An Moorreger Regionalschule gibt's Niederdeutsch als Leistungskursus. Hetlingen stellt Ortsschild op Platt auf. “Wir wollen zum Ausdruck bringen, dass die plattdeutsche Sprache hier noch eine Rolle spielt.“
Kreis Pinneberg . Totgesagte leben länger, heißt es. Beim Patienten Plattdeutsch scheint das zu stimmen. Denn es formiert sich eine immer breite Front von Anhängern der niederdeutschen Sprache. Auch im Kreis Pinneberg ist Niederdeutsch wieder auf dem Vormarsch. Ein sichtbares Bekenntnis zu den plattdeutschen Wurzeln steht beispielsweise seit kurzem in Hetlingen. Wer die Ortsgrenze der kleinen Gemeinde hinterm Elbdeich passiert, wird mit einem "Willkommen in Heteln" begrüßt. Bei der Ausfahrt seggt "Heteln" selbstverständlich "Tschüss".
"Wir wollen zum Ausdruck bringen, dass die plattdeutsche Sprache hier noch eine Rolle spielt. Sie wird hier noch gepflegt", erklärt Barbara Ostmeier (CDU), kürzlich wiedergewählte Bürgermeisterin von Hetlingen. Initiiert hat das plattdeutsche Begrüßungsprojekt, das die Gemeinde etwa 700 Euro kostete, der Plattdütsche Krink. Die Gruppe um Chefin Gerlinde Körner stellte den Antrag an die Gemeindevertretung. "Unser Vorbild waren Dörfer in Nordfriesland, die auf ihren Ortsschildern neben der hochdeutschen Bezeichnung auch den Namen op Platt darunter schreiben", berichtet Körner.
Klingt einfach, war es am Ende aber nicht. Aus rechtlichen Gründen einigte man sich auf die Begrüßungs- statt neue Ortsschilder. Und dann gab's da noch den Ärger um das zweite "e" in Heteln. Die richtige Schreibweise bereitete den Fachleuten ganz schön Kopfzerbrechen. Denn in alten niederdeutschen Schriftstücken findet sich auch der Begriff Hetln. Es wurden alte Hetlinger befragt und Heimatforscher bemüht, bis man sich auch auf die leichter aussprechbare Version einigte. "Hauptsache ist ja auch, dass die Leute wissen: Hier wird Platt gesprochen", sagt Körner.
Die 71 Jahre alte Hetlingerin ist in einem plattdeutschen Elternhaus groß geworden. So konnte sie die Sprache verstehen, den Mut sie auch fließend zu sprechen, fasste sie aber erst, als sie bei einer niederdeutschen Theatergruppe einstieg. Seitdem liebt und pflegt sie dat Plattdütsche. So unterrichtete sie Schulkinder, kämpft für plattdeutsche Straßennamen im Ort und engagiert sich in der Laienspielgruppe. "Das Plattdeutsche bedeutet für mich Heimat. Das verbinde ich mit meinen Eltern und Großeltern, meinem Zuhause", erklärt Körner.
Dass die Sprache auch bei der jüngeren Generation wieder im Kommen ist, zeigt ein Beispiel aus Moorrege. Dort steht Niederdeutsch seit kurzem auf dem Stundenplan. Freiwillig drückten im vergangenen Jahr 19 Jugendliche die örtliche Schulbank und bekamen am Ende auch Noten dafür. Die Idee dazu, einen Leistungskursus op Platt anzubieten, kam aus der Not heraus. In den Sommerferien 2012 ereilte Heidi Suckow der Hilferuf des Koordinators der Regionalschule Moorrege. Eine neue Kursusidee wurde dringend gebraucht. Die Lehrerin hatte sie.
Dass ihre Idee bei den Schülern so gut ankommen würde, damit hatte Suckow aber nicht gerechnet. Obwohl die Neuntklässler die Wahl zwischen anderen Kursen wie Darstellendes Spiel und Gesunde Lebensführung hatten, wählten so viele Schüler den Kursus "Rund um Platt", das noch umverteilt werden musste. Und die Teilnehmer machten Suckow von Anfang an deutlich, sie wollten die Sprache erlernen. Das enorme Interesse erklärt sich die Lehrerin auch mit der regelmäßigen Teilnahme der Schule am Vorlesewettbewerb "Schölers leest Platt". So kämen alle mit der Sprache in Berührung.
Die 59 Jahre alte Suckow ging selbst in Heist zur Schule. In ihrer Kindheit war es verpönt, Niederdeutsch zu sprechen. Heute beobachtet sie erfreut die Trendwende. Junge Kollegen belegen während ihres Studiums niederdeutsche Seminare, an vielen Hamburger Grundschulen wird Plattdeutsch unterrichtet und auch in Schleswig-Holstein werden derzeit explizit Stellen für Lehrer ausgeschrieben, die Niederdeutsch unterrichten sollen. Im Kreis Pinneberg gibt es an Schulen wie in Uetersen oder Haseldorf engagierte Lehrer und freiwillige Helfer, die in AGs und Unterrichtseinheiten die Sprache pflegen. "Sie bekommt wieder einen größeren Stellenwert", sagt Suckow.
Sie plant bereits eine Wiederauflage ihres Kurses. Diesmal möchte sie mit den Schülern unter anderem auch ein Youtube-Werbevideo fürs Plattdeutsche drehen.