Magnet fürs ganze Umland: 1985 eröffnete die Großraumdisco in Kaltenkirchen. Große Revival-Party in Henstedt-Ulzburg

Im Jahr 1985 gab es in Europa keine erfolgreichere Sängerin: Mit „The power of love“ lieferte Jennifer Rush den bis heute erfolgreichsten Titel einer Solokünstlerin in den britischen Charts ab. Sieben Monate top – bis jetzt unerreicht. Jennifer Rush also war gerade gut genug, um in Kaltenkirchen bei der Eröffnung der Großdisco
MicMac auf der Bühne zu stehen.

Das MicMac ist heute Geschichte, Jennifer Rush auch. Die Disco und die Sängerin erlebten noch einige Jahre lang rauschende Erfolge, dann verschwanden beide im Orkus der Musikgeschichte. Verfallen, aber nicht vergessen. Vor 30 Jahren wurde die in dieser Region einmalige Diskothek, die zum Magneten auch für viele Discogänger aus dem Kreis Pinneberg wurde, eröffnet. Mit einer Drei-Tage-Party soll über Pfingsten in der wesentlich kleineren Henstedt-Ulzburger Disco Remix an das Ereignis erinnert werden.

MicMac – das war Symbol für ein Lebensgefühl: Ein Treffpunkt für junge Leute, die es satt hatten, in kleinen und verrauchten Vorstadt-Discos tanzen zu gehen. Für die Leute vom Land tat sich hier die große, glitzernde Welt auf, für die Leute aus der Großstadt war es die mit Glitzereffekten versehene Landidylle, in der sich vermeintlich naive junge Menschen aus der Provinz tummelten. Leicht zu berühren, leicht zu verführen. Diese Welt zwischen den Welten funktionierte bereits in Moisburg im Süden Hamburgs, wo Peter Koch bereits 1977 eine Großdisco unter dem Namen MicMac eröffnet hatte.

Es gab 65 Flugzeug-Landescheinwerfer und die größte Disco-Kugel der Welt

Nun also im Norden Hamburgs. Ausgerechnet im biederen Kaltenkirchen: 3000 Quadratmeter Glitzerwelt, anderthalb Hektar Parkplatz, direkt an der B 433. Das Kalkül des cleveren Hamburger Unternehmers ging ganz und gar auf: 18.000 Besucher an den drei Eröffnungstagen, parkende Autos bis zum Horizont. Und Jennifer Rush, die gerade ihre Single „Destiny“ herausgebracht hatte, die 96 Wochen in den britischen Charts stand.

Die Supergage war gut angelegtes Geld: Das MicMac galt über Nacht als der angesagte Treffpunkt im Norden Hamburgs. Vier Millionen Mark hatte Peter Koch investiert, um die Großdisco zu bauen und herzurichten. Über 200 Lautsprecher sorgten für den richtigen Sound, es gab eine umfangreiche Lichtanlage und eine große Video-Leinwand, auf der auch Filmausschnitte gezeigt wurden. Koch war damals der erste, der in einer Disco Musikvideos präsentierte. Über der Tanzfläche schwebte ein Doppeldecker, 65 Flugzeug-Landescheinwerfer, und die größte Disco-Kugel der Welt sorgten für Effekte. Wasserorgel und Erdbebensimulator, 25 Tresen, amerikanische Zapfsäulen und eine englische Telefonzelle – es gab nichts, was es nicht gab.

Er hatte nicht nur das Gespür für den Trend der Zeit, sondern auch gute Verbindungen zu Produktionsgesellschaften und zu den TV-Anstalten. Vor allem das ZDF erkannte den Wert der Großdisco mit dem riesigen Parkplatz, auf dem die großen Trucks stehen konnten. Bald war das MicMac in den bundesdeutschen Wohnzimmern präsent: Verschiedene Sendeformate wurden im MicMac aufgezeichnet, teilweise auch Live gesendet.

Der damals sehr populäre Peter-Illmann-Treff (P.I.T.) beispielsweise, der im ZDF donnerstags zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr lief. Die „Spielbude“ war eine andere Sendung, die regelmäßig in Kaltenkirchen aufgezeichnet wurde.

Mike Oldfield stand hier mit Anita Hegerland auf der Bühne, Bronski Beat, Peter Maffay, Jimmy Somerville, die Münchener Freiheit, Bad Boys Blue, CC Catch und viele andere traten auf. Eigentlich standen hier alle zur damaligen Zeit bundes- oder europaweit bekannten Sänger und Bands auf der Bühne. Beat-Club-Mutti Uschi Nerke präsentierte Scott McKenzie und Mungo Jerry. Achim Reichel und die Rattles machten 1988 auf ihrer Comeback-Tournee nach dem CCH-Konzert Station in Kaltenkirchen.

Eine Kuriosität am Rande: Monacos Prinzessin Stefanie stand hier mit ihrem Hit „Irresistible“ vor der Kamera. Das MicMac schwer bewacht, Fotografieren verboten – aber die Prinzessin entpuppte sich als schüchterne und ungelenke Sängerin, deren Musikkarriere anschließend schnell im Sande verlief. Bei Youtube sind viele in Kaltenkirchen aufgenommene Sendungen abrufbar. Vor allem in der Sendung „Spielbude“ taucht dabei der Neon-Schriftzug „MicMac“ oft im Bild auf.

Einer, der damals schon dabei war, ist Thomas Pütz – heute Vorstandsvorsitzer der Pütz Security AG in Kaltenkirchen und Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB). Der Schüler und spätere Student verdiente sich als Türsteher Geld nebenbei, von 1989 bis 2001 war er sogar Geschäftsführer des MicMac-Nachfolgers Traffic. Er weiß, wie sehr sich die Welt seitdem verändert hat. „Die Gewaltbereitschaft ist viel größer, der Grad der Aggressivität ist höher geworden.“ Ausschreitungen waren vor 30 Jahren eher selten zu beobachten, heute muss jederzeit damit gerechnet werden.

Der spätere Besitzer Hein-Jürgen Lüders wurde im Februar 2006 ermordet

1989 verkauft Peter Koch die Disco an den Hamburger Kaufmann Hein-Jürgen Lüders. Thomas Pütz organisierte den Veranstaltungsbetrieb zunächst erfolgreich, mit seinem Ausstieg begann aber der schleppende Niedergang der Großraumdisco, deren Name zunächst in Traffic, später in Palace geändert wurde. Das Ende kam mit dem Mord an dem Besitzer Hein-Jürgen Lüders am 12. Februar 2006. Der 77 Jahre alte Hamburger wurde in seiner Wohnung in Eppendorf von einem Unbekannten getötet. Der Täter hatte es auf die Tageseinnahmen abgesehen, die Lüders zu Hause verwahrte.

Zuletzt war das Gebäude unter dem Namen Kaltenkirchen-Süd ein Veranstaltungsort für Partys – erfolglos. 2008 wurde der Betrieb eingestellt. Der erfolgreiche Geschäftsmann Peter Koch ließ sich zunächst auf Mallorca nieder, voriges Jahr starb er 75-jährig in Brasilien. Das MicMac in Moisburg hatte Koch an Michael Fritz verkauft. Bis Silvester 2014 wurde dort auch noch gefeiert, seitdem ruht der Betrieb.

In der Diskothek Remix an der Industriestraße in Ulzburg-Süd wird an drei Tagen gefeiert wie einst im MicMac – und zwar am Freitag, Sonnabend und Sonntag, 22. bis 24. Mai, mit dem Personal, den Preisen und der Musik von damals. Die Tageskarte kostet zehn, das Drei-Tage-icket 20 Euro.