Das Abendblatt testet in einer neuen Serie die Barrierefreiheit der Kommunen im Kreis Pinneberg. Im ersten Teil der Serie wird Elmshorn einer Probe unterzogen.
Elmshorn. Bordsteinkanten, Kopfsteinpflaster, unerreichbare Toiletten: Das Leben von Senioren und körperlich behinderten Menschen ist alles andere als frei von Hürden. Täglich müssen sich Senioren und Behinderte gleichermaßen durch Städte und Gemeinden bewegen und versuchen, sich mit den Problemen des Alltags zu arrangieren. Das Abendblatt schaut sich die Kommunen im Kreis Pinneberg an und zeigt ab sofort in loser Folge, welche Probleme dort bestehen. Den Auftakt macht Elmshorn.
"Es ist einfach kein Geld da, das ist das Hauptproblem beim Thema Barrierefreiheit", sagt Günter Allertseder. Der Vorsitzende des Seniorenrates in Elmshorn hat einige Ideen, wie das Leben in der Stadt verbessert werden könnte. Die Verwaltung sei für diese Ideen auch offen, doch die Kassen sind leer und die Kosten, um eine Stadt völlig barrierefrei zu gestalten, enorm. "Wenn wir Elmshorn anschauen, dann ist klar, dass eine vollständige Barrierefreiheit niemals finanziert werden kann. Teils ist sie auch wegen des Denkmalschutzes nicht möglich. Wir können Elmshorns Innenstadt nicht komplett umkrempeln. Was also getan werden muss, ist, mit der Stadtverwaltung und der Politik Kompromisse zu finden, um zumindest barrierearm zu werden", sagt der Vorsitzende.
Vieles sei schon gemacht worden, um Senioren und Behinderten das Leben in Elmshorn zu erleichtern. "Doch leider wurde teilweise nicht nachgedacht. Und das ärgert uns doch", sagt Allertseder. Denn so wie der Kommune sind auch dem Seniorenrat einige Probleme nicht aufgefallen, bevor bauliche Fehler begangen und die Situationen dadurch verschlimmbessert wurden. "Da müssen wir uns leider auch an die eigene Nase fassen", so Allertseder
Ein Blick in die Königstraße zeigt eines der Probleme in der Stadt. Die Verwaltung hat die Straße für teures Geld neu pflastern lassen, um eine optisch ansprechende Fußgängerzone zu haben. Die alten Waschbetonplatten wurden herausgerissen, polierte gelbe Ziegel dafür verlegt. "Das sieht natürlich toll aus und auf den ersten Blick auch ideal für Rollator-Nutzer. Aber was kaum einer ahnt, ist, dass diese Straße ein Problem für jeden Bürger mit einem Rollator ist", sagt Wilhelm Draak vom Seniorenrat. "Das Gefälle der Straße zu den Seiten hin ist zu hoch. Wer mit einem Rollator unterwegs ist, rutscht immer in die Mitte der Straße rein, er kann nicht gerade gehen", sagt Draak. Zudem sei das Pflaster viel zu glatt von seiner Struktur. Im Herbst und Winter werde die Fußgängerzone zu einer gefährlichen Rutschpartie. Immerhin, die Stadt habe aus dem Fehler gelernt und wolle diese Art Pflaster künftig nicht mehr verwenden.
Dennoch ist es nicht der einzige begangene Fehler. In der Jahnstraße hat die Stadt aus der wenig ansehnlichen Straße am Wasserturm ein Schmuckstück gemacht und den Boden mit hochwertigen Pflastersteinen gestaltet. "Das ist wieder so ein Fall. Optisch ist es toll, ein echter Hingucker. Aber in der Praxis ist die Straße für Behinderte und Senioren unbrauchbar geworden", urteilt Draak. Fahrräder, Rollstühle und Rollatoren bleiben in den Fugen zwischen den Steinen hängen. Ein ebener Weg? Fehlanzeige. "Das Beste ist der Parkplatz. Der ist mit großen Quadern markiert worden. Doch die machen es einem Rollstuhlfahrer fast unmöglich, ein- und auszusteigen. So werden auch Behindertenparkplätze nutzlos", sagt Allertseder.
Doch nicht nur die Straßenpflasterung ist ärgerlich, auch die Ampelschaltungen sind es. "Es gibt Straßen, bei denen die Grünphase recht knapp bemessen ist. Viele Rentner bekommen dann Angst, wenn die Ampel auf Rot umspringt und gehen wieder zurück. Das macht alles nur noch schlimmer", sagt Holger Weiss vom Seniorenrat. "Wir müssen da aufklären, den Menschen die Angst nehmen", sagt er. Denn die Dauer der Grünphase sei kaum zu ändern. Wenn, dann müsse dies auf Bundes- und Landesebene geschehen. "Uns sind da die Hände gebunden. Wir können die Betroffenen lediglich lehrend unterstützen, damit sie gar nicht erst in brenzlige Situationen geraten", sagt der Vorsitzende.
Ein noch schlimmeres Problem seien öffentliche Toiletten und Sitzbänke. Alte Menschen bräuchten mehr Sitzgelegenheiten. Im Idealfall, so Klaus Lindemann vom Seniorenrat, würden alle 500 Meter Sitzbänke in den Städten stehen. "Wir haben bereits viele bekommen, doch die meisten sind für Senioren wenig nützlich", sagt er. Der Grund: Die Bänke haben keine Rückenlehne, ausruhen sei so nicht möglich.
Beim Thema öffentliche Toiletten ist die Meinung klar: Elmshorn hat hier weitgehend versagt. Es gebe zwar öffentliche Toiletten, die seien aber zu rar, zu versteckt und teils falsch geplant worden. Beispiel Toilette am Markt: Dort ist in der Männertoilette nur ein Urinal vorhanden. Eine Sitztoilette gibt es nur in dem Raum für Behinderte - und der ist abgeschlossen. "Ein Rentner, der auf Toilette muss, ist hier aufgeschmissen", sagt Allertseder. Beispiel Schauenburger Straße. Dort sind neben dem Marktgebäude Toiletten eingerichtet. Optisch unsichtbar. Hinweisschilder gibt es in der Stadt nicht, und auch die Toilettentür verrät kaum den Weg zum WC. Zudem müssen vier Stufen erklommen werden. Eine Rampe für Rollstuhlnutzer gibt es nicht. "Das Kuriose ist, dass genau zwei Meter daneben, beim Eingang zum Marktgebäude, eine Rampe vorhanden ist. Warum also nicht auch gleich hier? Das ist unverständlich", sagt Allertseder.
Überhaupt müssten dringend mehr Toiletten gebaut werden. "Es ist nun mal so, dass ältere Menschen eher unter Inkontinenz leiden. Es gibt Senioren, die trauen sich deshalb schon gar nicht mehr raus, weil sie fürchten, den Weg zur Toilette nicht mehr zu schaffen", sagt Allertseder. "Das darf nicht sein"