Fliegendes Klassenzimmer Lehrer Matthias Gloy bietet Jugendlichen am Ludwig-Meyn-Gymnasium den Wahlpflichtkursus Luftfahrt und Physik an.
Uetersen/Heist. Der Fallschirm ist am Körper festgezurrt, die Sicherheitsgurte sind eingeklinkt, die Plexiglashaube geschlossen. Derartig stramm verpackt wartet Paul Söhngen auf dem Flugplatz Uetersen-Heist im Cockpit eines Segelflugzeugs auf den Start. Der 13-jährige Schüler ist nicht allein an Bord des zweisitzigen Gleiters. Vor ihm sitzt ein guter Bekannter: Matthias Gloy, 47. Der ist Lehrer am Uetersener Ludwig-Meyn-Gymnasium und außerdem Fluglehrer im Segelflug-Club Uetersen (SCU).
Eine ideale Kombination für den Wahlpflichtkursus Luftfahrt und Physik, den Gloy an der Schule leitet. Der Ausflug auf die Graspiste zu den Segelfliegern ist kein Freizeitspaß, sondern vergnüglicher und lehrreicher Höhepunkt im bisherigen Unterricht. Außer Paul nehmen 18 weitere Schüler des achten Jahrgangs am Wahlpflichtkursus teil, der über zwei Jahre läuft und mit den Sommerferien in die Halbzeitpause geht.
Matthias Gloy und seine Kameraden aus dem SCU, die einen weiteren Zweisitzer für die Rundflüge bereithalten, haben gut zu tun, um alle "Flug-Schüler" in die Luft zu bringen. Gestartet wird auf der 1100 Meter langen Grasbahn bei mäßigem Wind aus Nordost in Richtung Osten, Piste 09. Am Rumpf des Kunststoffflugzeugs wird das Zugseil eingeklinkt. Als die 220 PS starke Motorwinde am Ende der Startbahn das Drahtseil in Windeseile aufrollt, braucht das Segelflugzeug mit Paul und seinem Lehrer an Bord nur wenige Meter, bis es abhebt und steil wie ein Drachen an der 1500 Meter langen "Schnur" gen Himmel steigt. In 500 Meter Höhe wird das Zugseil automatisch ausgeklinkt, als das Flugzeug eine waagerechte Lage erreicht.
Jetzt beginnt abseits des Platzes das lautlose Gleiten und Steigen in thermischen Aufwinden. Die Wetterlage mit schönen Blumenkohlwolken, wie die Kumulus-Formationen von den Piloten genannt werden, ließe auch mehrstündige Flüge zu. Doch dafür ist angesichts des Schülerandrangs keine Zeit.
Nach gut zehn Minuten setzt Gloy den Zweisitzer vom Typ ASK sanft auf der Grasnarbe auf. Nach einer kurzen Ausrollstrecke kommt der Gleiter zum Stehen und legt sich auf die rechte Tragflächenseite. "Das war total lustig", kommentiert Paul seinen ersten Flug. Unterwegs hat der Passagier noch ganz lässig mit der Video-Kamera den "Aus-Flug" gefilmt.
Dass Segelfliegen mit viel Teamarbeit am Boden verbunden ist, erfahren die Schüler hautnah auf dem Flugplatzgelände. Nach der Landung muss der Zweisitzer mit vereinten Kräften zum Anfang der Piste zurückgerollt werden. Mit einem alten Pkw wird das Zugseil wieder in Position gezogen.
Auch beim Start halten Helfer die Flugmaschine an den Tragflächen waagerecht, bis die Zugkraft groß genug ist, um das Flugzeug beim Rollen stabil zu halten.
Der Flugtag war für die 19 Schüler die größte Attraktion im Kursus. Doch auch vorher gab es schon außer der Theorie der Flugtechnik und Aerodynamik eine Menge praktischen Unterricht. "Wir haben zunächst Bumerangs gebaut und später auch Modellflugzeuge", sagt Gloy. Sogar ein Windkanal steht den Kursusteilnehmern für Experimente in ihrem Wahlpflichtfach an der Schule zur Verfügung. Auch Gleitschirme im Modellformat konstruierten die jungen Luftfahrt-Enthusiasten schon.
An Themen für das zweite Jahr herrscht kein Mangel. Schließlich gehören auch Fachgebiete wie Meteorologie und Navigation zum Thema. Einen Besuch auf dem Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel mit fachkundiger Führung soll es auch noch geben. Gloy bedauert nur, dass sich keine Mädchen für den Wahlpflichtkursus angemeldet haben. "Dabei gibt es doch schon viele Frauen in Luftfahrtberufen."
Der Ausflug zu den Segelfliegern dürfte auch dem SCU wohl bald einige Nachwuchspiloten bescheren. Immerhin ist es schon ab 14 Jahren möglich, das Segelfliegen zu erlernen.