Rellingen. Till Stehn und Kristin Kröckel vom Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus leisten Präventionsarbeit gegen Rassismus im Alltag.

Wie siehst du denn aus? Wo kommst du denn her? Solche Sätze hören und sagen Menschen jeden Tag. Auch wenn dies oft nicht böse gemeint ist, kann solch eine Frage ganz anders verstanden werden – nämlich als Rassismus. Kristin Kröckel und Till Stehn vom Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus referieren und diskutieren am Mittwoch, 24. Juni, im Rellinger Rathaus zum Thema „Alltagsrassismus – was geht mich das an?“

Hamburger Abendblatt: Was sind die Aufgaben des Beratungsnetzwerkes gegen Rechtsextremismus?

Kristin Kröckel: Das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus hat vier Standorte in Schleswig-Holstein, die sogenannten Regionalen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus. Wir in Itzehoe sind zuständig für die Kreise Steinburg, Dithmarschen und Pinneberg. Unsere Arbeit besteht aus zwei Säulen. Zum einen die Beratung, zum Beispiel von Menschen, die in der Nachbarschaft oder in der Schule mit Rechten Probleme haben. Zum anderen leisten wir Präventionsarbeit. Dafür sprechen wir praktisch mit allen Menschen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen wollen oder müssen, weil es Vorfälle gab.

Wie finanziert sich das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus?

Till Stehn: Drei unserer regionalen Büros werden über das Landesprogramm zur Rechtsextremismusbekämpfung und Demokratieförderung Schleswig-Holstein finanziert, das Kieler Büro finanziert sich durch ein Bundesprogramm. Wir sind in Trägerschaft angestellt bei der Arbeiterwohlfahrt.

Wo fängt Alltagsrassismus an? Und wie unterscheidet er sich von Rassismus?

Stehn : Es gibt immer wieder exemplarische Beispiele für rechte Gewalt und Rassismus, die auch in der Presse Erwähnung finden. Für viele Betroffene ist Rassismus aber eine alltägliche Erfahrung, der sie auf ganz vielen Ebenen begegnen. Häufig berichten Betroffene, dass es eben nicht nur vom klassischen Neonazi kommt, sondern von ganz normalen Menschen. Das können Nachbarn sein, aber auch Freunde oder Bekannte, die rassistische Sprüche bringen. Oder auch bei der Job- oder Wohnungssuche, wo die Betroffenen oft aufgrund ihrer Herkunft Ablehnung erfahren. Vielen Menschen, die sich rassistisch äußern, ist meist gar nicht bewusst, was sie da gerade gesagt haben.

Kröckel: Das passiert oft unbewusst und unterschwellig. Gerade die unbewussten Äußerungen enthalten oft Vorurteile, die wir alle kennen, die über die Medien transportiert werden und die dann einfach weitergegeben werden. Die Betroffenen haben einen ganz anderen Blick darauf, weil sie sich davon diskriminiert fühlen.

Hat Alltagsrassismus aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren zu- oder abgenommen?

Stehn : Das ist schwer zu sagen. Abgenommen hat es auf jeden Fall nicht. Es gibt aktuell in Schleswig-Holstein immer wieder Diskussionen über Unterkünfte für Geflüchtete. Wenn das ein Thema in der Öffentlichkeit ist, ruft das eher Leute auf den Plan, die sich rassistisch äußern. Rassismus wird dadurch zwar sichtbarer, die Gedanken gab es mit Sicherheit aber schon vorher.

Kröckel: Was wir aber bemerken ist, dass Anlaufstellen, wie das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus oder der Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein, und die geleistete Präventionsarbeit zu einer höheren Sensibilität führen. Sowohl für rassistische Äußerungen Betroffenen gegenüber als auch für die Beratungsangebote. Deshalb ist es schwierig zu sagen, ob Rassismus zugenommen hat, die Fallzahlen sind seit Jahren hoch. Aber die Zahl derer, die die Beratungen in Anspruch nehmen, nimmt zu.

Stehn: Was bundesweit zugenommen hat, sind rechte Übergriffe. Abgesehen von einem Phänomen wie Pegida, wo sich Rassismus in einer ganz besonderen Form äußert, bemerken wir, dass Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte bundesweit rasant zunehmen. Wir können fast täglich von irgendwelchen Anschlägen auf Unterkünfte und Einzelpersonen in der Zeitung lesen.

Hat sich der Alltagsrassismus in den vergangenen Jahren verändert?

Kröckel : Auf jeden Fall. Gerade durch ein Phänomen wie Pegida sind Dinge, die vorher nicht gesagt wurden, auf einmal sagbar geworden, und das macht sich natürlich bemerkbar.

Was sollte gegen Alltagsrassismus getan werden? Was sind probate Mittel, um dem Problem entgegenzuwirken?

Stehn : Wichtig ist auf jeden Fall die Prävention, um eine Sensibilisierung der Menschen für das Thema Rassismus zu erreichen. Das zeigt sich aktuell wieder: Obwohl überall in Schleswig-Holstein Leute gegen Flüchtlingsunterkünfte mobil machen, erleben wir viele Menschen, die sich positiv engagieren, in Willkommensinitiativen zusammenschließen und eine positive Stimmung erzeugen. Dort, wo es diese Willkommensbündnisse gibt, die gute Arbeit leisten, da sind die rassistischen Stimmen nicht so stark und finden auch nicht solchen Anklang.

Kröckel: Auch die Perspektive des Einzelnen ist wichtig. Jeder kann seine eigenen Vorurteile reflektieren und die Betroffenen ernstnehmen. Oft wird das leider abgetan, weil sich viele Leute nicht vorstellen können, dass das beispielsweise in ihrer Nachbarschaft passiert. Es ist wichtig und hilft, einfach für sich selbst Position zu beziehen und jemandem zu widersprechen, wenn dieser sich rassistisch äußert. Einfach zu sagen „Ich stimme dem nicht zu, ich finde das nicht in Ordnung“ kann manchmal schon viel bewegen.

Vortragsabend in Rellingen

Der Vortragsabend der Rellinger Jugendhilfe zum Thema „Alltagsrassismus – Was geht mich das an?“ mit Till Stehn, Kristin Kröckel, Jugendschützer Jörn Folster und Daniel Mietz von der Gemeinde Rellingen beginnt an diesem Mittwoch um 19 Uhr im Rathaus, Hauptstraße 60 in Rellingen. Besucher sind willkommen, der Eintritt ist frei.