Die Pinneberger Glaubensgemeinschaft nimmt einen Flüchtling aus dem Sudan auf, um Ashraf O. vor der Abschiebung nach Ungarn zu bewahren. Vorsitzender Seibert spricht von einer „Verpflichtung“.

Pinneberg. Ein muslimischer Flüchtling aus dem Sudan hat in der jüdischen Gemeinde Pinneberg „Kirchenasyl“ erhalten. Weil der 34-jährige Ashraf O. über Ungarn ins niedersächsische Buchholz in der Nordheide gekommen sei, wolle der Landkreis ihn entsprechend dem Dublin-III-Abkommen wieder nach Ungarn abschieben, sagte sein Anwalt Dieter Priem. Nach dem Abkommen muss ein Flüchtling in dem europäischen Land das Asylverfahren durchlaufen, in dem er zuerst die Grenze übertreten hat.

„Ich betrachte es als Verpflichtung, für Flüchtlinge einzustehen“, sagte Wolfgang Seibert, der Erste Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Pinneberg, dem Hamburger Abendblatt. „Wir Juden haben seit der Flucht aus Ägypten bis zum Nationalsozialismus und der Flucht aus den arabischen Ländern bis zur Staatsgründung Israels eine große Fluchterfahrung. Das hat uns bewogen, bedingungslos Ja zu sagen zu Ashraf.“ Der Sudanese lebt jetzt im Gemeindehaus am Clara-Bartram-Weg.

Zahlreiche Demonstranten hätten versucht, die für den 24. Juni angekündigte Abschiebung zu verhindern, sagte Anwalt Dieter Priem. Allerdings sei niemand von den Behörden gekommen, um Ashraf O. abzuholen. Weil am Folgetag seine Duldung auslief, hätten die Unterstützer nach langer Suche ein Asyl in der jüdischen Gemeinde in Pinneberg gefunden. Priem zufolge darf Ashraf O. sein Asylverfahren in Deutschland betreiben, wenn er zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits sechs Monate in Deutschland gelebt hat. Diese Frist ende Anfang August.

Eine Abschiebung nach Ungarn sei für Ashraf O. keine Alternative, betonte der Anwalt. Mehrere Verwaltungsgerichte, etwa in München, Stuttgart und Freiburg, hätten Abschiebungen dorthin abgelehnt. Die Lebensbedingungen für Flüchtlinge seien unzumutbar. So müssten sie in der Regel davon ausgehen, dass sie dort zunächst inhaftiert werden. Die Asylsuchenden erhielten keinerlei staatliche Unterstützung und seien sich selbst überlassen.

In Deutschland hätten Flüchtlinge aus dem Sudan dagegen gute Chancen, ein Aufenthaltsrecht zu bekommen. „Fast alle Asylanträge sudanesischer Flüchtlinge werden hier anerkannt", betonte Priem. Seit dem Putsch durch Omar al-Baschir vor 25 Jahren gilt der Sudan formal als islamischer Staat. Al-Baschir regiert diktatorisch und wird wegen Völkermords in Darfur vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesucht.

In der sudanesischen Führung gibt es seit Monaten Machtkämpfe zwischen Fundamentalisten und Reformern. Erst vor wenigen Tagen wurde nach internationalen Protesten die sudanesische Christin Mariam Jahia Ibrahim Ishak freigelassen. Die 27-jährige Mutter war im Mai wegen Abfalls vom islamischen Glauben zum Tode verurteilt worden. Ein Berufungsgericht hatte das Urteil am Montag aufgehoben und ihre Freilassung angeordnet. Sie hatte sich geweigert, sich vom Christentum loszusagen.

Die Partei Die Linke im Kreis Pinneberg begrüßte den Schritt der jüdischen Gemeinde, Ashraf O. Kirchenasyl zu bieten. „Das Kirchenasyl ist ein Akt menschlicher und zudem religionsübergreifender Solidarität“, sagte ihr Kreissprecher Klaus-Dieter Brügmann. Der Fall zeige, wie „menschenverachtend“ die Abschiebepraxis und die sogenannte Rücküberführung in Deutschland und der Europäischen Union sei. Er kritisiert die geplante Abschiebung. „Ungarn ist seit der Machtübernahme durch Viktor Orban heftiger Kritik ausgesetzt gewesen.“