Martin Schramm ist Inhaber dreier Schuhgeschäfte und arbeitet als Unternehmensberater in Hamburg. Sein Buch über Dietrich Bonhoeffer hat er morgens vor dem Start in den Berufsalltag geschrieben.
Barmstedt. Ausgerechnet Boris Becker stahl ihm die Show. „Naja, vermutlich sprechen wir auch nicht die selbe Leserschaft an“, sagt Martin Schramm und lacht. Der Barmstedter hat auf der Leipziger Buchmesse sein Buch „Unterwegs mit Bonhoeffer. Stationen auf dem Weg der Nachfolge“ vorgestellt – zeitgleich mit dem Ex-Tennisprofi, der derzeit bevorzugt Querschläger gegen Verflossene austeilt.
Auch Schramm hat sich intensiv mit einer Person aus der Vergangenheit beschäftigt – damit enden die Parallelen allerdings auch schon. Der 51-Jährige folgte den Spuren des Theologen und NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer und reiste nach Fanö, Zingst, Buchenwald und Flossenbürg, Berlin und New York, wo er sich intensiv mit Schriften Bonhoeffers auseinandersetzte und versuchte, sie auf seinen eigenen Alltag zu übertragen.
Es gibt zahlreiche Biografien und theologische Abhandlungen über Bonhoeffer. Warum also noch ein Buch über ihn? „Der Ansatz ist neu“, sagt Schramm. Sein Buch verbinde einen persönlichen Reisebericht mit geistlichen Betrachtungen und biografische Notizen mit praktischen Überlegungen für den Alltag. „Bonhoeffers Texte sind auch heute noch aktuell“, sagt Schramm, der 18 Jahre im Vorstand der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde tätig war. Also keine klassische Biografie, eher ein „geschriebenes Roadmovie“, beschreibt Schramm sein Werk.
Entstanden ist die Idee im Sommerurlaub 2011 auf der dänischen Nordseeinsel Fanö. „Ein Freund meinte, er würde Fanö immer mit Bonhoeffer verbinden“, sagt Schramm. Also packte sich Schramm Bonhoeffers „Nachfolge“ sowie dessen Biografie als Urlaubslektüre ein und tauchte damit in den Dünen ab. Dort saß auch Bonhoeffer 1934 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und diskutierte mit jungen Männern über die Zukunft der Kirche. Es ist der Beginn einer Entdeckungsreise.
Schramm besuchte die Kirche in Nordby, in der Bonhoeffer an einer ökumenischen Konferenz zum Thema „Staat und Kirche“ teilnahm und einen Gedenkstein. „Ich tauchte immer tiefer in das Leben dieses Mannes ein“, sagt Schramm. „Sein außergewöhnliches Leben fesselte mich.“ Zudem sei Bonhoeffer immer jemand gewesen, der das Gespräch mit anderen gesucht habe. Schramm fühlte sich in dessen Schriften persönlich angesprochen. „Diese Gesprächseinladung kam für mich genau zum richtigen Zeitpunkt“, sagt er. „Kurz vor meinem 50. Geburtstag mehrten sich die Fragen. Ist das schon alles? Gibt es da nicht noch mehr? Ist mein Leben außerordentlich oder doch nur ordentlich?“ Bisherige Einstellungen und vertraute Abläufe waren ins Wanken geraten.
Wieder zu Hause, beschäftigte er sich mit weiteren Schriften Bonhoeffers. Die Idee zu einem Buch reifte. Und so machte sich Schramm auf den Weg, weitere Stationen aus Bonhoeffers Leben aufzusuchen. In Zingst und im Harz – Orte, an denen Bonhoeffers Familie Urlaube machte und an die er sich während seiner Zeit im Gefängnis zurücksehnte sowie die KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Flossenbürg. Dort war Bonhoeffer auf ausdrücklichen Befehl Adolf Hitlers als einer der letzten Gegner, die mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 in Verbindung gebracht wurden, hingerichtet worden.
„Ich reiste mit meiner Frau auch nach New York, wo Bonhoeffer studierte“, sagt Schramm. Es war ihre Silberhochzeitsreise. An den muskulösen Türstehern der Gospelkirche, die Bonhoeffer regelmäßig besuchte, kam das Ehepaar dennoch nicht vorbei. Was sie nicht ahnten: Die Kirche steht wegen ihres ausgezeichneten Gospels in jedem Reiseführer und ist auch bei anderen Touristen sehr beliebt. Daher sorgen Einlasser dafür, dass zunächst die Mitglieder der Gemeinde einen Platz im Gebetshaus finden. Erst dann wird neugierigen Gelegenheitsbesuchern der Zutritt gewährt. „Mit diesem Andrang hatten wir nicht gerechnet“, sagt Schramm.
Ein anderes Mal verbrachte er einen Tag in Bonhoeffers Elternhaus. „Den Tag hat mir ein Freund geschenkt“, sagt Schramm. „Ich saß im Zimmer unter dem Dachgeschoss an Bonhoeffers Schreibtisch und habe die Atmosphäre dort aufgesaugt.“ Er las die Liebesbriefe, die sich Bonhoeffer 1943 mit seiner jungen Verlobten Maria von Wedemeyer schrieb, in einer Zeit, in der er sich durch seinen Widerstand gegen das Naziregime gleichzeitig in Lebensgefahr brachte. „Das hat mich tief beeindruckt“, sagt Schramm.
Nach und nach hatte er alle Informationen zusammengetragen. Jetzt musste Schramm, der als Inhaber dreier Schuhgeschäfte auch noch als Unternehmensberater in Hamburg arbeitet, nur noch alles zu Papier bringen. „Zum Glück bin ich ein Frühaufsteher“, sagt er. „Ich habe jeden Morgen von 5 bis 6.30 Uhr in die Tastatur gehauen.“ Im März 2013 hielt er das Ergebnis in den Händen.
Martin Schramm stellt sein Buch am Donnerstag, 24. Oktober, von 20 Uhr an in der Buchhandlung Lenz, Reichenstraße 8, in Barmstedt vor. Der Eintritt beträgt fünf Euro. Es wird um Anmeldung gebeten unter der Telefonnummer 04123/685997.