Kreis Pinneberg. Während sich vor Ort penetranter Verwesungsgeruch ausbreitetete, ließ der zuständige Abdecker auf sich warten. Laut Tierärzten kein Einzelfall.

Lysandro ist unheilbar krank. Der 25 Jahre alte Wallach leidet so stark an einem Rückentumor, dass er nicht mehr aufstehen kann. Es ist sein Todesurteil, das Springsportpferd muss unverzüglich eingeschläfert werden. Doch es ist Sonnabend, und das ist kein guter Tag zum Sterben. Denn die vom schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministerium mit der Tierkörperbeseitigung beauftragte Firma Rendac sieht sich außerstande, den toten Holsteiner Wallach zeitnah abzuholen. Folge: Das Tier bleibt vier Tage auf dem Hof in Tangstedt liegen. Unerträglicher Gestank breitet sich aus, der penetrante Verwesungsgeruch sorgt bei Mensch und Pferd in der Stallgasse für Unruhe.

Das Vorkommnis aus der ersten Maiwoche in Tangstedt ist offenbar kein Einzelfall. Auch andere Tierhalter im Kreis Pinneberg berichten von Problemen mit der Firma aus Jagel (Kreis Schleswig-Rendsburg), die seit Januar dieses Jahres für die Beseitigung von toten Pferden, aber auch Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen zuständig ist. Schon allein aus hygienischen Gründen ist es Vorschrift, dass die Kadaver so schnell wie möglich fachgerecht entsorgt werden. „Schließlich gilt es, unbedingt eine Seuchengefahr zu unterbinden“, so Oliver Carstens, Sprecher des Kreises Pinneberg.

Die Telefonate verliefen ins Leere

Im Fall des Wallachs Lysandro lief das schief. Stallbetreiberin Berit Hoffmann sagt, sie habe fünfmal vergebens mit der Firma Rendac gesprochen. „Die Telefonate liefen ins Leere. Wir wurden vertröstet, uns wurden falsche Versprechungen gemacht, und es gab Ausreden“, berichtet Hoffmann. „Die sensiblen Pferde wurden immer nervöser und aufgewühlter durch den untypischen Geruch, meine Trainingseinheiten mit den Tieren konnte ich vergessen.“

Der Kadaver wurde nach draußen geschafft, Anhänger und Pferdetransporter wurden als Blickschutz vor dem toten Springpferd geparkt. „Ein Lkw des Abdeckers war am dritten Tag nach Lysandros Tod in direkter Nachbarschaft, doch der Fahrer kam nicht zu uns“, kritisiert die Stallbetreiberin. Solche Probleme habe es jahrzehntelang mit der Abdecker-Firma davor nicht gegeben. Rendac-Geschäftsführer Oliver Röttcher räumt Fehler ein. „Eine Verkettung von unglücklichen Umständen erschwerte uns die schnelle Beseitigung des Kadavers. Das ist gerade bei Pferden natürlich auch ein sehr emotionales Thema“, sagt der Chef der Abdecker-Firma.

Das Unternehmen habe in einem Bieterverfahren des Landwirtschaftsministeriums in Kiel den Zuschlag erhalten, weil es die wirtschaftlichste Beseitigung der tierischen Nebenprodukte anbiete, sagt Minis­­teriums­sprech­-erin Nicola Kabel. Es sei bei der Auswahl nicht nur um den Preis, sondern auch um die Qualität der Dienstleistung gegangen. „Fakt ist, wer ein totes Tier wie im Fall des Holsteiner Wallachs für unter 50 Euro abholt, kann das nur machen, indem er entsprechende Aufträge zunächst bündelt“, sagt ein weiterer Tierabdecker, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Erst dann werden mehrere Tiere bei einer Tour eingesammelt und entsorgt.“

Der Kreis sieht sich nicht in der Verantwortung

Der Kreis Pinneberg sieht sich bei der Beseitigung von toten Tiere nicht mehr in der Verantwortung. „Das Land Schleswig-Holstein hat diese Aufgabe am 1. Januar 2015 von den Kreisen übernommen“, sagt Kreissprecher Oliver Carstens. „Wir als Kreis sind nur noch für die Überwachung von Betrieben und Einrichtungen zuständig.“ Damit verbunden ist, dass ebenfalls seit dem 1. Januar in ganz Schleswig-Holstein nur noch eine Tierkörperbeseitigungsanstalt für die Abholung toter Tiere zuständig ist – nämlich die Firma Rendac. Insbesondere für die Anfangszeit sei aber mit dem zuständigen Ministerium vereinbart, dass die Veterinärämter der Kreise dem Ministerium Missstände und Verzögerungen bei der Beseitigung melden. Die übergeordnete Behörde werde dann entsprechend reagieren.

Dass in der Zusammenarbeit mit dem Abdecker Rendac noch nicht alles rund läuft, belegt ein weiterer Fall aus dem Kreis Pinneberg, von dem Christina Becker berichtet: Ein Pferd sollte laut der Tierärztin aus Borstel-Hohenraden eingeschläfert werden, die Besitzerin habe die Firma Rendac informiert. „Von dort wurde ich aufgefordert, das Pferd am Straßenrand einzuschläfern und die Hufeisen zu entfernen“, sagt Becker. „Ich sollte das Tier lediglich mit einer Wolldecke abdecken und dort bis zu Abholung liegenlassen. Das habe ich natürlich nicht getan, zumal dort Spaziergänger und Radfahrer unterwegs sind.“ Das tote Pferd sei schließlich genau wie Wallach Lysandro erst nach vier Tagen abgeholt worden.Tierärztin Becker: „Allein mir persönlich sind drei weitere Fälle bekannt, in denen das so lange dauerte.“ Das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Kiel will sich nicht konkret äußern. Ministeriumssprecherin Nicola Kabel: „Wir wissen von zwei Fällen und überprüfen mögliche weitere Fälle, die es nach Angaben von Tierärzten gegeben haben soll.“

Die Firma Rendac räumt Fehler ein und kündigt Konsequenzen an. „Wir sind an den Verbesserungen dran, logistisch, technisch müssen wir nachbessern“, sagt der Technische Leiter Andreas Schade. „Die Schwächen haben wir in unserem System erkannt. Für uns ist es ein neues Landes-Gebiet, wir brauchen noch noch eine Chance.“