Italienische Behörden haben den Fall des verunglückten Willi Sch. bereits vor Monaten begraben. Angehörige und Freunde wissen das erst jetzt.
Wedel/Cannobio. Der Blick vom Gridone ist atemberaubend. Wer den 2188 Meter großen Berg erklimmt, dem liegt der Lago Maggiore zu Füßen. Der See in Oberitalien schlängelt sich durch ein Tal in den Tessiner Alpen. Der Gridone, der die Grenze zwischen Italien und der Schweiz markiert, ist die höchste Erhebung am Ufer des Sees. So schön, wie es auf dessen Gipfel ist, so traurig endete hier die Reise eines Wedelers.
Wilhelm Sch. war mit Freunden im Juni vergangenen Jahres nach Italien aufgebrochen. Zusammen bewohnten sie ein Haus von Bekannten. Es war der letzte Sommerurlaub für Willi, wie ihn seine Freunde nannten. Mit großer Wahrscheinlichkeit verunglückte der 64-Jährige bei einer Wanderung am 22. Juni auf dem Gipfel des Gridone tödlich. Denn am 1. September wurden die Überreste eines Mannes im Tal vonCannobio gefunden. In einer Hosentasche fanden sich die Brieftasche und der Personalausweis des vermissten Wedelers. Wahrscheinlich stürzte er auf seinem Weg vom Berg hinunter ab, auf dem er von anderen Wanderern noch gesehen worden war. Unglücklich ist allerdings auch, was sich anschließend abspielte.
Denn obwohl der Fund fünf Monate her ist, galt Wilhelm Sch. bis vor kurzem als offiziell vermisst. Seine Rente wurde weitergezahlt, der Mietvertrag für seine Wedeler Wohnung lief weiter. Verwandte und Bekannte konnten sich nicht verabschieden, weil es keine Trauerfeier gab. Während bislang Freunde und Angehörige glaubten, man müsse nur auf eine alles klärende DNA-Analyse aus Italien warten, stellt sich nun heraus: Die wird es nicht geben und sollte es wohl auch nie geben. Denn in Italien wurde der verunglückte Wilhelm Sch. schon lange für tot erklärt, seine Überreste wurden bereits bestattet – scheinbar ohne Rücksprache mit den Angehörigen oder den deutschen Behörden. Denn sowohl seine Geschwister als einzige Angehörigen des unverheirateten und kinderlosen Wedelers als auch die Pinneberger Kriminalpolizei, die den Fall in Deutschland betreut, wurden darüber erst vor kurzem informiert. Die jetzt aus Italien eingetroffene Sterbeurkunde ist allerdings bereits auf den 6. November 2014 datiert.
Wer wen wann nicht informierte, ist unklar. Vom Auswärtigen Amt heißt es auf Abendblatt-Anfrage dazu: „Der Sachverhalt ist dem Auswärtigen Amt bekannt und das deutsche Generalkonsulat in Mailand mit dem Fall befasst.“ Zu Details will man aus Datenschutzgründen nichts sagen. Klar ist, dass es zwischen deutschen und italienischen Behörden in der Abstimmung hakte.
Während den italienischen Behörden die gefundenen Überreste als Beweis ausreichten, um den Fall abzuschließen, braucht es in Deutschland einen DNA-Test. Die Pinneberger Kripo, die die Akte auch schließen wollte, bat die Italiener mehrfach, Material für einen Abgleich nach Deutschland zu schicken – nicht wissend, dass die Überreste bereits begraben sind. Erst nachdem sich sowohl das Bundeskriminalamt als auch das Deutsche Konsulat in den Fall einschalteten, kamen die Details heraus. Mit der nun in Deutschland eingetroffenen offiziellen Sterbeurkunde ist der Fall für die deutschen Behörden erledigt.
Anders verhält es sich für die Freunde und Bekannten von Willi Sch. Da die bislang gefundenen Überreste bereits in Italien begraben wurden, konnten sie nicht Abschied nehmen. Das möchte vor allem einer so nicht auf sich beruhen lassen. Günther Jarren plant für seinen Freund eine Trauerfeier. Seit fast 40 Jahren kannten sich die beiden, Jarren verbrachte auch die letzten Tagen in Italien mit seinem Freund. Das Haus, in dem sie Urlaub machten, gehörte der Familie von Jarrens Lebensgefährtin. Am Unglückstag brachte Jarren seinen Freund bis zum Parkplatz in Cortaccio. Von dort aus wollte der Wedeler allein den Gipfel des Gridone erklimmen. „Er ist öfter allein gewandert. Am Tag zuvor war er auf einem ähnlichen hohen Berg. Er war eigentlich nicht leichtsinnig“, sagt Jarren. Um 9 Uhr setzte er ihn ab. Für den späten Nachmittag hatten sie sich zum Essen verabredet. Um 16 Uhr zog ein Gewitter auf. Jarren machte sich Sorgen, erreichte seinen Freund nicht. Er fuhr zum Parkplatz. Nichts. Um 18.30 Uhr rief er Hilfe. Eine tagelange Suchaktion mit drei Hubschraubern und 50 Rettungskräften aus Italien und der angrenzenden Schweiz begann. Sowohl der Einsatz von Wärmebildkameras als auch eines Handyortungsgeräts brachte kein Ergebnis.
Dass sein Freund bereits im November für tot erklärt und längst in Cannobio begraben wurde, ohne dass jemand in Deutschland darüber informierte wurde, findet Jarren ziemlich dubios. Dabei hätten die Namen und Anschriften der Angehörigen vorgelegen. Ändern ließe sich daran nichts mehr. Darin scheinen sich Jarren und die Angehörigen einig. Sie sind in Kontakt. Zumindest die Trauerfeier soll nun in Wedel stattfinden. „Er hat hier einen großen Bekanntenkreis. Ich weiß, dass für viele das so nicht abgeschlossen ist“, erklärt Jarren. Die Trauerfeier ist für Freitag, 27. März, um 12 Uhr auf dem Wedeler Friedhof geplant.