Die Gebrüder-Humboldt-Schule in Wedel muss etwa 100 Kindern, die die fünfte Klasse besuchen wollen, eine Absage erteilen. Im Unterschied zu Gymnasien müssen Gemeinschaftsschulen „I-Klassen“ einrichten.
Wedel. Die Gebrüder-Humboldt-Schule in Wedel ist beliebt – so sehr, dass Leiter Antonius Soest in diesem Jahr etwa 100 Kindern eine Absage erteilen muss. Sie wollten die Gemeinschaftsschule nach den Sommerferien als neue Fünftklässler besuchen. Doch daraus wird nun nichts. „Es muss etwas passieren. So kann es nicht weitergehen“, sagt Soest. 190 Anmeldungen hat der Leiter der Gebrüder-Humboldt-Schule diesmal auf den Tisch bekommen. Der Andrang war groß in den vergangenen Jahren. Doch so vielen Eltern und Kindern musste Soest noch keinen Korb geben. Grund: Zum kommenden Schuljahr kann er etwa 20 Kinder weniger aufnehmen als in den Vorjahren.
Das Problem heißt Inklusion. Denn die Gemeinschaftsschule hat mit den Folgen des neuen Schulgesetzes zu kämpfen. Was Soest umtreibt, ist die aus seiner Sicht ungerechte Umsetzung, die vor allem zu Lasten einiger Schulen wie seiner und zugunsten anderer wie der Gymnasien im Land geschehe. Diese sind aus dem Prozess, der eine Auflösung von Förderschulen und die Förderung von Kindern mit Behinderung an den Regelschulen vorsieht, ausgenommen. Denn die Befürchtung ist, dass das Gefälle zwischen den leistungsstarken Gymnasiasten und den Kindern mit Behinderung zu groß sei, sodass besonders Letztere darunter leiden würden.
Das sieht Soest anders. Aus seiner Sicht spricht nichts gegen das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung auch an Gymnasien. „Wir machen an unserer Schule die Erfahrung, dass Integration gelingen kann, wenn die Umgebung stark ist“, so Soest, der seit 14 Jahren die Wedeler Gemeinschaftsschule leitet.
Vor knapp zehn Jahren richtete die Gebrüder-Humboldt-Schule die erste sogenannte „I-Klasse“ ein. Schüler mit und ohne Behinderung werden seitdem im gemeinsamen Klassenverbund unterrichtet. Das Angebot, das die Lehrer der Gemeinschaftsschule damals freiwillig und mit Unterstützung von Sonderpädagogen unterbreiteten, wurde fortgeführt. Bislang gab es pro Schuljahr und Jahrgang eine solche Klasse. Aufgrund der neuen Regelung hatte Soest mit einer weiteren „I-Klasse“ sowie den damit verbundenen pädagogischen Herausforderungen gerechnet. Es sind drei Klassen geworden. „Das ist ein Fiasko“, sagt Soest. „So können wir den Kindern mit Behinderung nicht mehr gerecht werden.“ Statt der üblichen 26 Kinder pro fünfter Klasse sind die „I-Klassen“ auch kleiner. Deshalb kann die Schule auch viel weniger Schüler aufnehmen.
Genauso ergeht es der zweiten Wedeler Gemeinschaftsschule. Drei integrative Klassen wird es an der Ernst-Barlach-Schule nach den Sommerferien geben. Sehr viel mehr als bisher. Am Wedeler Gymnasium wird es keine geben. Auch das empfindet Soest als Benachteiligung seiner Lehreinrichtung. „Es ist eine Zumutung und vergiftet das Klima an den Schulen, weil es auch die Lehrer als ungerecht empfinden.“ Ausgerechnet die schwächsten 50 Prozent der Schülerschaft sollen die Inklusion leisten. Diejenigen, die die geringsten schulischen Erfolge haben, sollen den besonders Bedürftigen helfen? Für Soest ein sinnloses Unterfangen.
Der Wedeler Schulleiter, der sich auch auf Länderebene für das Thema besonders stark macht, fordert, dass alle Bildungseinrichtungen den guten Gedanken der Inklusion gemeinsam angehen. Zudem brauche es dringend an allen Einrichtungen ein Inklusionskonzept. Die Wedeler Politiker haben das Problem auf die Agenda gesetzt, sie wollen zumindest für Wedel die beste Lösung suchen.
Ist die Schulpolitik in Schleswig-Holstein auf einem guten Weg? Mit dieser Frage befasst sich an diesem Dienstag, 18. März, von 19.30 Uhr an eine Diskussionsveranstaltung der SPD. Treffpunkt: Aula der Gebrüder-Humboldt-Schule, Rosengarten 19.