Arbeitseinsatz auf dem Appener Feld: Dem Gemetzel in der Gemüseparzelle fallen Plagegeister und Erbsen zum Opfer
Nee, also es gibt wirklich Schöneres. Auf dem Appener Acker, den sich Städter für den gemeinsamen Gemüseanbau teilen, sind die Kartoffelkäfer los. Eine ganze Horde der kleinen Plagegeister hat sich auf den Pflanzen niedergelassen. Auch meine gepachteten Beetreihen samt Pflanzen sind überzogen von den schmatzenden Viechern, die bereits erste Blätter vertilgt haben. Nun habe ich die Wahl: Ich kann ihnen meine Kartoffelernte überlassen oder den Kampf aufnehmen. Sieglinde und Nicola, meine umhegten Kartoffelsorten, kampflos aufgeben? Ich bin nicht bereit, für die Käfer das Feld zu räumen.
Sonntag, 16 Uhr, zwischen den Kartoffelpflanzen, bereue ich diesen Entschluss. Denn das Rezept gegen Kartoffelkäfer lautet: Absammeln (das finde ich schon eklig) und zertreten oder mit einem Stein zermalmen (das finde ich noch viel ekliger). Ich bin unendlich froh, dass ich diesmal Helfer an meiner Seite habe. Drei Freunde sind mitgekommen, und eine von ihnen packt besonders energisch mit an. Ohne zu zögern, geht sie auf die Jagd zwischen den Kartoffeln und metzelt die Schädlinge nieder, die ursprünglich aus den USA eingeschleppt wurden. Zwischen sieben und 15 Millimeter groß werden die gelb-schwarz gestreiften Käfer, die alle paar Jahre in Massen auftreten. Die Tiere überwintern in der Erde, machen sich im Mai gen Tageslicht auf. Im Juni legen die Weibchen ihre Eier auf die Blattunterseiten der Pflanzen. Von bis zu 1200 Eiern pro Tier und das bei drei Generationen in einem Jahr ist zu lesen. Das klingt wirklich nach einer Plage – vor allem für Gemüseanbau-Anfänger wie mich.
Vom Ei bis zum ausgewachsenen Käfer liegt und schwirrt zwischen meinen Kartoffeln alles herum, ein reines Käfermehrgenerationenheim. Auch bei den Nachbarbeeten sieht’s nicht besser aus. Es muss doch andere Methoden geben, die Insekten los zu werden. Minze-Tee soll die Käfer verschrecken, lese ich. Gut, kann ich nachvollziehen, ich mag auch keinen Minztee. Aber ich reiche den Käfern doch nicht noch eine schöne Tasse Tee zu ihrer Mahlzeit! Das kommt nicht infrage. Die andere Methode laut Gartenexperten: Laufenten. Ich verliebe mich schlagartig in die Idee aus Österreich mit dem herrlichen Titel „Rent an Ent“.
Züchter vermieten dort die tierischen Schädlingsbekämpfer. Zehn Euro pro Monat kosten die Fachkräfte aus Indien, die laufend Schädlinge fressen sollen. Klingt ziemlich verlockend. Allerdings warnen Tierschützer davor, dass die Haltung der Mietenten oft nicht artgerecht ist. Es finden sich auch in Deutschland wenige Angebote dieser Art, dafür Züchter und zahlreiche Laufentenfans.
Ein weiteres Problem: Das Spezialgebiet der Enten sind nicht Kartoffelkäfer, sondern Schnecken. Ob die Ente weiß, dass sie auf die schleimige Kost zugunsten des Käfers, der auch ein bitteres Sekret absondern kann, verzichten soll? Zudem müsste ich die anderen Gärtner des Erntezeitprojektes von meiner Idee überzeugen. Wenn so eine Laufente erst einmal Hackengas gibt, ist der Appener Acker ein verdammt weites Feld. Es scheint auf die andere Methode hinauszulaufen: Ich bleibe die Laufente.
Tatsächlich gibt es einen tierischen Zuwachs auf dem Appener Feld. Mitten im Gemüse hat sich eine Bachstelze zum Brüten niedergelassen. Für sie und ihre sechs Eier wurde gleich der Weg zum Kompost gesperrt, zu viel Aufregung, zu viel Stress. „Das Nest darf nicht länger als etwa zwei Stunden unbebrütet bleiben, sonst stirbt das Leben in den Eiern. Da müssen wir alle jetzt alle Kompromisse eingehen und Rücksicht nehmen“, sagt Erntezeit-Initiatorin Jule Vickery. „Wir hoffen sehr, dass in einiger Zeit auch Jungvögel schlüpfen werden.“ Ich drücke fest die Daumen – und ich gestehe aus egoistischen Motiven. Denn Bachstelzen ernähren sich von Insekten, gern Larven und Käfern. Die Brutzeit beträgt laut Nabu-Fachmann Hans Ewers, der sich das Nest vor Ort ansah, etwa 22 Tage. Dann gilt es, hoffentlich sechs hungrige Mäuler zu stopfen, und das hoffentlich mit vielen Kartoffelkäfern.
Was sich übrigens bei allen Kompostdebatten und Käfermassakern erst spät am arbeitsreichen Sonntag herausstellte: Beim Helfereinsatz auf meinem Feld gab es ein Gemüse-Gemetzel ganz anderer Art. Die Zuckererbesen mussten auf Grund des intensiven Hackeneinsatzes dran glauben. Sie wurden von einem unbedarften Helfer für Unkraut gehalten. Ob die noch schnell eingeleiteten Rettungsversuche fruchten, wird sich zeigen.