Wie die Pinneberger Einrichtung einer zweifachen Mutter bei der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann half
Pinneberg . Flucht war der einzige Ausweg. Angst spielte am Ende keine Rolle mehr. Einzig die Rettung ihrer Kinder war wichtig. Helen Ikidi* brach aus dem Gefängnis aus, das sie einst ihr Zuhause nannte. Das Pinneberger Frauenhaus gewährte der aus Afrika stammenden Frau und ihren Kindern Zuflucht. So schaffte es die Mutter, aus der Gewalt ihres Ehemannes zu entkommen.
Mithilfe der Mitarbeiterinnen im Frauenhaus fand Helen Ikidi wieder Mut. Lebenskraft, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Ohne Hilfe wäre sie machtlos geblieben. Der psychischen, sexualisierten Gewalt ihres Mannes ausgeliefert. Doch Ikidi war bereit sich zu wehren und nun auch öffentlich darüber zu sprechen. Auch um gewalttätigen Männern zu zeigen: "Sie können mit Frauen nicht alles machen!"
Wenn man den Mund nicht auf mache, dann ändere sich nichts. Das habe sie gelernt, sagt Ikidi. "Jede Frau muss sich selbst vertrauen. Sie muss sich immer sagen, ich kann es schaffen." Zwölf Jahre hat sie selbst gebraucht, um dies festzustellen. Nach der Flucht aus Westafrika traf sie auf den Mann, der ihr später so viel Leid zufügen sollte. Nach der Geburt des ersten Kindes folgte die Hochzeit, fünf Jahre später wurde das zweite Kind geboren.
Mit dem Zusammenzug nach der Eheschließung begann der Albtraum. "Mein Mann wollte, dass ich alles mache. Er hat mich behandelt wie eine Sklavin", sagt Ikidi. Ihr Ehemann habe sich groß dargestellt, den Chef markiert. Gelebt hat die einst vierköpfige Familie in einer Zwei-Zimmer Wohnung. "Ständig kamen Freunde von ihm zu uns nach Hause, er hat immer alle eingeladen", erinnert sie sich. Für alle putzen, kochen und waschen, nur dafür war sie gut genug.
"Eines Tages kam er nach Hause, wollte Sex mit mir, aber ich wollte das nicht", berichtet Ikidi. Sie ließ es letztlich über sich ergehen. "Doch dann kam auch noch ein Bekannter ins Zimmer rein, machte das Licht an, guckte zu. An diesem Tag habe ich gedacht, was mache ich eigentlich hier." Unterstützung von der Familie bekam die Mutter nicht. Sie solle bei ihm bleiben, er sei schließlich ihr Ehemann, hieß es.
Silke Lechterbeck, langjährige Mitarbeiterin im Frauenhaus Pinneberg, kennt dieses Problem. " Frauen werden oft von den Familien überredet zu bleiben und es noch mal zu versuchen." Ihm sei doch nur einmal die Hand ausgerutscht oder "In jeder Ehe gibt's mal Krach" - das seien Aussagen, die sich die schutzlosen Frauen in ihrem sozialen Umfeld oft anhören müssten. "In guten wie in schlechten Zeiten heißt nicht, die Frau müsse die schlechten Zeiten aushalten, sondern dass der Mann sie unterstützt", sagt Lechterbeck.
Hilfe vom Jugendamt bekam die misshandelte Helen Ikidi ebenfalls nicht. Die Afrikanerin konnte zu jener Zeit nur wenig Deutsch sprechen, Hilfe zu finden sei schwierig für sie gewesen. So blieb sie bei ihrem Mann. Bei ihrem Peiniger, bei ihrem Feind. Doch die Situation verschlimmerte sich nur noch, ihr Mann wurde arbeitslos, herrschte über das wenige Geld. Er hatte sie in der Hand, übte Macht und Kontrolle aus.
Doch dann kam der Tag, an dem die Betroffene sagte: Vorbei! "Ich habe den Ring von der Hand genommen und Gott gesagt: ,Jetzt sind wir geschieden.'" Helen Ikidi holte sich Hilfe bei einem Familienberater. Er hatte die Lösung parat: das Frauenhaus. Der 21. Februar ist für sie seither der Tag der Befreiung. "Viele Frauen sind gar nicht informiert darüber, dass es diese Häuser und diese Hilfe gibt", sagt Silke Lechterbeck. Oft haben die Betroffenen auch ein völlig falsches Bild von der Einrichtung. Helen Ikidi kann das bestätigen. "Ich dachte immer, das Frauenhaus sei ein Gefängnis, aber das ist es nicht. Es ist ein Paradies für Frauen." Am Anfang habe auch sie Angst gehabt, aber mit der Zeit habe sie bemerkt, dass sie sich besser fühlte als zu Hause.
Gewalt, sagen Experten, beginnt, wenn das Opfer es als solche empfindet und nicht erst, wenn körperliche Misshandlungen ins Spiel kommen. "Auch alltägliche Demütigungen und Erniedrigungen machen Frauen kaputt", sagt Silke Lechterbeck. Der Täter übe eine Machtposition aus, gebe sich als Alleinherrscher über die Frau. "Es wäre schmerzhaft gewesen, Schläge abzubekommen, aber so ist es noch viel schlimmer", meint auch Helen Ikidi.
Frauenhäuser bieten zu jedem Zeitpunkt Hilfe an. "Am Anfang prüfen wir, ob die Frau überhaupt in Pinneberg sicher ist", sagt Lechterbeck. "Nach der Aufnahme wird geguckt, welche Verletzungen die Frau hat. Dann geht es darum, dass sie erst mal zur Ruhe kommen." Das Frauenhaus hilft den Betroffenen auch bei der Suche nach Arbeit und einer neuen Wohnung, bei Behördengängen, und dabei, den Kindern einen sicheren Schulbesuch zu gewährleisten. Starke Frauen, starke Taten. "Das Frauenhaus hat mir so viel Kraft gegeben. Dort hat man mir gezeigt, dass ich alles allein schaffen kann", sagt Helen Ikidi. "Ich habe so viel gelernt, ich weiß jetzt, dass ich auch ohne Mann zurechtkomme." Helen Ikidis hat ein Happy End, doch die Geschichten vieler anderer Frauen, die Gewalt ausgesetzt sind, haben ein offenes Ende.
* Name von der Redaktion geändert