Sieben Wochen vegan: Wie ein Zweimetermann Abendblatt-Autorin Sarah Stolten überzeugte, ganz auf tierische Produkte zu verzichten.
Kreis Pinneberg. Vegan leben ist hip. Es ist angesagt, nicht nur darauf zu verzichten, ein saftiges argentinisches Steak zu essen. Nein, wer heutzutage zu den Trendsettern zählen will, lässt Milch, Eier und Käse gleich im Supermarkt liegen. Denn bei Veganern kommen auf dem Teller weder Fleisch noch Fisch noch andere Nahrungsmittel tierischen Ursprungs. Abgesehen von der Ernährung vermeiden vegan lebende Menschen auch sonstige tierische Produkte.
Doch was steckt hinter dieser Lebenseinstellung? Verzichten Veganer auf alles vermeintlich Leckere im Leben, um Tiere und Umwelt zu retten? Ich hatte stets Vorurteile gegenüber Nicht-Fleischessern. Meine Meinung war bisher: Das sind doch nur Öko-Leute, die nicht einmal eine Blumen pflücken würden, weil ja auch Pflanzen Gefühle haben sollen.
Doch dann traf ich Leon. Der Mann, der mich davon überzeugte, mir Gedanken über mein Konsum- und Essverhalten zu machen. Leon ist 2,10 Meter groß, Hip-Hop-Fan und trägt einen langen wuscheligen Bart. Seine Haare hat er am Oberkopf zum Pferdeschwanz gebunden. Leon trägt Sneakers und Hosen, die so tief geschnitten sind, dass der Bund in den Kniebeuge hängt. Der 25-Jährige ist wohl ein typischer sogenannter Hipster, also ein Kerl, der aus der urbanen Mittelschicht stammt, und der mit Gleichgültigkeit dem Mainstream gegenüber steht. Und dieser Typ wollte mir doch weismachen, dass er sich ausschließlich von Gemüse, Obst und eben nicht tierischen Produkten ernährt. Aha, dachte ich mir, und davon will dieser Zweimetermann satt werden? Das kann doch nur ein Scherz sein.
Wer groß und stark sein will, braucht Fleisch. Das habe ich schon von meiner Großmutter gelernt. Doch als Leon mir zum ersten Mal ein veganes Gyrus zum Probieren gab, wurde ich neugierig. Kann Fleisch, das keines ist, aber so schmecken soll, lecker sein? Kann eine Ernährungsumstellung funktionieren? Werde ich mich fitter fühlen und vielleicht auch ein wenig Winterspeck verlieren, wenn ich mich vegan ernähre? Wird die Haut besser und das Haar weicher ? Oder ist das alles Humbug?
Es gibt nur einen Weg, um diesen eventuellen Mythen nachzugehen: selbst ausprobieren. Liebe Leser, um zu zeigen, was hinter dem Veganismus-Hype steckt, werde ich mich ab sofort sieben Wochen lang vegan ernähren. Passend zum Beginn der Passionszeit, in der gläubige Christen 40 Tage lang fasten, werde ich mit meinem neuen Leben als Veganerin beginnen. Die Fastenzeit ist neu interpretiert auch die Zeit des Verzichts. Warum also nicht Nahrung tierischen Ursprungs vom Speiseplan streichen?
Für mich bedeutet das jedoch, ohne meinen geliebten Naturjoghurt zu leben, den ich jeden Tag in der Redaktion verzehre. Kein Mozzarella und extra viel geschmolzener Käse mehr über den Nudelauflauf, keine Milch zum Kaffee – und für mich wohl die größte Herausforderung: keine Mousse au Chocolat. Doch die Beweggründe, die hinter einer tierfreundlichen Ernährung stecken, scheinen nicht verkehrt zu sein.
„Es gibt mehrere ethische Gründe für ein veganes Leben“, sagt Martina Sievers vom Vegetarierbund Deutschland, kurz Vebu. Die Hamburgerin setzt sich als Mitglied des Verbandes aktiv für eine vegetarische und vegane Lebensweise ein. „Es ist einfach nicht in Ordnung, Tiere erst zu züchten, um sie dann zu essen. Das nimmt kein Ende.“ Für Martina Sievers spielen außer gesundheitlichen Aspekten auch die Umwelt und vor allem der Welthunger und die Ressourcenverschwendung eine wichtige Rolle.
„In Afrika verhungern die Kinder, weil dort Nahrung angebaut wird, um die Tiere zu füttern, die wir wiederum essen“, sagt Sievers. Als Veganer setze man dagegen ein Zeichen. „Ich bin daran nicht mehr beteiligt und nicht dafür verantwortlich, dass ein Kind in Afrika vor Hunger stirbt.“ Seit acht Jahren lebt die 38-Jährige bereits vegan. In der Hansestadt organisiert sie einmal im Monat ein offenes Treffen für Interessierte aus der Region.
„In unserer Gruppe sind Veganer, Vegetarier und Rohköstler. Das wollen wir auch nicht ändern“, sagt Martina Sievers. „Wir wollen beim Veggi-Stammtisch niemanden missionieren.“ Laut Vebu leben in Deutschland etwa 7,8 Millionen Menschen vegetarisch, knapp 900.000 sogar vegan.
Insa Billib, Bezirksleiterin von Denn’s Biomarkt in Schleswig-Holstein meint, dass die Tendenz zur veganen Ernährung spürbar anhält. „Unser Sortiment erweitert sich“, sagt sie. „Wir haben immer mehr vegane Produkte in unseren Regalen stehen.“ Gerade bei vielen Herstellern bemerke sie ein Umdenken. „Am Anfang dachte man, das sei nur ein Trend. Doch das ebbt nicht ab“, sagt die 28-Jährige. Es gebe allerdings auch viele Verbraucher, die nicht zu 100 Prozent auf Fleisch verzichteten. „Wir haben viele Kunden, die sich nur teilweise vegan ernähren und auf den Käse oder das Frühstücksei am Sonntag nicht verzichten wollen.“
In den kommenden sieben Wochen werde ich Sie, liebe Leser, jeweils mittwochs über meinen Selbstversuch als Veganerin informieren. Ich werde dabei über die größten Hürden und natürlich auch über meine Erfolge berichten.