Neben der neuen Krankenversichertenkarte ist auch die alte noch gültig. Apotheker verweigerten Annahme von Rezepten. In einigen Fällen sind die alten Karten nicht mehr lesbar.
Kreis Pinneberg. Nach der Einführung der neuen elektronischen Gesundheitskarte (eGK) am 1. Januar herrscht im Kreis Pinneberg Verwirrung. Berechtigt nur noch die eGK zum Arztbesuch? Gibt es eine Übergangsfrist? Die Experten im Gesundheitswesen können es auch nicht immer mit Sicherheit sagen, wie die Recherche des Hamburger Abendblatts in Pinneberg ergab.
„Ich muss viele Patienten daran erinnern, die neue Karte bei ihrer Krankenkasse zu beantragen“, sagt die Arzthelferin einer Praxis für Allgemeinmedizin in Pinneberg. „Bis Ende September akzeptieren wir noch die alten Karten, dann ist Schluss mit lustig.“ Danach müssten die Patienten die Behandlung aus eigener Tasche bezahlen. Ihre Kollegin aus Prisdorf geht davon aus, dass die alten Karten noch darüber hinaus gültig sein werden.
Kein Wunder, das hier keine Einigkeit herrscht. Wie lange die alte Karte gültig ist, ist nämlich nicht ganz eindeutig geregelt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung, also die Ärztevertretung, sagt, die alten Karten enden erst mit dem Ablaufdatum, das auf der Karte vermerkt ist. Das sehen die GKV-Spitzenverbände, also die Vertretungen aller Kranken- und Pflegekassen, allerdings ganz anders. Nachdem es zunächst hieß, mit Beginn des neuen Jahres würde nur noch die eGK zur Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen berechtigten, räumten sie nun eine Übergangsfrist ein. Damit würde sie erst am 1. Oktober 2014 die bisherige Krankenversichertenkarte ablösen. Spätestens dann, müssen sich die beiden Vertragspartner noch mal an einen Tisch setzen.
Das dies für Unruhe sorgt, zeigt auch ein anderes Beispiel. „In den ersten Tagen des neuen Jahres hatten sich einige Apotheken geweigert, Rezepte einzulösen, die auf die alten Gesundheitskarten ausgestellt waren“, sagt Marco Dethlefsen, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein. „Wir haben schnell reagiert und die Apotheker in einem Rundschreiben darauf hinwiesen, dass die alten Karten bis zu dem Datum gültig sind, das auf ihnen vermerkt ist.“
Ganz sicher ist sich der AOK-Niederlassungsleiter in Pinneberg, Jürgen Schröder, auch nicht. Er war zunächst davon ausgegangen, dass Patienten mit alten Versichertenkarten nur in akuten Fällen behandelt werden, ansonsten aber von den Ärzten weggeschickt werden dürfen, da sie die alten Karten mit den neuen Geräten nicht mehr einlesen und damit die Behandlung nicht abrechnen können. Für das Abendblatt liest er sicherheitshalber noch mal nach und korrigiert: „Es gibt eine Übergangsfrist bis zum 30. September.“ Ob diese verlängert werde, darüber müssten sich die Verhandlungspartner noch mal abstimmen.
Für die AOK im Kreis Pinneberg sei dies jedoch nicht entscheidend. „99 Prozent unserer insgesamt 53.000 Versicherten sind mit der elektronischen Gesundheitskarte versorgt“, sagt Schröder. Nachfragen durch verunsicherte Versicherte gebe es so gut wie keine. „Wer die neue Karte noch beantragen muss, kann direkt in unserer Filiale am Automaten ein Foto machen.“ Das Ausstellen dauert dann maximal zehn Tage.
Thomas Ehlert, Leiter der DAK Servicestellen im Kreis Pinneberg, geht von einer Übergangsfrist bis zum 31. März aus. Er glaubt, dass „wir bis dahin alles abgewickelt haben“ und weist darauf hin, dass sich bei der DAK Versicherte in den Filialen in Wedel, Uetersen, Elmshorn und Pinneberg während der Öffnungszeiten ohne vorherige Terminabsprache kostenlos ein Foto für die eGK machen lassen können. 13 Prozent der 40.000 DAK-Versicherten im Kreis haben diese noch nicht beantragt. „Soweit hat die Auslieferung der neuen Karten gut geklappt“, sagt Ehlert. Lediglich rund um den Jahreswechsel habe es einige Verzögerung wegen der Festtage gegeben. Viele Versicherte hätten die Karte noch schnell zum Jahreswechsel beantragt.
In Kliniken sowie Arztpraxen wurden neue Kartenterminals installiert, die sowohl die neuen elektronischen Gesundheitskarten als auch die bisherigen Krankenversichertenkarten verarbeiten können, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. So steht es zumindest auf der Internetseite der GKV-Spitzenverbände. Die Realität sieht anders aus. „Manchmal lesen die neuen Geräte die alten Karten nicht mehr ein“, erzählt eine Arzthelferin, die für einen Allgemeinmediziner in Pinneberg arbeitet. „Wir behandeln die Patienten trotzdem, aber sie sollten dann schnell die neue beantragen.“
Ähnliche Erfahrungen hat eine Kollegin in der Bahnhofstraße gemacht: „Wenn die eGK einmal eingelesen ist, akzeptiert er die alte Karte nicht mehr.“ Das hätte schon zu einigen Irritationen geführt, weil die Patienten die alten Karten nicht gleich entsorgt haben. In der Gemeinschaftspraxis hätten schätzungsweise 30 bis 35 Prozent der Patienten noch nicht gewechselt.
Die Anschaffung und Installation der Geräte wurde durch die gesetzlichen Krankenkassen finanziert. Allerdings gibt es mehr als zehn unterschiedliche Modelle. Dass einige Lesegeräte die alten Karten nicht mehr lesen, würde Dethlefsen nicht ausschließen. Doch selbst wenn: Kein Patient bräuchte befürchten, weggeschickt zu werden. „Uns ist wichtig, dass die Patienten wissen, dass sie auch mit der alten Karte ein Recht auf Behandlung haben.“
Trotz kleiner Anlaufschwierigkeiten sieht Wolfram Scharenberg von der Ärztekammer Schleswig-Holstein die Einführung der eGK positiv: „In der Zukunft könnten die eGK zum Beispiel Informationen über Medikation oder Allergien mitliefern.“ Der behandelnde Arzt würde schnell und umfassend über die Vorgeschichte des Patienten informiert sein. Für Arzt und Patient wäre das von Vorteil.