Obwohl die Bilder fast 100 Jahre alt sind, haben ein Abendblatt-Leser und eine Abendblatt-Leserin ihren Großvater und ihren Großonkel wiedererkannt. Beide waren als Soldaten im Ersten Weltkrieg an der Front
Pinneberg/Halstenbek/Bunsoh. „Das hier ist mein Opa!“ Der Rentner Eggert Lüthje, 68, aus Halstenbek war sich sicher. Auf dem Bild in der Regionalausgabe Pinneberg des Hamburger Abendblattes vom 9. April, aufgenommen 1914, also vor 100 Jahren, war sein Großvater Heinrich Lüthje zu sehen. Das Bild zeigte eine Gruppe von Männern, die sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges in Anzügen und mit wenig Gepäck in Pinneberg vor der Gaststätte „Zur stumpfen Ecke“ trafen, um von dort zum Pinneberger Bahnhof zu gehen und mit Zügen in Richtung Front zu fahren.
Eggert Lüthje erkannte seinen Großvater sofort wieder. Auch seine Ehefrau Brigitte, 67, zeigte sogleich auf die Mitte des Bildes, als Eggert Lüthje sie fragte, ob sie seinen Großvater erkenne. Daraufhin gingen die beiden hinunter in den Keller. Dort hängen drei Bilder, die den Großvater zeigen, auch mit seiner Ehefrau Wilhelmine. „Ja, das ist er“, waren sich beide einig.
Für Eggert Lüthje, der als Kaufmann im Reederei- und Schiffsmaklergewerbe arbeitete, ist der Fotofund im Hamburger Abendblatt „ein kleines Wunder. Es ist wirklich sehr schön, dieses Bild von meinem Großvater in der Zeitung zu entdecken“, sagt der Halstenbeker. „Ich bin angenehm überrascht, dass mein Erinnerungsvermögen einen Volltreffer gemacht hat. Ich habe meinen Opa an der typischen Körperhaltung mit dem angewinkelten Arm und an seinem Gesichtsausdruck erkannt. Mein inneres Auge sagte mir: Das ist er, daran gibt es keine Zweifel.“
Heinrich Lüthje, geboren am 23. Februar 1881 in Lütjenwestedt im Kreis Rendsburg, starb im Oktober 1951. Eggert Lüthje war damals sechseinhalb Jahre alt. „Ich habe nur wenige Erinnerungen an meinen Großvater“, sagt Eggert Lüthje. „Ich weiß, dass er sehr, sehr gut im Garten war und einen unwahrscheinlichen Appetit hatte.“ Großvater Heinrich wohnte in Pinneberg in der Bahnhofstraße 45, gemeinsam mit seiner Frau. „Was er anfasste im Garten, bekam schnell Wurzeln, die Erbsen wurden groß und grün“, sagt Eggert Lüthje an diesem Vormittag in seinem gepflegten Garten, den Buddhafiguren aus Asien zieren.
Der Halstenbeker hat noch zwei kleine Zeitungsartikel aufbewahrt, die nach dem Tod von Heinrich Lüthje erschienen sind. „Stumm schläft der Sänger“ ist ein Artikel überschrieben. „In einer zu Herzen gehenden Trauerfeier, die von Liedern des Männergesangsvereins von 1857 verschönt wurde, fand Pastor Bünz Worte des Trostes und der Kraft. Er zeichnete den Verstorbenen als einen alten Pinneberger und aufrechten, pflichtgetreuen Mann, der viele Freunde, aber keine Feinde hatte.“
Heinrich Lüthje trat nach zwölfjähriger Dienstzeit bei den Schleswiger Husaren im Dezember 1912 in die Pinneberger Stadtverwaltung ein. „Generationen hat er kommen und gehen sehen als Leiter des städtischen Polizeibüros, das er 1945 in jüngere Hände abgab“, heißt es in dem Artikel. Eggert Lüthje weiß, dass sein Großvater Unteroffizier während des Ersten Weltkriegs war. Er zog zum Stellungskrieg nach Frankreich an die Front und blieb von körperlichen Verletzungen im Krieg verschont.
Mit Verletzungen, seelischen oder körperlichen, kehrte der Thesdorfer Ernst Zimmermann nach dem Ersten Weltkrieg von der Front zurück. Er starb knapp vier Monate nach Kriegsende, am 2. März 1919, im Alter von 21,5 Jahren. Auch sein Foto hatte das Hamburger Abendblatt veröffentlicht und seine Traueranzeige gefunden. Und auch in diesem Fall, meldete sich eine Nachfahrin von Ernst Zimmermann hat sich beim Abendblatt: Bärbel Carr, 67, aus Bunsoh im Kreis Dithmarschen. Sie arbeitet in Quickborn und liest dort den Pinneberg-Teil.
„Ernst Zimmermann war der Bruder meiner Großmutter Minna Zimmermann“, sagt Bärbel Carr an diesem Vormittag in ihrem Haus in Bunsow mitten im Wald, das sie mit ihrem irischen Mann Dennis, 50 bewohnt. Auch Bärbel Carr hat Ernst Zimmermann sogleich in der Zeitung erkannt. Sie hat ein Familienbild bei sich an der Wand hängen, das sie dem Abendblatt zur Verfügung stellte (siehe oben) „Ernst ist wohl an den Folgen des Krieges gestorben“, sagt Bärbel Carr. Ferdinand Zimmermann, auf dem Bild ganz links, in Uniform, starb an der Front im Ersten Weltkrieg. Auf der Rückseite steht handschriftlich in Tintenschrift geschrieben: „Zur lieben Erinnerung im Kriegsjahr Sommer 1915“.
Die Familie Zimmermann aus Thesdorf ist für dieses Bild im Fotoatelier Eduard Koch in der Dingstätte 18 (der heutigen Fußgängerzone) in Pinneberg zusammengekommen. „Uroma Zimmermann hat Rosen auf dem Schoß, Urgroßvater Zimmermann hat ein Buch in der Hand“, sagt Bärbel Carr. Die Söhne des Ehepaares flankieren das Bild. Wahrscheinlich ist Ferdinand Zimmermann auf Heimaturlaub von der Front zurückgekommen. „Ich freue mich sehr, dass ich meine Ahnen in der Zeitung erkannt habe“, sagt Bärbel Carr.
Der erste Weltkrieg forderte rund 17 Millionen Menschenleben.