Die Schlammschlacht in der Wedeler SPD geht weiter und erreicht eine neue Dimension. Die SPD fordert jetzt den Rücktritt ihrer eignen Stadtpräsidentin, die aus der Fraktion ausgetreten ist, weil sie die Partei betrogen haben soll.
Wedel. Die Schlammschlacht in der Wedeler SPD geht weiter und erreicht eine neue Dimension. Die verbliebenen Sozialdemokraten fordern jetzt den Rücktritt ihrer eigenen Stadtpräsidentin Renate Palm, die aus der Fraktion nach Streitigkeiten unter anderem über Bezüge durch Aufsichtsratsposten ausgetreten ist. „Sie hat unehrenhaft und unsolidarisch die SPD und alle Mitglieder betrogen“, erklärte SPD-Pressesprecher Helmut Plüschau am Freitag. Eine Stadtpräsidentin habe eine Vorbildfunktion als oberste Repräsentantin. Die können die ehemaligen Kollegen fünf Monate nach der Ernennung Palms nicht mehr erkennen.
Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Palm zu den sechs SPD-Abweichlern gehört, die kürzlich aus der Fraktion ausgetreten sind und die Wedeler Soziale Initiative (WSI) gegründet haben. Das empfinden die Zurückgelassenen als Verrat am Wähler, der die SPD und nicht die WSI mit seiner abgegebenen Stimme unterstützen wollte. „Zur Stadtpräsidentin wurde sie gewählt, weil die SPD bei der letzten Kommunalwahl die meisten Wählerstimmen erhalten hat“, so Plüschau. Für ihn und seine Kollegen macht es daher keinen Sinn mehr, dass die aus der Partei ausgetretene Palm in ihrem Amt noch länger verbleibt.
Als Argument führt die SPD zudem an, dass Palm zu den drei Mitgliedern gehört, die laut geschäftsführendem Vorstand keine Abgaben aus ihren Aufsichtsratsposten an die Partei entrichteten. Laut Bundesstuten der Sozialdemokraten sollen 30 Prozent dieser Entschädigungszahlungen an die Partei gehen. Laut SPD-Erklärung von Freitag habe Palm über mehrere Jahre keine Sonderbeiträge gezahlt. Dies soll bei einer Haushaltplanung vor vier Wochen herausgekommen sein. Bei zwei weiteren SPD-Mitgliedern, die auch zu den Abweichlern gehören, verhält es sich ähnlich. Es soll um eine Summe von 10.000 Euro gehen.
Palm reagierte auf den persönlichen Angriff enttäuscht. Auf Abendblatt-Nachfrage erklärte sie: „Ich habe gewusst, dass der Schritt, auszutreten, nicht einfach wird. Aber ich habe sehr gehofft, man könnte das anders handhaben. Dass man anfängt unter die Gürtellinie zu schlagen, ist einer Partei wie der SPD nicht würdig.“ Die Rücktrittsforderung ihrer ehemaligen Kollegen weist sie deutlich zurück. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich sehe keinen Anlass zum Rücktritt – selbst wenn fünf wütende Ex-Genossen das noch so schrill fordern mögen.“ Gegen die Vorwürfe, sie habe über mehrere Jahre keine Sonderbeiträge an die SPD gezahlt, verwehrt sie sich. „Ich habe für die SPD eine Blankovollmacht unterschrieben, die dem Vorstand erlaubte, die Mandatsträgerabgaben einzuziehen.“ Sie habe, nachdem der Fehler aufgefallen ist, die Posten beglichen. „Ich habe sogar mehr als den geforderten betrag bezahlt.“ Palm, die am Donnerstagabend sichtlich angegriffen die Ratsversammlung vor vollen Reihen und mit Beistand ihrer Familie leitete, sagt: „Das ist ein Nervenkrieg.“
Das sieht auch Joachim Funck so. Er ist Fraktionschef der abgespaltenen neuen WSI, zu der neben Palm auch Andreas Schnieber, Stefan Bakan, Ingrid Paradies und Birgit Neumann-Rystow gehören. Als Sprecher der Abweichler redet er jetzt Tacheles, nachdem sich die WSI lange zurückgehalten hatte. Zu den Zahlungsvorwürfen sagt er, dass die geforderten 30 Prozent von allen drei Ex-Fraktionsmitgliedern noch vor dem Austritt erstattet wurden. Dabei habe es laut Funck keine rechtliche Verbindlichkeit dazu gegeben. Aus seiner Sicht ging es auch nie darum. „Man will mit den sogenannten Mandatszahlungen Druck auf die Ratsmitglieder ausüben. Die wollen uns raus haben“, wirft Funck dem SPD-Vorstand vor. „Das ist schmutzige Wäsche hoch drei.“
Funck zeichnet ein Bild von zwei Lagern in der Partei, die bereits langjährig tätigen SPD-Fraktionsmitglieder und die Neuen, die nach der Kommunalwahl vor allem durch Bürgerinitiativen hinzugekommen seien. Vor allem der Ärger um den Bau den neuen Gaskraftwerks habe zahlreiche neue Mitglieder in die Partei geschwemmt. „Wenn die ihre Interessen durchgesetzt haben, ist die Partei ausgeblutet“, so Funck. Er fühle sich einer verlässlicheren Politik verpflichtet und sah deshalb keinen anderen Ausweg mehr, als aus der SPD auszutreten – und das nach knapp 30 Jahren Mitgliedschaft. „Ich habe geweint, als ich das Schreiben in den Briefkasten geworfen habe“, sagt der ehemalige Gewerkschafter und Chef der freien Wohlfahrtsverbände.
Ihren internen Streit trägt die SPD jetzt auch auf die Straße. An diesem Sonnabend will die Partei von 10 Uhr an in der Bahnhofstraße Interessierten die SPD-Spaltung erklären.