die vier Künstler samt Instrumenten mit dem Wagen in Hamburg abzuholen und sie sicher und bequem hinaus aufs Land zu bringen.

Das Gut Haseldorf ist ein etablierter Spielort des SHMF. Mit den in diesem Jahr sechs geplanten Konzerten ist es die mit Abstand am meisten frequentierte SHMF-Stätte im Kreis Pinneberg. Von den Erfahrungen der hiesigen Organisatoren profitiert Dittrich. An diesem Abend läuft viel ohne ihr Eingreifen. Zum Beispiel die Blumenfrage, die hat das ehrenamtliche Beiratsteam im Griff. In anderen Fällen muss Dittrich das genauer besprechen.

„Das Timing ist sehr wichtig. Der Auftritt der Künstler folgt einer gewissen Dramaturgie“, erklärt sie. Wenn jemand fälschlicherweise zu früh mit den Blumen auf die Bühne eilt, kann das den Ablauf stören. Im schlechtesten Fall fällt eine Zugabe aus. Andere Künstler mögen keine Blumen oder sind allergisch. „Es gibt viel, was abgesprochen werden muss“, so Dittrich, die als Mittler zwischen der Künstleragentur, den Organisatoren vor Ort und der SHMF-Stätte in Lübeck fungiert.

Dittrich hat am Hamburger Thalia-Theater vor kurzem ihre Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau beendete und sich für den Job in einem Auswahlverfahren gegen zahlreiche Bewerber durchgesetzt. Denn die Aufgabe ist laut SHMF-Pressesprecherin Julia Mirow begehrt, obwohl sie zeitlich auf die Spielsaison begrenzt ist: „Die Betreuer können Kontakte knüpfen. Viele, die heute fürs SHMF arbeiten, haben einst als Künstlerbetreuer angefangen.“

Um den Job zu ergattern, musste Dittrich auch eine etwas ungewöhnliche Aufgabe meistern: einen Fahrtest. Nach dem Bewerbungsgespräch ging’s mit Fahrlehrer ins Auto. „Das war wie bei einer Fahrprüfung“, erinnert sie sich. Dittrich hat schon länger ihren Führerschein. „Es ging auch weniger darum, ob ich die Verkehrsregeln beherrsche, sondern mehr darum, ob sich der Fahrlehrer bei der Fahrt wohl und sicher fühlt“, sagt die 25-Jährige. Mirow nickt: „Die Künstlerbetreuer fahren durchschnittlich etwa 10.000 Kilometer während der Spielzeit. Es ist sehr wichtig, dass die Musiker im Auto nicht um ihr Leben fürchten müssen.“

Dittrich holt die Musiker, die für die Konzerte zum Teil auch weit anreisen, von Bahnhöfen, Flughäfen oder Hotels ab. Dafür stellen Sponsoren Autos zur Verfügung. Im Fall des Borodin Quartets fuhr sie zu einem Hamburger Hotel im Stadtzentrum, ursprünglich sollte es zum Flughafen gehen – das hatte sich kurzfristig geändert. An der Spielstätte um 18.30 Uhr angekommen, half sie die Instrumente auszuladen und den Weg hinter die Kulissen zu finden.

Vor zehn Tagen hat die Künstlerbetreuerin damit begonnen, den Ablauf dieses Tages zu planen, alle nötigen Infos über Allergien, Vorlieben oder Abneigungen zu studieren oder abzufragen. Wobei es im Fall des Quartetts mit russischen Wurzeln wenig zu wissen gab. Sie sind pflegeleicht, wünschen sich nur nach den ersten Minuten Anspielprobe höhere Stühle, die werden organisiert. „Die Künstler sind gar nicht so spleenig, wie man denkt. Ich habe da ganz andere Erfahrungen gemacht. Meist möcht sie nur in Ruhe gelassen werden“, berichtet Dittrich, die schon ihr nächstes Projekt plant.

Zehn Konzerte hat sie bislang begleitet, sechs sind es noch. Als nächstes steht wieder Haseldorf auf dem Programm. Dann kümmert sie sich um die 14 Berliner Flötisten, für deren Auftritt am 24. August es noch Karten gibt. Für Dittrich ist das eine besondere Aufgabe. „Ich spiele selber Querflöte und bin gespannt, die Profis zu hören.“

Ihr Abend endete übrigens spät. Nach dem Empfang im Gutshaus brachte sie das Quartett zurück zum Hotel. Da war es Mitternacht.