Schenefelder Tafel zieht nach zwei Jahren eine rosige Bilanz. Sie hat bereits 200 Mitglieder. 70 Helfer versorgen wöchentlich Bedürftige mit Lebensmitteln. Außenstelle in Halstenbek ist in Planung.
Schenefeld. „Die Tomaten haben wir eingeteilt. Jeder erhält eine Tüte. Sonst sind sie zu schnell weg.“ Johanna Winkel-Medro schreitet weiter, zeigt auf Kisten und Regale, gefüllt mit ausrangierten Lebensmitteln aus den Supermärkten der Region. Es ist 14.10 Uhr an diesem Donnerstag, Ausgabetag der Schenefelder Tafel. Winkel-Medro weist die Helfer ein. In knapp 20 Minuten kommen die ersten Kunden. Winkel-Medro, die auch im Vorstand des jungen Tafel-Vereins sitzt, hat die Zügel in der Hand. Wie immer versammeln sich die Helfer der Schicht um sie.
Die Schenefelderin ist dafür zuständig, die in dieser Woche eingetroffenen Waren so einzuteilen, dass jeder Bedürftige – egal ob er am Anfang oder Ende der eingeteilten Ausgabezeiten kommt – etwas erhält. Sie macht von Beginn an mit, hat in der kurzen Zeit seit der Gründung der Schenefelder Tafel ein Gefühl dafür bekommen, wie sie die Portionen so einteilt, dass niemand leer ausgeht und auf der anderen Seite auch nichts übrig bleibt, was weggeschmissen werden muss. Das Schwierige an ihrem Job ist es, dass sie nie weiß, wie viel Ware die Tafel bekommt und vor allem was genau.
An diesem Donnerstag gibt es wenig Weißbrot und überhaupt kein Toastbrot. Wer will, kann ein bis zwei Äpfel haben. Der Apfelsaft, der sich kistenweise in den Lagerräumen stapelt, muss dringend weg. Es wird Platz gebraucht. Ein großer Sonderposten-Markt hat 2000 Fertigprodukte angekündigt. Wahrscheinlich ist das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen oder läuft demnächst ab. Manche Lebensmittel und Waren, die bei der Tafel landen, haben auch einfach optische Verpackungsmängel, die für den Markt nicht tragbar sind. Davon profitieren beide. Die Unternehmen, die sonst für die Entsorgung der noch genießbaren Lebensmittel zahlen müssten, und die Tafel-Kunden.
Die ersten registrierten Kunden reihen sich in die Schlange vor der Tür ein. Keiner drängelt, keiner meckert. Die Stimmung ist gelöst. Man kennt sich. Helfer unterhalten sich mit Kunden, im Flur wird ein Flüchtling mit Heimweh getröstet. Es wirkt, als wäre die Schenefelder Tafel schon immer dagewesen. Dabei öffnete sie ihre Türen am Osterbrooksweg 13 a erst am 6. Dezember 2012. Knapp ein halbes Jahr zuvor war der Verein gegründet worden.
Während andere Vereine über Mitgliederschwund und fehlendes Engagement klagen, schoss die Mitgliederzahl der Schenefelder Tafel rasant auf derzeit rund 200, Tendenz weiter steigend. Damit gehört der junge Verein bereits zu einem der größten in der Stadt und schließt zu den langjährigen Tafel-Ortsverbänden wie in Uetersen und Wedel auf. Auch über Helferschwund kann sich der Vereinschef Mathias Schmitz nun wirklich nicht beklagen. 70 aktive Helfer sorgen dafür, dass die Lebensmittel abgeholt, sortiert und am Ausgabedonnerstag an im Durchschnitt etwa 200 Bedürftige verteilt werden können. Sogar auf die sonst ungeliebten Vorstandsposten gibt es bei der Schenefelder Tafel gleich mehrere Bewerber.
„Bei uns ist eben alles etwas anders“, fasst es Vizechefin Birgit Bestmann zusammen. Die Schenefelderin setzte sich bei der vergangenen Mitgliederversammlung gegen die bisherige Amtsinhaberin Hannelore Buchner-Müller durch. Auch auf die Jobs des Beirats gab es gleich mehrere Bewerber. Bestmann will die Zukunft der Tafel sichern. Der 52-Jährigen liegt das Projekt besonders am Herzen. „Wir waren sechs Kinder zu Hause. Meine Eltern wären sehr dankbar gewesen, wenn es die Tafel gegeben hätte. Ich weiß, wie es ist, wenn man nicht viel hat.“
380 Menschen aus Schenefeld und Halstenbek haben sich bei der Tafel registrieren lassen und dafür ihr niedriges Einkommen offenbart. Eine Resonanz, mit der so zuvor niemand gerechnet hätte. „Zehn Prozent unserer Kunden stammen aus Halstenbek. Es müssten 40 Prozent sein“, sagt Schmitz. Der Tafel-Chef schätzt, dass sie etwa 100 bis 150 bedürftige Halstenbeker nicht erreichen. Das will er ändern. Die Idee ist es, in Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde oder einem anderen Träger einen Raum zu finden, in dem die Ausgabe vor Ort geleistet werden kann. „Die Busverbindung zwischen Halstenbek und Schenefeld ist zu schlecht. Die Leute können einfach nicht zu uns kommen“, meint Schmitz.
Allerdings muss vor Eröffnung der Außenstelle die Logistik stimmen. Zum einen braucht es Helfer. Junge Menschen, die bereit sind, auch körperlich anzupacken, so Schmitz. Damit die gespendeten Waren auch nach Halstenbek kommen, wird zudem ein Kühlfahrzeug benötigt. 45.000 Euro kostet das Auto. Tatsächlich hat die Tafel dank zahlreicher großzügiger Spenden das Geld zusammen. Der Wagen kommt im August. Anschließend soll es an die Einrichtung der Außenstelle gehen. 200 Mitglieder in knapp zwei Jahren, 70 aktive Helfer, die mehr als 200 Bedürftige pro Woche mit aussortierten Lebensmitteln versorgen: eine Erfolgsgeschichte, die aber auch nachdenklich macht. „Wir freuen uns sehr darüber, dass es viele Menschen gibt, die sich gesellschaftlich engagieren und für andere einsetzen“, sagt Jochen Brühl. Doch der Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Tafeln gibt zu bedenken: „Gleichzeitig ist es ein Armutszeugnis für ein so reiches Land wie unseres, dass immer mehr Menschen die Unterstützung der Tafeln brauchen.“