Mit der Johannespassion stemmt die Kantorei der Wedeler Christuskirche unter Leitung von Kirchenmusiker Freimut Stümke eine der anspruchsvollsten Aufführungen der vorösterlichen Konzertsaison im Kreis.

Wedel. Mit einem Ohrwurm fing alles an. Die Melodie, die den Wedeler Kirchenmusiker Freimut Stümke, 46, fesselte, ist allerdings kein moderner Popchart-Stürmer, sondern ein deutlich älteres Schätzchen. Sie stammt aus der Feder von Barockgenie Johann Sebastian Bach. Der Meister schrieb den Chorus „Lasset uns den nicht zerteilen“ – die Rede ist von einem biblischen Mantel – für eins seiner großen Chorwerke, die 1724 in Leipzig uraufgeführte Johannespassion.

Dieses Oratorium, neben der noch berühmteren Matthäuspassion die einzige vollständig erhaltene Passion von Bach, studiert Stümke seit einem Jahr mit der Kantorei und dem Vokalensemble der Wedeler Christuskirche ein. Am Sonntag, 30. März, führen die mehr als 50 Sängerinnen und Sänger das Opus Magnum in ihrem Gotteshaus an der Feldstraße 32-36 auf. Als Solisten singen Iris Stümke, Sopran, Gesine Grube, Alt, Joachim Duske, Tenor, und Paul Möllmann, Bass. Die Orchesterbegleitung übernehmen Musiker, deren Namen in der Region einen guten Klang haben: Ian Mardon und Angelika Herrmann spielen Geige, Stefan Schreiber übernimmt die Bratsche, Julia Nörenberg und Hildegard Demgenski sind als Oboistinnen am Start, und der Haseldorfer Kirchenmusiker Jörg Dehmel sitzt an der Orgel. Das Konzert beginnt um 17 Uhr. Karten zu jeweils 15, ermäßigt zwölf Euro gibt es im Kirchenbüro und im Buchhaus Steyer, Bahnhofstraße 46.

„Diesen Chorus habe ich seit Jahren im Ohr, das sollte einfach mal zu Gehör gebracht werden“, sagt Stümke. Seit Mai 2012 verantwortet der Vater zweier Töchter, der zunächst an der als „Bläserwiege“ geltenden Hochschule für Kirchenmusik in Herford Kirchenmusik und Posaune studierte und 1996 an der Essener Folkwang-Hochschule sein A-Examen als Organist ablegte, das Musikgeschehen an der Christuskirche. „Und ich arbeite sehr gern hier“, sagt Stümke spontan. „Die Chorarbeit macht viel Freude, der Zuspruch für die Kirchenmusik ist insgesamt sehr groß, und es macht mir viel Spaß, die Lobback-Orgel zu spielen.“ Deren sonorer, leicht französischer Klang passe sehr schön in den Kirchenraum, sagt der leidenschaftliche Musiker Stümke.

Für Wedel hatte Stümke seine vorige Stelle auf der Nordseeinsel Amrum aufgegeben. Arbeiten, wo andere Menschen Urlaub machen – warum kündigte Stümke diesen Traumjob? „Vor allem der Kinder wegen“, sagt er. Denn auf der Insel gibt es kein Gymnasium. So bewarb sich der Vater um eine Stelle auf dem Festland. Doch die schönen Erinnerungen begleiten ihn. „Es war schon toll auf Amrum. Oft spielten hochkarätige Musiker dort mit uns, die auf Amrum Urlaub machten. Einfach so, aus Spaß an der Freud.“

Die Anfänge in Wedel gestalteten sich etwas mühsam. Denn die Fußstapfen von Stümkes Amtsvorgänger Hans-Bernhard Gericke, der die Gemeinde kirchenmusikalisch mehr als 30 Jahre lang geprägt hatte, waren groß. Wie so oft, wenn ein langjähriger Kantor von Bord geht, verließen mit ihm viele altgediente Sänger die Kantorei. Allmählich wächst die Kantorei aber wieder, und das kleine, aber feine Vokalensemble umfasst mittlerweile 15 Sänger – genug, um anspruchsvolle achtstimmige Kantaten zu stemmen. „Ich möchte die Kantorei zu einem lebendigen Mehrgenerationenchor ausbauen“, sagt Stümke. Ein Anfang ist gemacht. Bei der Johannespassion singt das erste Trio aus Großmutter, Mutter und Tochter gemeinsam.

Dass der Kantor das Musizieren als Angelegenheit für die ganze Familie betrachtet, ist kein Wunder. Schließlich gehört es bei den Stümkes zum Alltag. Gattin Iris ist ebenfalls studierte Kirchenmusikerin und als Organistin in der Pinneberger Heilig-Geist-Kirche tätig. Ihren Sopran schulte sie bei einer professionellen Gesangsausbildung.

Für welche Komponisten und Epochen schlägt Stümkes Musikerherz? „Bach auf jeden Fall“, antwortet er spontan. „Der vielfältige Klang, die interessanten Koloraturen, das ist im Barock unübertroffen.“ Genauso kann er sich aber auch für einen Romantiker wie Camille Saint-Saëns, den frühbarocken „Organistenmacher“ Jan Pieterszoon Sweelinck oder moderne, impressionistisch geprägte Komponisten wie Louis Vierne (1870-1937) und dessen Schüler Maurice Duruflé (1902-1986) begeistern.

Teile des Duruflé-Requiems führte er vor wenigen Monaten mit dem Vokalensemble auf. Im kommenden Herbst steht das komplette Werk auf deren Programm. „Duruflé schätze ich sehr, seine Musik bietet ungeheuer viel Abwechslung.“

Im Grunde aber habe er keine Lieblingskomponisten oder –epochen. Für ihn zähle der möglichst differenzierte Klang. Und die Orgel darf gern eine zentrale Rolle spielen – wie etwa bei Saint-Saëns’ Weihnachtsoratorium, das er mit der Kantorei am vierten Advent aufführen will. „Ich spiele dieses Instrument einfach leidenschaftlich gern.“

Stümke ist ein Freund möglichst werkgetreuer Konzerte. „Mir ist wichtig, dass es so klingt, wie der Komponist es sich gedacht hat.“ Entsprechend sorgfältig feilt er in der Probe mit der Kantorei an den Details. Rhythmisch heikle Einsätze, sehr hohe Töne selbst für Alt und Bass, quirlige Koloraturen, die trotzdem sauber und vor allem synchron artikuliert werden müssen – die Johannespassion strotzt nur so vor Herausforderungen für die Sänger. Trotzdem scheinen sie Spaß an der Plackerei zu haben. Genau das ist Chorchef Stümke wichtig. Natürlich wolle er dem Chor auch eine saubere Leistung entlocken, aber: „Man soll dem Chor die Freude am Singen anhören, darum geht es schließlich, das ist mein Ziel.“

Weitere Passionskonzerte im Kreis Pinneberg:

Immanuelkirche Wedel, Küsterstraße 4 : Organistin Susanne Krau lädt am Montag, 31. März, zu einer „Orgelmeditation“. Sie spielt von 19.31 Uhr an Werke von Bach und Distler sowie die Vater-Unser-Sonate von Mendelssohn. Der Eintritt ist frei.

Nikolaikirche Elmshorn, Alter Markt: Am Sonnabend, 12. April, stehen Kantaten und Responsorien von Bach und Johann Michael Haydn sowie das Credo von Vivaldi auf dem Programm. Unter Leitung von Kantor Kristian Schneider singt die Kantorei von St. Nikolai. Sopranistin Dorothee Fries übernimmt die Solopartien, Isolde Kittel-Zerer spielt die Orgel. Der Eintritt ist frei.

Rellinger Kirche, Hauptstraße 27: Am Karfreitag, 18. April, singt die Kantorei von 15 Uhr an Motetten und Choräle von Schütz, Poulenc, Bach, Pepping und Brahms. Der Eintritt ist frei, die Leitung hat Kirchenmusiker Oliver Schmidt. Am Ostersonnabend, 19. April, erklingt im Rahmen der Reihe „12x19“ Bruckners fünfte Symphonie B-Dur in einer Fassung für Orgel. Der Eintritt ist frei.

St. Gabriel Haseldorf, Am Markt 4: Unter Leitung von Kirchenmusiker Jörg Dehmel singt der Chor Cantate von 17 Uhr an die Lukaspassion – ein Werk, das Bach zwar so nie geschrieben hat, das Dehmel aber aus Vokalwerken und historischen Versatzstücken Bach-getreu eingerichtet hat. Als Solisten agieren Johanna Mohr, Kerrin Brinkmann, Fridtjof Schultz-Falke und Malte Schulz. Unter den Orchestermusikern ist übrigens auch der erst 13 Jahre alte Kreiskulturpreisträger Tilman Clasen aus Haselau. Karten zu 15 Euro pro Person gibt es unter Telefon 04129/241.