Rossmann: Integrationskurse sind seit zehn Jahren eine Erfolgsgeschichte. Gute Deutschkenntnisse nutzen Gesellschaft und Wirtschaft
Viel zu lange hat sich Deutschland dagegen gesträubt, ein Land von Einwanderung und Integration zu sein. Gastarbeiter hieß das Schlüsselwort in der alten Bonner Republik, das dann zur Lebenslüge in der Gegenwart wurde. Die Zuwanderungskommission unter Leitung von Rita Süssmuth, bis dato profilierte CDU-Politikerin und langjährige Präsidentin des Deutschen Volkshochschulverbandes, hat dann für Rot-Grün 2001 wegweisende Empfehlungen zur Zuwanderung und Integration und für Sprachkurse vorgelegt. Die Integrationskurse gibt es jetzt seit zehn Jahren. Mit Recht herrscht große Einigkeit: Es ist eine Erfolgsgeschichte.
Seit 2005 haben über 1,1 Millionen Menschen an den Kursen teilgenommen. Am meisten nachgefragt wurden und werden allgemeine Integrationskurse mit 600 Stunden Sprachunterricht und 60 Stunden Orientierungskurs. Fast zwei Drittel der Teilnehmer schließen dabei die Sprachprüfungen auf dem Niveau der fortgeschrittenen Sprachverwendung ab, bei der es um vertraute Dinge wie Arbeit, Schule, Freizeit und die Alltäglichkeiten des Lebens geht. Kurz gesagt: Sie können sich überall und jederzeit gut verständigen. Stellen wir uns nur einen Moment vor, wir sollten in vergleichbarer Qualität die polnische Sprache oder türkisch oder Dari als afghanische Sprache lernen. Hut ab hierfür für die Lernenden und ihre Lehrkräfte.
Auch im Kreis Pinneberg haben von 2005 bis 2014 insgesamt 4212 Teilnehmer an diesen Integrationskursen nach dem Aufenthaltsgesetz teilgenommen, konkret 3101 Teilnehmer an den allgemeinen Integrationskursen, 382 an den Eltern-und Frauenintegrationskursen und 200 an den besonderen Jugendintegrationskursen. Für 480 Menschen war der Sprachkurs zugleich mit Alphabetisierung verbunden. Mit dem erfolgreichen Erwerb eines Sprachzertifikats ist auch eine der Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft erreicht. Wir sehen viele dieser Menschen dann mit Recht stolz und glücklich in den Einbürgerungsfeiern, die regelmäßig im Kreis Pinneberg stattfinden.
Erbracht wurden diese Sprachförderung in den letzten zehn Jahren im Kreis Pinneberg durch zehn Trägerorganisationen, wie überall in Deutschland mit den Volkshochschulen an der Spitze, aber auch beispielsweise durch den verdienstvollen Diakonieverein Migration. Finanziert werden die Kurse aus den Mitteln des Bundes, der für das Jahr 2015 hierfür bisher 275 Millionen Euro eingeplant hat. Aber auch die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind mit einem grundsätzlichen Kostenbeitrag von 1,20 Euro für jede Unterrichtsstunde dabei.
Die Sprachkurse wirken und werden von den Teilnehmenden mehrheitlich klar positiv wahrgenommen, egal ob sie nun freiwillig oder aus Verpflichtung belegt werden. Die Aussicht auf die deutsche Sprache ist eine Perspektive, die Hoffnung gibt. Nach zehn Jahren sind aber auch einige Verbesserungen im System überfällig. Der Volkshochschulverband wie die anderen Träger und die GEW arbeiten hieran. Auf einer großen Tagung am 17. Juni in Berlin werden hierzu besonders folgende Punkte herausgestellt.
1. Das Trägernetzwerk muss für ein zuverlässiges und differenziertes Integrationsangebot mehr Planungssicherheit erhalten und auch bürokratisch entlastet werden.
2. Die sehr hohen Anforderungen an die Qualifikationen der Lehrkräfte, die immerhin einen akademischen Abschluss in Deutsch als Zweitsprache/Fremdsprache oder Gleichwertiges nachweisen müssen, stehen im Widerspruch zu den gegenwärtigen Honoraren. Diese müssen dringend schrittweise erhöht werden.
3. Flüchtlinge und Menschen mit einer Duldung dürfen von den Sprachkursen nicht länger ausgeschlossen werden. Das Land und engagierte Kommunen auch im Kreis Pinneberg können hier nur Behelfsmaßnahmen ergreifen. Gefordert ist hier der Bund. Der „Flüchtlingsgipfel“ der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten am 18. Juni gibt hier hoffentlich eine klare Perspektive. Oder Deutschland verpasst eine offensichtliche Chance, mit wenig Geld Großes zu erreichen.
Gute Deutschkenntnisse von Migranten schaffen mehr Kontakt und mehr selbst erarbeiteten Lebensunterhalt. Mehr qualifizierte Migranten sind ein echter Nutzen unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Sprachkurse sind in der Einwanderungsgesellschaft eine Investition, die sich wirklich lohnt. Das ist die Erkenntnis aus zehn Jahren Integrationskurse auch im Kreis Pinneberg, und das muss auch die Perspektive für die nächsten zehn Jahre werden.