Bahnhofsmission in Elmshorn: Wiebke Turkat und ihre ehrenamtlichen Kräfte arbeiten unter erschwerten Bedingungen
Elmshorn. Sie kümmern sich um Reisende, die nicht weiterwissen, helfen Rollstuhlfahrern in den Zug und werden bei ihrer Arbeit immer wieder mit Menschen konfrontiert, die alkoholisiert, aggressiv und hilflos sind. Die zwölf Mitarbeiter der Bahnhofsmission in Elmshorn haben alle Hände voll zu tun. „Der Bedarf wächst“, sagt Leiterin Wiebke Turkat, die die einzige hauptamtliche Beschäftigte in der Bahnhofsmission ist. Dabei arbeiten die Missionskräfte unter erschwerten Bedingungen: Sie haben nicht einmal fließendes Wasser in ihrem Büro. „Wasser holen wir uns von der Damentoilette“, sagt Mitarbeiter Michael Martischus. Damit seien sie wohl die am schlechtesten ausgestattete Bahnhofsmission in ganz Schleswig-Holstein.
Seit sechs Jahren gibt es die Anlaufstelle im Elmshorner Bahnhof. Leiterin Wiebke Turkat ist von Anfang an dabei. Jeder Einsatz ihrer zwölf Helfer wird dokumentiert. In diesem Jahr waren es schon 12.354 Kontakte mit Hilfesuchenden, bilanzierte sie am Montag vor Journalisten. Im Vergleich zum Vorjahr sei dies eine Steigerung von etwa einem Viertel. „Wir haben hier alles, was auch die Bahnhofsmissionen in Hamburg, Berlin oder München tun, nur etwas kleiner.“ Besonders problematisch sei es für sie und ihre Mitarbeiter, wenn sie es mit stark alkoholisierten und aggressiven Menschen zu tun bekämen. „Der Sozialraum Bahnhof ist ein eigenes Gefüge.“
Dramatisch sei auch jener Fall gewesen, als eine junge, halbnackte Frau, die auch noch blutüberströmt war und unter Drogen stand, plötzlich allein und hilflos auf dem Bahnsteig stand, erzählt die Missions-Leiterin. Es handelte sich um eine eingewanderte Frau, die zur Prostitution gezwungen wurde. „Sie hatte nur ein Sweatshirt und eine Jogginghose an“, berichtet Wiebke Turkat. „Wir gaben ihr etwas zum Anziehen und zu essen. Doch sie kriegte keinen Bissen runter.“ Stattdessen wollte sie zurück zu ihrem Freier nach Hamburg.
Diese und ähnliche Schicksale sind das tägliche Geschäft ihrer Mitarbeiter, die deshalb seelisch gefestigt sein sollten. Dies lässt sich auch an Zahlen dokumentieren. Bei 250 Tagen im Jahr, an denen die Bahnhofsmission Elmshorn geöffnet ist (montags bis freitags von 8.30 bis 16.30 Uhr), sind es im Durchschnitt täglich 50 Menschen, um die sich die Mission kümmern muss. 70 Prozent von diesen sind Reisende.
Etwa fünf Mal am Tag sind es Menschen, die bestohlen wurden oder kein Geld dabei haben, vier psychisch kranke oder süchtige Personen, drei mit körperlichen Gebrechen, ein allein reisendes Kind, das dringend Hilfe braucht, und fast täglich ein Rollstuhlfahrer, der es nicht allein in den Zug schafft. Denn zu den Bahnsteigen kommen Behinderte zwar über einen Fahrstuhl. Doch es führen immer noch etliche Züge der Deutschen Bahn AG, die keine Rampe hätten wie die der Nord-Ostsee-Bahn. Die Menschen müssten dann mit dem schweren Hubwagen der Mission in den Zug gehievt werden. „Unter Zeitdruck. Denn der Zug darf ja keine Verspätung haben“, sagt Wiebke Turkat.
Für diese schweren Arbeiten setzt sie kräftige Männer ein. Aber sie könne da nicht aus dem Vollen schöpfen. „Wir brauchen freiwillige Helfer“, sagt die Missionsleiterin. In der Regel arbeiteten diese vier Stunden in der Woche. Bei Kollegen wie Martischus, der seit sechs Jahren dabei ist, sind es auch mal zwölf.
Falls jemand abends am Bahnhof strandet, kann ihm mithilfe des Winter-Not-Programms der Diakonie für drei Tage Obdach in einer Unterkunft gewährt werden, die acht Plätze hat, so die Missionsleiterin. Auch die Bahnhofsmission wird von der Diakonie finanziert, die ihre halbe Stelle bezahlt. Darüber hinaus seien sie auf Spenden angewiesen. Die Bahn AG stellt nur das 15 Quadratmeter große Büro zur Verfügung und zahlt dafür die Nebenkosten.
An das ständige Wasserholen hätten sie sich inzwischen gewöhnt, sagt die Leiterin. Wann dieser unhaltbare Zustand am Elmshorner Bahnhof beendet wird, dazu ein Bahnsprecher: „Es sind keine Beschwerden seitens der Mission gekommen. Langfristig soll es neue Räumlichkeiten geben.“ Die Mission sei erst vor einem Jahr in dieses Büro umgezogen. In dem alten was das Dach undicht.