Kleine Städte wie Uetersen leiden unter dem zunehmenden Internethandel. Die lokalen Händler fordern ein Umdenken der Bürger. Auch Schulen müssten mehr Aufklärungsarbeit leisten.

Uetersen. Schrei vor Glück, mit solchen und ähnlichen Slogans werben Internethändler um Kunden. Die moderne Logistik macht den Internethandel möglich und sorgt dafür, dass rund um die Uhr im Internet gekauft wird. Was auf der einen Seite neue Unternehmen hervorruft, sorgt auf der anderen Seite bei Einzelhändlern und Städten für Kopfschmerzen. Seitdem sich der Internethandel immer stärker verbreitet, kämpfen Städte mit zunehmenden Leerständen.

Meike Koschinski, Wirtschaftsförderin der Stadt Uetersen ist das Problem zu genüge bekannt. „Seit 2005 gibt es eine schleichende Entwicklung eines zunehmenden Leerstandes“, sagt sie. Wenn sie aus ihrem Büro in Uetersen aus dem Fenster schaut, sieht sie gleich drei leer stehende Geschäfte. Mitten im Herzen der Stadt. Wenige Meter weiter sind noch drei Schaufenster verödet oder verrammelt. „Zu vermieten“ prangt in Uetersen seit 2005 zunehmend dort, wo einst ein Goldschmied, ein Telefonanbieter, ein Bäcker, ein Feinkostladen, ein Parfumgeschäft oder ein Stoffladen Kunden bedienten. Auch Sportgeschäfte, die vor 10 bis 20 Jahren hoch gefragt waren, hätten es inzwischen schwer.

Uetersen, so sagt Koschisnki, sei kein Einzelfall. Pinneberg, Elmshorn, Itzehoe, die Liste der kleineren und mittelgroßen Städte in der Region, die mit Leerständen kämpfen, sie ist lang. „Im Vergleich zu einigen anderen Städten sind wir in Uetersen noch gut dran“, sagt sie. In der Rosenstadt gebe es noch einen gesunden Grundstock an inhabergeführten Geschäften, einen brauchbaren Geschäftemix und die Kaufmannschaft sei recht engagiert.

Dennoch: Das Thema Leerstand, es ist bei allen Gesprächsthema. Bei Bürgern, der Wirtschaftsförderung, bei der Stadt, bei Kaufleuten, Haus & Grund und der IHG Uetersen. In der Rosenstadt wird inzwischen in Workshops an Ideen gearbeitet, wie mit bestimmten Marketingaktionen und Umgestaltungen des Umfeldes, mit Barrierefreiheit und Fassadengestaltungen, mit Beratungskompetenz und Service die Kunden gehalten und vom Internetshopping abgehalten werden könnten. Es sei wichtig, dass etwas unternommen werde, sagt die Wirtschaftsförderin. „Wenn nichts gemacht wird, gibt es Stillstand. Das ist das schlimmste, was es gibt“, sagt sie.

Michael Bentien, Inhaber von Uhren-Bentien, sieht die Kaufleute derzeit in einem schweren Kampf von David gegen Goliath. Die Einzelhändler könnten mit den Werbekanonaden der großen Internethändler nicht mithalten. „Der Internethandel ist derzeit nicht zu stoppen. Wenn wir aber unsere Kunden halten wollen, müssen wir unsere Qualitäten rüberbringen“, sagt er. Das Zauberwort heißt Kompetenz. „Es ist leicht, im Internet auf den Knopf zu klicken. Doch eine sinnvolle Beratung gibt es dort nicht“, sagt der Uetersener. Die gebe es nur beim Handel vor Ort. Der einzelne Händler könne nämlich - anders als Internetfirmen - auf individuelle Wünsche und Anforderungen und auf Kritik der Kunden reagieren.

Frank Lexau vom Autohaus Uetersen sieht das ähnlich. Das Internetshopping sei bequem, einfach und verlockend, doch letztlich zerstöre es die Städte. Wer im Internet kaufe, vernichte langfristig Arbeitsplätze in seiner Stadt und damit auch Ausbildungsplätze für kommende Generationen. Lexau hofft, dass die Menschen eines Tages umdenken. Er selbst propagiert: „Kauft regional vor Ort“. Wer das nicht mache, dürfe sich auch nicht über verödende Innenstädte und einen Mangel an Geschäftsvielfalt beklagen.

Bentien stimmt dem zu. „Kauf am Ort, dann hast du was davon, sage ich den Menschen“, sagt er. Der Geschäftsmann sieht aber auch ein weitergehendes Erziehungsproblem. Gerade jüngeren Menschen werde nicht vermittelt, welche Auswirkungen die Verlagerung des Handels in das Internet auf den regionalen Einzelhandel und damit auf ihre eigenen Wohnorte habe. „Hier müssen Kaufleute, Medien und Schulen gemeinsam handeln und aufklären“, sagt er.

Den Menschen müsse zudem vermittelt werden, weshalb gewisse Preise für Produkte genommen werden müssen. Schließlich gehe es darum, Arbeitsplätze zu sichern und die Kaufkraft eines jeden Bürgers zu wahren. „Viele Kunden kennen oft den Preis von Waren, nicht aber deren Wert“, sagt Bentien. Der Händler muss etwa die Miete bezahlen, Versicherungskosten und vor allem seine Mitarbeiter, damit diese Leben können und wiederum etwas kaufen. „Das sehen viele nicht. Was beim Discounter gesehen wird, wird als normaler Preis wahrgenommen. Alles andere, was teurer ist, ist teuer“, so der Uetersener. Er würde sich daher eine Preisbindung für viele Produkte wünschen, doch es sei, wie er sagt, utopisch, dass dies komme.

Auch die soziale und kulturelle Bedeutung der Händler müsse verstärkt vermittelt werden. So würden zum Beispiel Stadtfeste und Konzerte oft von Geschäften gesponsert. Ohne einen intakten Einzelhandel gehe somit Lebensqualität verloren. Die wollten aber die Bürger haben.

Koschinski und Bentien glauben, dass ein besseres regionales Marketing ein Schlüssel zum Erfolg sein kann. Daran müssten Händler und Kommunen arbeiten, sowie an Kunden bindenden Aktionen. Doch auch mehr Flexibilität von Seiten der Immobilienmakler sei, so Koschinski, wünschenswert. So könnten bespielsweise Leerstandsflächen umgewidmet werden, etwa für soziale Einrichtungen. Auch bei der Mietengestaltung sollte weniger starr gehandelt werden. „Eine flexible Mietgestaltung, angepasst an die Umsätze, ist ein sinnvolles Instrument“, sagt die Wirtschaftsförderin. Es bringe nichts, einen Händler bluten zu lassen, so dass dieser irgendwann Insolvenz anmelden muss. Die Vermieter würden sich damit langfristig selbst schaden. „Eine vermietete Fläche ist immer besser als eine leere“, sagt Koschinski.