Eine Gloose von Rainer Burmeister
Eines vorweg: Ich halte nichts von Plakat-Zerstörung! Das ändert allerdings nichts daran, dass mich die Wahlwerbung nervt. Wenn ich auf der Hauptstraße in Rellingen, etwa in Höhe des Bäckerladens von einem Passanten gefragt werde, wo es zur Gemeindeverwaltung geht, sage ich gewöhnlich: Da gehen sie ein Stück geradeaus, dann sehen Sie links gegenüber schon das Rathaus.
Seit ein paar Wochen wären solche Navigationshinweise allerdings für die Katz: Denn der Blick in Richtung Rathaus ist versperrt von Wahlplakaten im Super-Poster-Format. Mein aktueller Tipp für Auswärtige würde lauten: Gehen Sie an der Freiheit in Person, Wolfgang Kubicki, FDP, vorbei. Danach passieren Sie mit Sicherheit und Stabilität Ole Schröder, CDU, bis Sie dann auf Angela Merkel, CDU, und Philipp Rösler, FDP, stoßen, die allerdings ein Plakat der Grünen zieren. Links dahinter liegt dann das Rathaus.
Rellingen ist nur ein Beispiel, ebenso wie dessen bekanntester Politiker Ole Schröder. Sein Kopf auf dem Großplakat ist vom Kinn bis zum sorgsam frisierten Haarschopf schon fast so hoch wie der ganze Ole im Original. Stellenweise ist Rellingen regelrecht zugeschrödert. Da stehen dann schon mal sechs kleinere Ole-Porträts auf einer Strecke von 62 Metern.
Ob das hilft? Der Glaube an die Wirkung von Wahlplakaten ist – trotz gegenteiliger Untersuchungen – unerschütterlich, wie es auch die etwas sparsamer verteilten Stellschilder mit dem Porträt von Ernst Dieter Rossmann, SPD, zeigen. Der Elmshorner Abgeordnete, frisch geföhnt und offenbar per Photoshop sommerlich coloriert, lächelt mir mit einem geradezu hypnotisierend wirkenden Blick entgegen. An einem Laternenpfahl in Pinneberg macht er plakativ sogar schon Große Koalition mit Ole Schröder. Rossmanns Name prangt so riesig auf dem Plakat, dass der platte SPDSlogan „Das Wir entscheidet“ kaum noch wahrzunehmen ist.
Bis wir entscheiden, sind es nur noch wenige Tage, liebe Wähler. Also durchhalten, auch wenn das Auge schmerzt angesichts der Inflation von Kandidaten-Plakaten. Ein Stoßseufzer in Abwandlung eines Zitats von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla sei erlaubt: „Ich kann eure freundlichen Gesichter nicht mehr sehen!“