Uwe Schomber hat einen Kiebitz perfekt nachgebaut. Von Uetersen-Heist aus startet der Pilot mit seiner Maschine Marke Eigenbau zu Zeitreisen der besonderen Art

Uetersen-Heist. Es gibt Leute, die kaufen sich einen Ikea-Schrank und sind froh, wenn sie es schaffen, das Ding zusammenzusetzen. Andere spielen ihr Leben lang mit Lego-Steinchen oder fügen Tausende Puzzle-Teile zu einem Gesamtwerk aneinander. Uwe Schomber ist da etwas anspruchsvoller: Er hat sich ein eigenes Flugzeug gebaut.

Der Kiebitz B, ein Nachbau des in den 20er-Jahren entwickelten Doppeldeckers S 24 Kiebitz des Flugzeugherstellers Focke-Wulf, ist das Prachtstück auf dem Flugplatz Uetersen-Heist. Wenn Schomber nach knapp 100 Meter Rollstrecke mit seiner einmotorigen Maschine von der Graspiste abhebt, beginnt für ihn eine Zeitreise in die Jugendtage der Fliegerei. Denn abgesehen vom Motor und ein paar modernen Instrumenten im Cockpit entspricht der offene Zweisitzer weitgehend dem Klassiker von einst. Mit seinen 200 Kilogramm gilt der Kiebitz als Ultraleichtflugzeug.

Uwe Schomber, 48 Jahre alt, begann 1987 damit, seinen Kiebitz „flügge“ zu machen. Anders als bei den meisten Reproduktionen historischer Fluggeräte ist der Typ allerdings nicht als Bausatz zu bekommen. „Ich habe mir lediglich die Baupläne vom Replica-Konstrukteur Michael Platzer gekauft. Die Teile musste ich dann nach den Zeichnungen und Baubeschreibungen selbst anfertigen“, sagt Schomber.

Den 6,55-Meter-Flugzeugrumpf hat er im Wohnzimmer zusammengebaut

Kein Wunder, dass es ein Jahr dauerte, bis der Eigenbau erfolgreich beendet wurde. Der geschickte Hobbyschrauber bekam dabei Unterstützung von seinem Vater Ludwig Schomber, 78. Sohn Uwe lebte damals mit seiner Freundin in einem Untergeschoss seines Elternhauses bei Frankfurt. „Den 6,55 Meter langen Rumpf haben wir in meinem Wohnzimmer zusammengebaut“, erinnert sich Schomber. Die Tragflächen des Doppeldeckers entstanden auf dem Hofplatz. Für den Kiebitz-Eigenbau mussten Hunderte Teile angefertigt, zugesägt, geschnitten, genäht, geklebt, verspannt und montiert werden. Für das Skelett des Flugzeugrumpfes und der Tragflächen verwendete Schomber eine Rohrkonstruktion mit einer speziellen Legierung aus Aluminium, Kupfer, Magnesium und Blei.

Die Rippen und Spanten bestehen aus Kiefernholz. Bespannt war das Gerippe zunächst mit Baumwollgewebe, das inzwischen aber weitgehend von einer Kunststoffhaut ersetzt wurde. Den Motorträger schweißte Schomber aus Stahlrohren zusammen.

Als Antrieb für den Holzpropeller dient ein getunter VW-Käfer-Motor. Die Reiseflug-Leistung des von einem Spezialisten gefertigten Aggregats beträgt lediglich 65 PS bei 2500 Umdrehungen. „Beim Start sind aber schon mal 80 PS verfügbar“, erläutert der Kiebitz-Bändiger. Die technische Abnahme und Luftfahrt-Zulassung des Eigenbaus besorgte der Deutsche Aero-Club. Den Erstflug erledigte Konstrukteur Michael Platzer selbst.

Seitdem ist Uwe Schomber, der jetzt in Hamburg lebt, in seiner Freizeit und im Urlaub gern vom Flugplatz Uetersen aus mit dem Kiebitz unterwegs. Die Faszination des Fliegens packte ihn, seit er als Siebenjähriger an einem Rundflug teilnehmen durfte. 1986 erwarb Schomber dann die Privatpiloten-Lizenz. Inzwischen hat der Oldtimer-Fan Kontakt mit einer Gruppe von acht weiteren Kiebitz-Besitzern, die sich jährlich treffen mal in Spanien, mal in Frankreich oder anderswo. Die Etappen mit diversen Zwischenlandungen führten Schomber und den Kiebitz schon über die Alpen. Um die Reichweite zu verlängern, baut er dann auf dem zweiten Sitzplatz einen Zusatztank ein.

Beruflich hatte Uwe Schomber zunächst nichts mit der Fliegerei zu tun. Das änderte sich, als er seine Firma für Kopiertechnik 2004 verkaufte und in die USA übersiedelte. Dort erwarb Schomber die Berufspilotenlizenz und arbeitete als Flugzeugführer von Propellermaschinen.

Nach seiner Rückkehr in die Heimat war der Luftfahrt-Enthusiast zunächst im Raum Kiel als Pilot im Einsatz. Bis er 2007 mit dem Kiebitz auf dem Flugplatz Uetersen landete. Dort traf er Floris Helmers, den Gründer und Mit-Geschäftsführer des Luftverkehrsunternehmens Air Hamburg, dessen Heimatbasis einst der Flugplatz in Uetersen war.

„Floris brauchte dringend Piloten, und so heuerte ich bei ihm an”, erinnert sich Schomber. Zunächst flog er Propellermaschinen, später, als Air Hamburg stärker in den Privatjet-Sektor investierte, schulte er auf luxuriöse Düsenflugzeuge um. Inzwischen ist Schomber mit einer neunsitzigen Cessna Citation XLS in ganz Europa und Nordafrika beruflich unterwegs, um Manager, Urlauber oder Prominente unabhängig vom Linienflugverkehr ans Ziel zu bringen. Dabei hatte er schon Filmstar George Clooney und Boxweltmeister Wladimir Klitschko an Bord.

Diese Geschichte hat noch ein besonderes Happy End: Auf dem Flugplatz Uetersen lernte Uwe Schomber nämlich auch seine jetzige Ehefrau Meike, 38, kennen. Die war gerade dabei, in der Flugschule der Air-Hamburg-Gruppe ihre Privatpiloten-Lizenz zu erwerben. Doch das reichte nicht auf die Dauer. Prompt absolvierte Meike auch die Ausbildung zur Berufspilotin und heuerte ebenfalls bei Air Hamburg an. Seitdem sitzt das fliegende Ehepaar, so oft es geht, gemeinsam im Cockpit der Citation XLS. Uwe Schomber als Flugkapitän und seine Gattin neben ihm als Kopilotin und First Officer. Zusammen jetten sie mit 800 Kilometer pro Stunde in Höhen bis zu 14.000 Metern durch den europäischen Luftraum.

Ab und zu fliegt Meike aber auch im Kiebitz mit, wenn der Zusatztank ausgebaut ist. Aber nur als Passagierin, denn für den ultraleichten Eigenbau fehlt ihr die passende Fluglizenz.