Pinneberg. Pinnebergs Musikschulchef Winfried Richter setzt verstärkt auf Angebote für die Jüngsten, deren Belastung im Schulunterricht stetig steigt.

Nein, leicht haben es Musikschulen dieser Tage nicht. Vor allem dann nicht, wenn sie keine starke Kommune im Rücken haben. Wie in Pinneberg. In der Kreisstadt muss Chef Winfried Richter ohne dicke Zuschüsse klarkommen.

Einem Etat von 1,3 Millionen Euro stehen gerade mal 180.000 Euro gegenüber, die seitens der Stadt jährlich überwiesen werden. Im Jahr 2019 werden die entsprechenden Verträge neu verhandelt. 40.000 Euro gibt es jährlich vom Land. Den Rest muss Richter über Gebühren erwirtschaften.

Und das ist nicht das einzige Problem: Die zunehmende schulische Belastung der Jüngsten stelle Einrichtungen wie die seine vor eine harte Prüfung, so Richter. „Die Kinder und Jugendlichen haben keine Zeit mehr für Musik.“

Winfried Richter berichtet von Dozenten, die sich auf eine ganz neue Art um ihre Schützlinge kümmern. Einige der Lehrer brächten Brötchen und Schokolade zu ihren Unterrichtsstunden mit, um zunächst einmal den Energiehaushalt ihrer aus der Schule herbeigehetzten Schüler aufzufüllen. Kinder kämen gestresst in die Musikschule. Alles andere als ein fruchtbarer Boden fürs Erlernen eines Instruments, für Kreativität.

„Das fängt in der dritten, vierten Klasse an“, sagt Richter, der in der Pinneberger Einrichtung seit drei Jahrzehnten das Sagen hat. Er reagiert mit neuen Angeboten am Wochenende, einem musikalischen Aktionssonnabend etwa.

Das sogenannte Instrumentenkarussell richtet sich an Grundschüler. Sie bekommen Gelegenheit, am Vormittag in kleinen Gruppen Posaune, Oboe und Trompete kennenzulernen – während ihre Eltern entspannt den Wochenendeinkauf erledigen.

Insgesamt 2200 Schüler wurden im Jahr 2014 an Pinnebergs Musikschule gezählt. Etwa zwei Drittel davon sind weiblich. 80 Dozenten sind im Einsatz. Richter legt zunehmend Wert auf Angebote, die sich an Kinder richten, die noch nicht zur Schule gehen. Frühkindliche Musikerziehung gewinnt an Bedeutung.

„Kinder, die nicht singen, können später Emotionen nicht deuten, die Wahrnehmung leidet“, so Richter. Das hätten Studien belegt. Folge könnten autistische Züge sein.

An Pinnebergs Musikschule können schon Einjährige sich in so genannten „Piepmatz“-Gruppen gemeinsam mit ihren Eltern musikalisch versuchen. Daran schließe sich der „Musikknirps“ an. Ab drei Jahren firmieren die Kurse unter dem Titel „Sim sala Musica“.

Für Richter steht fest: „Musik ist ein menschliches Grundbedürfnis. Sie prägt von klein auf die Persönlichkeit und bildet Empathie aus.“ Die Freude der Kinder an einfachsten Kreistänzen und ersten Übungen auf Instrumenten belege das. „Die Teilhabe sollte daher allen zugänglich sein“, sagt Richter.

Die Angebote der Musikschule im Elementarbereich seien daher seit Jahren von Gebührenerhöhungen ausgenommen. Zudem gebe es in der Einrichtung für Härtefälle einen Sozialfonds. Es müsse auch künftig darum gehen, Kindern und Jugendlichen einen Ausgleich für die emotionale Einsamkeit in Zeiten von Smartphone und Computer zu bieten.

Im Süden Deutschlands genießenMusikschulen viel mehr Wertschätzung

Geht es ums Geld oder die stets drückende Raumnot, schaut Winfried Richter gern mal gen Süden. In Bayern etwa herrsche eine ganz andere Kultur vor. Musikschulen genössen dort einen höheren Stellenwert. Die Finanzierung werde je zu einem Drittel von Kommunen, dem Land und Schülern geschultert.

„Das Land Schleswig-Holstein ist arm an kultureller Bildung“, zieht der 63 Jahre alte Leiter der Pinneberger Musikschule ein deutliches Fazit. Spaß hat Richter an seiner Arbeit trotzdem noch. „Ja, ich kann mir vorstellen, über mein 65. Lebensjahr hinaus zu arbeiten.“