Schenefeld . Das Gymnasium kämpft nach Führungsdebakel um Neuanfang. An der Gemeinschaftsschule geht Chefin Ina Baumert nach 38 Jahren von Bord.

Wer glaubt, dass eine Schule nicht mit ihrem Chef steht und fällt, der irrt. Am Beispiel des Schenefelder Gymnasiums wird deutlich, wie sehr eine Führungskraft die Geschicke doch beeinflussen kann. 2012 ging Direktor Horst Meyer in Pension. Er hinterließ eine Schule, die weit über ihre Grenzen hinaus bekannt war für ihren Musikzweig. Engagierte Lehrer hatten die Schule zu einer ungewöhnlichen Talentschmiede gemacht. Meyer war es, der um die dafür nötigen Stundenkontingente kämpfte – auch wenn er sich dabei einen Rüffel von seinem Arbeitgeber, dem Kieler Ministerium einhandelte. Was er mühsam 16 Jahre lang mit aufgebaut und erhalten hatte, liegt derzeit danieder.

So fiel 2015 erstmals die Jazz-Rock-Pop Night aus. Es wäre die 26. Auflage des Schüler-Lehrer-Konzertes gewesen. Auch das Winterkonzert fiel aus, Musik-AGs pausieren. Das liegt zum einen an erkrankten Kollegen, es liegt aber auch einem Führungsdebakel. Mit Meyers Nachfolger Rolf Schell kappte es gar nicht. Der Führungsstil kam bei den Kollegen nicht gut an, der Planungsstil nicht bei den Eltern. Es gab haufenweisen Beschwerden, gescheiterte Rettungsversuche, und am Ende zog Kiel die Notbremse. Das Ministerium berief ihn am Ende der zweijährigen Probezeit ab. Das hat Seltenheitswert. Nun wird ein neuer Schulleiter gesucht.

Gleiches gilt auch für die angrenzende Gemeinschaftsschule. Allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen. Hier verabschiedet sich am 16. Juli eine Rektorin in den Ruhestand, die 38 Jahre lang im Schenefelder Schulbetrieb war, jahrzehntelang für ihre Hauptschule und deren Existenzberechtigung gekämpft und am Ende die Fusion mit der Realschule zur Gemeinschaftsschule umgesetzt hat. Schenefelds Schulbetrieb ohne Ina Baumert? Das ist kaum vorstellbar. Doch mit 65 Jahren geht sie nun von Bord.

Sie hinterlässt ihrem noch nicht benannten Nachfolger oder ihrer Nachfolgerin eine Gemeinschaftsschule, die großen Zuspruch erlebt. „Wir haben derzeit 440 Schüler. Tendenz steigend“, sagt Baumert. Wobei sie weiß, dass die Zahlen steigen, weil es im Gymnasium nicht rund läuft. Sie steigen aber auch, weil das Schulsystem bei Eltern gut ankommt. „Wenn wir weiter wachsen wird es schwierig. Dann muss die Schule wohl um einen Anbau erweitert werden. Aber das weiß der Träger“, sagt Baumert. Wohin der Anbau käme und wie dann die einzelnen Stufen verteilt werden, darüber denkt sie kurz nach – bis ihr einfällt: „Ach, das Problem müssen jetzt wohl andere lösen.“

In den 80er-Jahren stand die Schule kurz vor dem Aus

Auch Baumert kann sich noch nicht an den Gedanken gewöhnen, ohne ihre Schule zu sein. Ende der 70erJahre heuerte die junge Deutsch-, Englisch- und Mathelehrerin mit dem Hamburger Examen in Schenefeld an. Es war eine ganz bewusste Entscheidung für die Hauptschule. „Ich wollte nie in so großen Systemen wie Gesamtschulen arbeiten“, erinnert sie sich. Was sie nicht wusste, war, dass ihre Schule noch deutlich kleiner werden sollte. Von 330 Schülern schrumpfte die Hauptschule bis Ende der 80er-Jahre auf 90 Schüler und stand kurz vor dem Aus. „Der Ruf der Hauptschulen war beschädigt. Wir galten als die Resteschule, dagegen musste man immer ankämpfen“, erinnert sie sich.

Baumert hat viele Veränderungen miterlebt. Reformen, Konzepte, Bildungsmodelle. „Schon früher haben Eltern versucht höher zu greifen, sind den Schulempfehlungen nicht gefolgt, sondern wollten ihr Kind am besten erst einmal aufs Gymnasium schicken und dann mal schauen“, berichtet Baumert. Am Ende kamen die Kinder dann schulmüde und unmotiviert in den vermeintlich schlechteren Schulen an. „Daran hat sich bis heute nichts geändert, obwohl wir das System so oft geändert haben“, sagt die 65-Jährige, die 1987 die Leitung der Hauptschule übernahm und 2010 dann Chefin der neuen Gemeinschaftsschule wurde.

Aus zwei Schulen eine machen, aus zwei Lehrerkollegien eines formen: kein leichter Prozess. „Anfangs war es holprig. Aber jetzt sind wir zusammengewachsen“, zieht Baumert Bilanz. Sie selber war skeptisch, ob die Gemeinschaftsschule für alle gut ist. „Ich hatte Angst, dass die Lernschwächeren untergehen. Aber ich habe mich eines Besseren belehren lassen.“ Für ihre Nachfolge wünscht sie sich jemanden wie ihren jetzigen Stellvertreter Karsten Güllich. Offen, schülernah, menschlich und doch mit der richtigen Prise Autorität versehen.

Wer es auch wird, es erwarten ihn zahlreiche Aufgaben. Inklusion ist latu Baumert eine der größten Herausforderungen der Zukunft. Aber es müsse auch die Fusion weiter betrieben werden. Noch finden sich beispielsweise in den Zeugnissen, die mit einem Programm des Landes erstellt werden, vor den Noten die Abkürzungen H und R, für Haupt- und Realschule – obwohl es die Schulformen gar nicht mehr gibt. Auch die zunehmenden psychischen Probleme von Schülern in den Jahrgängen fünf und sechs machen Baumert Sorgen.

Sie wird es aus der Ferne beobachten. Baumert genießt ihren Ruhestand in Wedel, wo sie lebt. Ihr Job wird voraussichtlich im Februar 2016 neu besetzt sein. Zum gleichen Zeit beginnt voraussichtlich auch im Gymnasium der Neuanfang.