„Engel der Kulturen“ vereint die drei großen Religionsgemeinschaften in einem Bild. Künstlerpaar Gregor Merten und Carmen Dietrich initiierte das Projekt, das die Menschen auch ganz praktisch vereint.
Wedel. Sarajevo, Istanbul, Banja Luka: Ein Symbol rollt um die Welt – und hat jetzt auch engagierte Anhänger in Wedel gefunden. Die möchten den „Engel der Kulturen“ in die Stadt holen. Das ungewöhnliche Kunstprojekt bezauberte als Erstes Brigitte von Winterfeld. Seit sie das Symbol, das die drei großen Weltreligionen vereint, zum ersten Mal sah, hat es sie nicht mehr losgelassen. „Ich habe sofort gewusst, was es bedeutet und vor allem, was es mir bedeutet“, erinnert sich die Wedelerin, die den Engel unbedingt auch in ihre Heimatstadt holen wollte. Sie stellte das Projekt den Mitgliedern des städtischen Arbeitskreises gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit vor und fand Unterstützer. „Hier in Wedel gibt sehr viele interkulturelle Projekte wie den Friedenscup und viele Gruppen, die sich für ein friedliches Miteinander einsetzen“, sagt Sprecherin Irmgard Jasker. „Es ist nur logisch, dass das Symbol den Weg jetzt auch nach Wedel findet.“ Zudem haben sich viele Künstler und Einrichtungen wie das Stadteilzentrum mittendrin seitdem zu der Aktion bekannt.
Im Herbst soll der Engel nun nach Wedel kommen. Für Donnerstag, 11. September, ist die Verlegung des Reliefs vor dem Rathaus geplant. Das soll mit einem Umzug durch die Stadt und einem interkulturellen Fest groß gefeiert werden. Das interkulturelle Fest beginnt um 10 Uhr mit einer gemeinsamen Andacht in der Immanuel-Kirche am Roland, anschließend setzt sich der Zug durch die Stadt in Bewegung, während dem eine stählerne, etwa 86 Kilo schwere Abbildung des Engels durch die Straßen gerollt wird. „Wir holen alle ab, wo sie sind“, erläutert Jasker. Unter anderem wird Station an der katholischen Kirche, der Albert-Schweizer-Schule und der Aksa-Moschee in der Lindenstraße gemacht. Gegen 16 Uhr soll auf dem Rathausplatz zusammen mit den Künstlern ein Engel aus Sand gefertigt werden. Anschließend wird das Symbol in Form eines Stahlrings und blau eingefärbten Spezialbetons in den Boden eingelassen – wahrscheinlich direkt vor dem Eingang zum Wedeler Rathaus. Zuletzt fertigen die Teilnehmer, möglichst Jugendliche als nachwachsende Generation, die nötige Außenform für die Zeremonie in der nächsten Stadt.
Doch bevor der Engel auch in der Rolandstadt eintrifft, müssen die Initiatoren die Finanzierung stemmen. 2500 Euro sind nötig. Einige Spenden, unter anderem von den Stadtwerke in Höhe von 500 Euro, konnten bereits eingeworben werden. Weitere Unterstützer, die auch kleine Beträge geben können, werden noch gesucht. Bis dahin tingeln die Engel-Erschaffer, Gregor Merten und Carmen Dietrich, noch durch Deutschland. Göttingen, Essen, Hamburg-Poppenbüttel: Das umtriebige Künstlerpaar ist immer dabei, wenn das Symbol platziert wird. 16 Orte waren es schon in diesem Jahr. Zuletzt sorgten sie dafür, dass der Engel seinen Platz vor der Hamburger Jugendkirche in Flottbek erhält. Ihr Symbol besteht aus dem Christenkreuz, dem Judenstern und dem islamischen Halbmond, die so in einem Kreis zusammengestellt worden sind, dass sie bei näherem Hinsehen die Silhouette eines Engels ergeben. Der Halbmond bildet den Kopf, Stern und Kreuz ergeben die Flügel. Für Winterfeld bedeutet dies, dass das eine ohne das andere nicht funktioniert. Bläht sich einer zu sehr auf oder verschwindet das andere, ist das Symbol zerstört. „Das Projekt weitet sich so stark aus, weil Menschen merken, da steckt etwas dahinter, was in unsere Zeit passt. Es ist eine der Aufgaben, die wir angehen müssen“, so Winterfeld.
Dabei kamen Merten und Dietrich mehr zufällig auf den symbolträchtigen Engel, der seinen Weg auch schon in schwierige Viertel fand. Unter anderem in die Kölner Straße, in der das NSU-Trio einen Nagelbombenanschlag verübte. Dietrich und Merten hatten nach einem Zeichen gesucht, das bildlich den Wunsch nach einem friedlichen Miteinander aller Menschen ausdrückte. Beim Experimentieren mit den religiösen Zeichen entdeckten sie dann mehr aus Versehen den Engel. Doch dabei belassen sie es nicht. Es soll auch aktiv ein Zeichen gesetzt werden. Und deshalb müssen immer die betroffenen Bewohner und Religionsgemeinschaften mit anpacken.
„Wir schaffen einen Anlass, sich zu begegnen“, erklärt Dietrich. In mancher Stadt hätten sich die Religionsgemeinschaften beim Anbringen des Reliefs das erste Mal getroffen. Auch in Wedel mussten die Initiatoren, die in Wedels Bürgermeister Niels Schmidt einen Schirmherren gefunden haben, erst einmal forschen, wer derzeit die Moschee führt. „Wir haben Gespräche mit den beiden muslimischen Gemeinden aufgenommen, und auch von der Jüdischen Gemeinde aus Hamburg oder Pinneberg wird ein Vertreter zum Fest kommen“, sagt Jasker.
Das große Ziel der Künstler ist es, am Ende einen Bogen zu spannen, all derer, die sich für das Projekt und damit für ein friedliches Miteinander aller einsetzen. Dem möchten sie ein Denkmal setzen. An jedem Ort wird ein kleiner Engel mit den Daten der jeweiligen Stadt gefertigt. So soll der Wedeler Engel zusammen mit anderen zu einer Säule wachsen und eines Tages in Jerusalem in den Himmel ragen. Den beiden Künstlern schwebt vor, dass die Säule 2017 in der umkämpften Stadt steht und dort weiterwächst. Dreimal haben sie sich mit Stadtvertretern dort getroffen, ein Ort ist bereits gefunden.
Wer das Projekt unterstützen möchte, kann sich an die Mitglieder des Arbeitskreises gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit oder das Stadtteilzentrum „mittendrin“ wenden. Kontakt unter 04103/18 06 27 und Irmgard Jasker 04103/3386 und Brigitte Winterfeld 04103/81 85 05.