Hetlingen. Fritz Eckert baut Geräte im Retro-Design, die aus einem Roman von Jules Verne stammen könnten. „Steampunk“ heißt der neue Trend.

„Aeon Junophor“ trägt Kleidung aus viktorianischer Zeit, schreibt und spricht in einer Weise, die in früheren Jahrhunderten üblich war, und bastelt aus Schrott funktions­tüchtige Geräte im Retro-Design. Hinter dem Künstlernamen verbirgt sich der Bauingenieur Fritz Eckert aus Hetlingen. Er ist durch das Internet als „Steampunk“-Künstler weltweit bekannt und anerkannt.

Seine in den USA lebende Tochter hat Eckert auf die Kunstströmung aufmerksam gemacht. In Nordamerika ist Steampunk sehr populär und findet allmählich auch hier immer mehr Fans. Die Steampunks kreieren sich eine Welt, die so aussieht wie in einem Science-Fiction-Roman aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert. In den damaligen Zukunftsbeschreibungen lebten die Menschen in Wolkenstädten, flogen mit kuriosen Geräten durch die Luft oder reisten mit Dampfkraft in die Zukunft. Mitglieder der Steampunk-Bewegung sind fasziniert von diesen aus heutiger Sicht antiquierten Zukunftsvisionen, für die Werke von Schriftstellern wie Jules Verne und H.G. Wells oft Pate standen. „Retro-Futurismus“ ist ein anderes Wort für dieses Phänomen.

Für Fritz Eckert und seine zahlreichen Kollegen in aller Welt ist Steampunk ein Lebensgefühl. Deshalb schlüpft der Hetlinger als „Aeon Junophor“ in Kleidung aus dem viktorianischen Zeitalter. Steampunks sind oft auch Bastler und Tüftler, die Romantik mit Wissenschaft verbinden. So auch Fritz Eckert. Er konstruiert die verschiedensten Objekte. Was die Konsumgesellschaft wegwirft, kann er gebrauchen.

Bei Elektro-Meyer am Rosengarten in Wedel geht Eckert regelmäßig ein und aus und holt sich jeden Freitag den Schrott ab, den Mitarbeiter und Familienmitglieder gesammelt haben, damit der Ingenieur aus Hetlingen wieder neue Kunststücke basteln kann. Schick sehen die Dinge zudem noch aus. Eckert versteht sich als Künstler, hat einen ästhetischen Anspruch: „Ich möchte mich an den Dingen erfreuen, mit denen ich arbeite“, sagt er.

Auf der Steampunk-Internetseite www.instructables.com präsentiert Fritz Eckert seit vier Jahren Objekte, die mittlerweile fast 550 000 Leute angeklickt haben. 634 Follower hat „Aeon Junophor“ im Netz, bei drei Design-Wettbewerben hat er jeweils den dritten Platz belegt. Und das bei insgesamt 10 000 Bewerbern.

Die Geräte, die Fritz Eckert baut, haben fast alle eine Funktion und sehen gleichzeitig auch noch toll aus. Er hat etwa ein Radio im Steampunk-Design konstruiert, einen historisch anmutenden MP3-Player und einen Diaprojektor. Aus zwei Leuchtdioden, zwei Sicherungsknöpfen und einer Nebelschlussleuchte eines Autos hat der Ingenieur ein Ampèremeter gebaut, aus einer Salatschüssel eine Art Lügendetektor. Der absoluter Hingucker in seiner Kollektion aber ist seine Zeitreise-Maschine „Aethernaut“. Aus Kupfer, Messing, Porzellan und dem Werkstoff „Vulkanfiber“ hat Eckert das Gerät gebaut. Die schmucke Maschine führt er nicht ohne ein spitzbübisches Schmunzeln vor. Schließlich will er mit Hilfe des Geräts zurück in die Vergangenheit reisen. Ob und wie das geht, ist allerdings der Fantasie des Betrachters überlassen. Diese Maschine und noch zahlreiche andere Konstruktionen von Fritz Eckert stellt Peter Meyer in einem Schaufenster seiner Elektrofirma aus. Wer sich also unter Steampunk nichts vorstellen kann, sollte einmal einen Blick in das Fenster am Wedeler Rosengarten werfen.

Eckert hat auch eine eigene Homepage. Unter www.dampfkraftlabor.de zeigt und beschreibt er seine Objekte, selbstverständlich in altmodischer Sprache. Zurzeit ist der Hetlinger mit einigen Kunstwerken bei einer großen Ausstellung in Nürnberg vertreten. Für eine Fantasy-Messe in Baden-Württemberg hat er eines seiner Objekte für eine Auktion zur Verfügung gestellt, deren Erlös einem sozialen Zweck zugute kommt. Besonders stolz ist Eckert darauf, dass er es mit seinem Hobby sogar schon in ein Buch geschafft hat. Im Sommer erscheint ein großer Bildband über Steampunk. Darin wird der Ingenieur aus Hetlingen auf einer Doppelseite vorgestellt.

Eckert, der bei der Hetlinger Wehr aktiver Feuerwehrmann und zudem als Ausbilder für Feuerwehrleute beim Kreis Pinneberg tätig ist, entwickelt auch für diesen Bereich ganz praktisches Anschauungsmaterial. So hat er ein Gerät gebaut, mit dem er seinen Kameraden erklären kann, wie ein Plasmaschneider funktioniert, mit dem Verletzte aus einem Unfallauto herausgeschnitten werden. Steampunk wird immer populärer — das zeigt nicht zuletzt ein Beispiel aus dem öffentlichen Nahverkehr. Seit Kurzem fahren zwei Linienbusse der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH), die wie rollende Steampunk-Objekte wirken. „Die Busse sollen wie eine Zeitmaschine aussehen“, sagt VHH-Marketing-Chefin Angelika Schoder. Auf Fahrzeugen der Linie 3, die den Schenefelder Platz mit dem Kraftwerk Tiefstack verbindet, wirbt das Gebrauchtwarenkaufhaus „Stilbruch“, ein Tochterunternehmen der Hamburger Stadtreinigung, für Möbel, Hausrat, Bücher, Platten und vieles mehr. „Stilbruch“ stellt auch die Bücher zur Verfügung, die in 130 VHH-Bussen ausgeliehen werden dürfen. Laut Angelika Schoder werden die Busse mindestens zwei Jahre im Steampunk-Design unterwegs sein.