Viele Anwohner in Schnelsen beschweren sich seit mehreren Jahren bei den Rellinger Behörden und der Kreisverwaltung über PKW- und Schwerlastwagen-Raser auf der Süntelstraße.

Rellingen. Zunehmende Mobilität in einer Metropole hat neben positiven Effekten auch eine negative Erscheinung für die Bewohner: Die Wohn- und Lebensqualität der Bewohner wird beeinträchtigt. Es ist 17.30 Uhr. Christian Busch ist in Begleitung seiner beiden Kinder Jannis, 9, und Thure, 2, und will die Straße überqueren. Es ist laut, die Luft stinkt nach Abgasen, denn es ist Berufsverkehr und somit Hauptverkehrszeit. Viele Fahrzeuge fahren an der Familie am Straßenrand vorbei. Und, viel schlimmer: Es wird mit deutlich überhöhten Geschwindigkeiten gefahren.

Das Wohnhaus von Christian Busch steht in der Süntelstraße im Hamburger Stadtteil Schnelsen. Die Straße markiert die Grenze zwischen Schnelsen und Rellingen. An den Norden und den Westen des Stadtteils grenzt der Kreis Pinneberg, mit seinen Gemeinden Rellingen (nördlich) und Halstenbek (westlich). Von der Süntelstraße aus werden die Gewerbegebiete der Gemeinde Rellingen in der Siemensstraße und der Adlerstraße erschlossen. Und es sind die Verkehrsteilnehmer aus den angrenzenden Industriegebieten sowie Pendler, die „rücksichtslos über unsere Straße brettern. Die wollen alle schnell aus dem Industriegebiet oder auf die A23“, so Busch.

„Die Lautstärke stört uns schon gar nicht mehr, daran haben wir uns gewöhnt. Als wir das Haus vor ein paar Jahren kauften, war uns klar, dass auf dieser Gemeindeverbindungsstraße mit erhöhtem Lärm zu rechnen ist. Dass hier auffällig schnell gefahren wird – damit haben wir nicht gerechnet.“ so der Vater. „In diesem Wohngebiet leben Kinder und die sind gefährdet, denn eine Überquerung der Straße ist für Kinder ohne Begleitung unmöglich“.

Bereits zwei Mal ist der an der Straße geparkte PKW der Familie von Rasern „komplett zerlegt“ worden, mehrmals wurden die Außenspiegel demoliert, was auch Anwohner Michael Dill bestätigt. Der technische Angestellte lebt seit 1999 an der Süntelstraße. „Der Verkehr hat seit dem Ausbau des Rellinger Industriegebiets sehr stark zugenommen. Der schnurgerade Teil der Straße, der an unseren Häusern vorbeiführt, lädt zum Rasen ein“, sagt der 52-Jährige. „Ich muss die Gartenpforte und auch die Haustür ständig verschlossen halten. Nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn eines unsere Kinder auf die Straße läuft. Selbst der Windzug der Schwerlaster reißt einen mit“, berichtet Verena Busch.

Zwei Kinder wurden bereits bei Verkehrsunfällen getötet

Für zwei Kinder wurde der Straßenverkehr zum Verhängnis, allerdings im Rellinger Abschnitt der Straße, der Adlerstraße: Ein siebenjährige Junge starb 2004. Wenige Jahre später hatte eine zehnjährige Schülerin hinter einem haltenden Bus die Fahrbahn betreten, war von einem VW-Bus erfasst worden und erlag noch am Unfallort seinen Verletzungen. Anwohnerprotest bewirkte, den Verkehr an dieser Stelle der Straße zu beruhigen.

Immer wieder fanden sich Anwohner der Süntelstraße, die ihren Unmut über die Verkehrssituation den Behörden mitteilten. Mit der Petition „Mehr Sicherheit auf unseren Straßen“ sammelte Anwohnerin Corinna Edenharter bereits im Oktober 2011 Unterschriften. Im Namen mehrerer Betroffener steht auch Christian Busch seit zwei Jahren in schriftlichen Kontakt zu den Rellinger Behörden. „Wir fordern nichts Unmögliches oder Teures. Von dem Wunsch hier eine 30-Tempo-Zone einzurichten, sind wir schon lange weg. Es würde reichen, Blumenpoller aufzustellen oder Bremsschwellen zu bauen oder wenigstens mehr 50 km/h-Schilder, die die Fahrer daran erinnern, das sie sich in einer geschlossenen Ortschaft befinden“, erzählt der Arzt.

Busch wirft dem Kreis Desinteresse und Tatenlosigkeit vor. Zwar gab es Tempomessungen, wie beispielsweise die vom 26. März 2012. Diese ergab, dass „eine Überschreitungsquote von 2,28% in Richtung Relingen und von 1,9% in Richtung Hamburg festgestellt worden (ist). Dies rechtfertigt leider noch keine Maßnahmen.“, so aus dem Schreiben vom Fachdienst Straßenbau und Verkehrssicherheit, Kreis Pinneberg, was dem Abendblatt vorliegt. „Was sollen die auch bringen, wenn sie von Weitem für jeden schon so gut sichtbar sind?“ fragt Busch. „Die Fahrer bremsten ab, und als der Smiley-Kasten abgebaut worden ist, ging das Rasen weiter“, stellt er verbittert fest.

In einem weiteren Brief heißt es, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung nur angeordnet werden kann „wenn aus Gründung der Verkehrssicherheit eine zwingende Notwendigkeit besteht“. Auch Tom Rasmussen, Rellinger Leiter der Fachbereichs Planen und Bauen bestätigte dem Hamburger Abendblatt, „dass häufigere Messungen in der Süntelstraße nicht möglich sind“ und eine feste Geschwindigkeitsmessanlage nicht in Betracht komme“. „Was sollen wir machen?“, fragt sich Busch. „Es müssen wohl erst mehrere Kinder tot gefahren werden, bis sich hier was tut“, ist sein Resümee.