Die Rauminstallationen der Designerin Gisela Meyer-Hahn verwandeln Klänge in Farbkompositionen. Am 28. Dezember setzt sie mit dem Cellisten Sonny Thet die Pinneberger Christuskirche in Szene.

Pinneberg. Die Christuskirche ist stockfinster. 200 Menschen sitzen in den Kirchenbänken und halten gespannt den Atem an. Da geht auf einmal hinter dem Altar orangerot die Sonne auf. Zumindest sieht es so aus. Immer heller wird das Gewölbe. Gleichzeitig scheinen sich andere Bereiche des Kirchenschiffs türkis, flaschengrün, purpur und tiefrot zu färben. Klassische Klänge begleiten das Lichtspektakel. Oder ist es umgekehrt und das Licht akzentuiert die Musik?

Szenen wie diese sind typisch für die kunstvollen Installationen aus Licht, Klang und Raum, die die Pinneberger Designerin Gisela Meyer-Hahn, 61, mit unterschiedlichen Musikern und Chören in ganz Deutschland und dem europäischen Ausland entwickelt und umsetzt. Mit Jazzpianist Rainer Schnelle oder dem German Marimba Duo aus Lübeck, mit den Männerstimmen der Chorknaben Uetersen oder dem Regenburger Trio Mystique. Auf dem dänischen Schloss Fuglsang/ Falster und im Bad Gandersheimer Dom, in der Krypta des Hamburger Michels, der Tiefgarage des Wiesbadener Kurhauses oder dem Kieler Landeshaus. 2012 entwickelte sie das Gesamtkonzept für die „Nacht der Offenen Kirchen“ in Regensburg, die zehn Gotteshäuser umfasste. Immer wieder aber verwandelt Meyer-Hahn Areale im Kreis Pinneberg in luftige Paläste aus Licht, Klängen und Farben, darunter die Rellinger Kirche, das Schenefelder Rathaus, die Christuskirche und den Mühlenteich in Uetersen, die Helgoländer Nikolaikirche und den Ratssaal der Kreisstadt.

Fast 70 einzeln steuerbare Scheinwerfer werden die Christuskirche ausleuchten

Zwischen Weihnachten und Neujahr steht wieder so ein Heimspiel an. Am Sonnabend, 28. Dezember, bringt sie gemeinsam mit dem Cellisten und Komponisten Sonny Thet in der Pinneberger Christuskirche, Bahnhofstraße 2, „Klang in der Stille des Lichts“ auf die Bühne. In dieses Spiel aus Licht, Farbe und Musik spricht Maria Ilona Poppendieck kurze Texte über Naturwahrnehmungen. Zu sehen ist sie nicht, das Publikum hört nur ihre Stimme. Das Konzert beginnt um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei. Spenden für die neue Orgel, die im Februar eingebaut und am 15. Juni 2014 geweiht werden soll, sind dem Team der Christuskirche als Veranstalter willkommen.

Schloss, Tiefgarage, Seeoberfläche – die Konzerträume erscheinen auf den ersten Blick fast beliebig. Funktionieren die Licht-Klang-Installationen, die Meyer-Hahn 1998 erfand und seither immer weiter perfektioniert hat, also überall? „Nein. Der Raum muss mir entgegenkommen, der muss mit mir sprechen“, sagt die Künstlerin. Große Eventhallen wie etwa die Hamburger AOL-Arena inspirierten sie nicht. Zu viel Kommerz und passiver Konsum. Ihr Ziel sei es eher, das Publikum zu inspirieren mit einem Kunstereignis, das viele Sinneseindrücke verbindet. Die Hamburger Laeiszhalle, das wäre ein Raum, der sie reizte, sagt Meyer-Hahn.

„Um ein Beleuchtungs-Farbkonzept zu entwickeln, erspüre ich zunächst den Raum, setze mich mit seinem Klang, seiner Architektur und Farbigkeit auseinander.“ Mit diesen Eindrücken setzt sie sich an das Farbmischpult des heimischen Ateliers und schreibt eine Lichtpartitur. An welcher Stelle taucht welches Licht welchen Teil des Raums wie lange in Farbe? Schwarz auf weiß plant die Lichtdesignerin das Timing der Choreografie bis ins Detail auf Papier, orchestriert anhand dieser Partitur und des Mischpults im Konzertfall Dutzende von Scheinwerfern von Hand, die sie mit Hilfe von Technikern zuvor im Raum installiert hat. 60 bis 70 solcher Strahler werden es in der Christuskirche sein, das Team verlegt dafür knapp drei Kilometer Kabel. „Jede Lampe steuere ich vom Mischpult aus einzeln an“, sagt sie. Abläufe digital einzuprogrammieren, lehnt sie ab. Das grenze die Möglichkeit des interaktiven Zusammenarbeitens mit der Musik aus. Selbst LED-Scheinwerfer, die viele praktische Vorzüge haben, möchte sie nicht einsetzen, denn mit dieser Technik könne sie noch nicht so flexibel und exakt die Farbnuancen treffen, die ihr vorschwebten, wie mit den herkömmlichen Scheinwerfern.

Was das Publikum im Idealfall als schwerelosen Sinneszauber erlebt, bedeutet also Schwerstarbeit hinter den Kulissen. Denn nicht nur Licht und Musik wollen synchronisiert sein. Auch textile Projektionsflächen, die typisch sind für Meyer-Hahns Kunstkonzept, muss sie passgenau einbinden. Da braucht es nicht nur Kunstverstand, sondern auch Einfallsreichtum, um die Dinge technisch zum Laufen zu bringen. So sollten sich während eines Lichtkonzerts im Kaiserdom zu Königslutter an einer bestimmten Stelle farbige Stoffbahnen aus der Kuppel entrollen. „Vier Männer standen im Dach der Kuppel, um auf mein Signal die Winde zu betätigen“, sagt Meyer-Hahn. Sie sahen weder die Künstlerin, die in einem dunklen Winkel des Doms unauffällig an den Reglern des Lichtmischpults stand, noch konnten sie dort oben die Musik hören oder das Licht sehen. „Wir haben das Problem schließlich mit Walky-Talkies gelöst, in die ich das Signal geflüstert habe. Das durfte in der mucksmäuschenstillen Kirche ja nicht zu hören sein – und Handy-Signale waren dort nicht zu empfangen“, sagt die Designerin.

Dass sie in Pinneberg gemeinsam mit Sonny Thet auftritt, freut sie. Schließlich war er es, mit dem sie 1998 zur Finissage einer Feininger-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie Berlin das erste Lichtkonzert aus der Taufe hob. „Sonny ist ein Vollblutmusiker, wir verstehen uns inzwischen fast blind.“