Schüler der Grund- und Gemeinschaftsschule lernen sieben Jahre ohne Noten – das könnte Standard werden im Kreis. Bildungsministerin Waltraud Wende fordert: Keine Schulnoten an Grundschulen.
Pinneberg/Elmshorn/Wedel. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos) will keine Noten mehr an Grundschulen. Im Extremfall sollen Schüler im nördlichsten Bundesland sogar erstmals in der achten Klasse Notenzeugnisse bekommen. Nach dem Willen der Ministerin sollen Grundschulen stattdessen generell Berichtszeugnisse erteilen. Schulkonferenzen können allerdings auch Notenzeugnisse für die dritte und vierte Klasse beschließen.
Das Hamburger Abendblatt hat sich im Kreis Pinneberg umgehört: Was sagt der Schulrat? Wie gehen die Schulen mit Noten um? Und was halten die Schulleiter von den Reformplänen von Ministerin Waltraud Wende? Das Resümee: Manche Schulleiter sind für, manche sind gegen Notenzeugnisse.
Bereits jetzt können Gemeinschaftsschulen bis Klasse sieben auf Noten verzichten, es sei denn, die Schulkonferenz entscheidet anders. Ausnahmen sind Gymnasien, die ab Klasse fünf Notenzeugnisse mit Ergänzungen austeilen. Die Mehrheit der Gemeinschaftsschulen im Land verzichtete bereits auf Notenzeugnisse.
Der Schulrat des Kreises Pinneberg, Michael Doppke, ist kein Freund von Schulnoten. „Die Frage der Schulnoten wird jetzt seit 40 Jahren gestellt“, sagt Doppke. Die Rückmeldung der Lehrer während des Schuljahres sei viel wichtiger als das Zeugnis am Ende des Schuljahres. Doppke: „Schulnoten stellen nur eine Momentaufnahme dar, das Zeugnis hat nur einen begrenzten Informationswert: Wie sehen verschiedene Lehrer den Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt? Was hinter einer Note vier steht, wird ja nicht deutlich.“
An der Klaus-Groth-Schule in Tornesch vergeben die Lehrer schon ab der fünften Klasse Noten in Ziffernform. Thore Schwilp, stellvertretender Schulleiter der Gemeinschaftsschule, sagt, das Notensystem an Gemeinschaftsschulen sei differenzierter als an Gymnasien und biete so eine gute Einschätzung der Schüler. Man müsse nach Formen suchen, die die Berichtszeugnisse prägnant machen – nur dann könne die Schule den Schülern gerecht werden. „Das Abendland“, sagt Schwilp, „würde ohne Ziffernoten nicht untergehen.“
„Eine Drei in der 6a ist wahrscheinlich nicht eine Drei in der 6b“, sagt Bernd Poepping, Schulleiter der Grund- und Gemeinschaftsschule Barmstedt. Am liebsten wäre es ihm, wenn durchgehend bis zur achten Klasse Berichte statt Ziffern im Zeugnis stünden: „Das Ziffernsystem bietet kein objektives Benotungssystem.“ Zur Zeit bekommen die Schüler in der dritten und vierten Klasse noch Zahlen statt Worte zu sehen, in der sechsten und siebten sind Berichte zu lesen. Der Dialog zwischen Eltern und Lehrer werde durch das neue System besser, argumentiert der Schulleiter. „Viele Eltern kennen aber noch die Schulnoten aus ihrer eigenen Schulzeit und sind noch nicht bereit für die Veränderung", sagt Poepping.
Reinhard Duderstadt, stellvertretender Schulleiter der Erich Kästner Gemeinschaftsschule (KGSE) in Elmshorn, sieht Vor- und Nachteile beim aktuellen Benotungssystem. In der KGSE werden Noten ab der fünften Klasse in Zifferform vergeben. „Der Maßstab der Note ist aber nicht genug“, sagt Duderstadt. „Es ist ein Nachteil für die schwachen Schüler der Klasse, nur eine Ziffer als Beurteilung vorzufinden.“
Antonius Soest ist der Meinung, dass das Thema Schulnoten auch mit den Schülern diskutiert werden müsse. Der Schulleiter der Gebrüder-Humboldt-Schule in Wedel ist der Meinung, es sei besser, Schwächen zu nennen, statt eine Note zu vergeben. „Ich weiß allerdings nicht, ob wir uns die Abschaffung der Ziffernoten jetzt schon leisten könne. Die Bevölkerung ist konditioniert auf Noten“, sagt Soest. Die wichtigste Frage sei aber, wie man eine positive Lernhaltung erzeuge. „Motivation entsteht nicht durch Angst wegen einer schlechten Note.“ So wie Kollege Reinhard Duderstadt ist er sich aber auch der Interpretationsvielfalt bewusst: „Der Deutschlehrer formuliert seinen Text blumig, der Naturwissenschaftler eher nüchtern.“
Die Grund- und Gemeinschaftsschule im Quellental der Stadt Pinneberg ist laut Schulleiter Thomas Gerdes „bestens auf die Veränderungen vorbereitet“. Seit fünf Jahren vergeben die Lehrer schon bis zur achten Klasse Berichtszeugnisse in Tabellenform, nur die vierte Klasse bleibt bei den herkömmlichen Ziffern. „Bei den Schülern war die Umstellung kein Problem, sie wussten so besser, wo ihre Stärken und Schwächen liegen“, sagt Gerdes.
„Ohne Noten kann man alle Aspekte der Leistung im Detail beurteilen“, sagt Englisch-Lehrer Demys Schneider . „Aber viele Eltern und Schüler ziehen eine klare Notengebung vor.“ Auch Berfin Can, 11, Lenard Benjamin, 13, und Maurice Kipp, 12, aus der Klasse 6 b sind nicht ganz einer Meinung mit ihrem Schulleiter. „Ich finde Zahlen im Zeugnis übersichtlicher“, sagt Berfin. Die drei Schüler sind sich einig, dass eine Mischung aus Noten und Bericht „weniger verwirrend“ sei. Lenard sagt: „Wenn man eine vier hat, muss man natürlich auch wissen warum, und was man verbessern kann.“ Der Sprung von Berichtszeugnissen zurück zu den Ziffer-noten sei zwar „ein Durcheinander, aber trotzdem freuen wir uns darüber, in der achten Klasse endlich wieder Zahlen im Zeugnis zu sehen.“