Die Querelen auf dem Lebenshilfe-Hof in Appen verschärfen sich. Petra Heidorn kehrt dem integrativen Projekt, das die Lebenshilfe Pinneberg hier einst anschob, den Rücken.
Appen . Reiter verlassen scharenweise den Stall, wenn sie nicht schon vorher rausgeschmissen wurden. Auf dem Appener Schäferhof gärt seit Monaten ein Streit um die Neuausrichtung des integrativen Projektes, das die Lebenshilfe Pinneberg hier einst anschob. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichten die Querelen zwischen Einstellern und der Lebenshilfegeschäftsführung während einer Versammlung am Donnerstagabend. Etwa 70 Betroffene diskutierten mit Lebenshilfechef Michael Behrens und dem neuen Betriebsleiter Andreas Flynn über die angekündigten Veränderungen wie Preiserhöhung, Neuausrichtung und Kommunikation. Nach eineinhalb Stunden brach die Lebenshilfe-Geschäftsführung die Versammlung, auf der es turbulent zuging, ab. Die Fronten sind verhärtet.
Unter denen, die den Schäferhof verlassen werden, ist auch Petra Heidorn. Seit 23 Jahren bietet die Holmerin therapeutisches Reiten an. Sie war eine der ersten, die sich des Themas annahm und hat sich in der langen Zeit über die Grenzen Pinnebergs einen Namen gemacht. Therapeutisches Reiten und das Integrative Reitsportzentrum Appen, Petra Heidorn und der Schäferhof: Das gehörte für viele einfach zusammen.
Das sah auch die Lebenshilfe einst so. Zwei Jahre lang warb man um Heidorn, bis sie zusagte. Die Holmerin war beim Aufbau des Integrativen Sportzentrums in 2009 hautnah dabei, das heute bis zu 39 Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz bietet.
Am 1. August endet ihre Zeit auf dem Schäferhof. Sie verlässt notgedrungen mit ihren sieben Therapiepferden den Stall, weil sie die angekündigten Boxenmieterhöhungen nicht zahlen kann. Das Problem: Heidorn trifft die Umstrukturierungen doppelt. Sie bekam bislang eine Ermäßigung von etwa 100 Euro pro Box. Die soll ihr gestrichen werden. Zudem verkündete der neue Betriebschef Flynn, der auch die Pinneberger Lebenshilfewerkstatt Eichenkamp leitet, am Donnerstag weitere Boxenpreiserhöhungen von bis zu 60 Euro pro Monat für alle Einsteller. Zusätzlich werden Gebühren für Sonderleistungen erhoben.
Die Preiserhöhungen sind Teil eines Paketes, mit dem die Lebenshilfe versucht, den gemeinnützigen Betrieb aus den roten Zahlen zu bekommen. Laut Lebenshilfe-Geschäftsführung ist das Projekt von Beginn an ein Zuschussgeschäft. "Wir haben unsere Position am Donnerstag dargestellt. Es war klar, dass die Botschaft, dass wir Preise erhöhen müssen, nicht gut ankommt. Aber wir müssen die Wirtschaftlichkeit des Betriebes sicherstellen", erklärte Lebenshilfechef Michael Behrens auf Abendblatt-Nachfrage. Ihm liege das Wohl der dort arbeitenden Menschen mit Behinderung in erster Linie am Herzen. Den zahlreichen Kündigungen und leer stehenden Boxen hält er eine Warteliste von neuen Einstellern entgegen. "Ich glaube an den Erfolg des Weges, den wir jetzt gehen. Im Herbst ist der Stall wieder zu hundert Prozent ausgelastet."
Die Preiserhöhungen kann Heidorn wie viele der verärgerten Reiter in gewissem Maße nachvollziehen. Allerdings nicht, dass sie mit Kündigungen an langjährige Mieter einhergehen. Sie mussten Platz machen für neue, besser betuchte Reiter. "So geht man einfach nicht mit Menschen um. Ich konnte dieses Spiel nicht mitspielen. Ich hatte keine andere Chance, als zu gehen", sagt Heidorn, die ihren Job deshalb hinschmeißen wollte.
Doch dann gab es zumindest für sie ein Happy End. Durch die Zeitungsberichte erfuhr Lena Schröder von dem Ärger auf dem Schäferhof und von Heidorns Misere. "Ich hab mir gedacht, ich frag einfach mal, ob wir zusammenarbeiten wollen", sagt die ausgebildete Reittherapeutin. Heidorn wollte. Sie zieht zu Schröder in den Stall, dem Reit- und Therapiezentrum Linderhof Datum. Von September an gibt Heidorn dann in dem von Appen nur einige Kilometer entfernten Stall ihren Gruppenunterricht. Zudem stellt Schröder sie als Halbtagskraft ein. Nach 23 Jahren Selbstständigkeit trage sie so nicht mehr die Verantwortung. "Es ist perfekt", sagt Heidorn glücklich.
Sie hofft jetzt nur, dass sie ihre Gruppen behalten kann, die die Lebenshilfe-Kitas zu ihr schicken. Auf ihren sieben Therapiepferden unterrichtet sie bis zu 150 Kinder. Etwa 100 stammen aus den Lebenshilfe-Kitas in Appen und Wedel. Behrens erklärte dazu auf Nachfrage: "Ich habe Verständnis für ihre Entscheidung. Die Lebenshilfe wird sie weiterhin unterstützen."