Country-Legende Gunter Gabriel gastiert am 8. April in Wedel. Auf seinem Hausboot spricht der 70-Jährige über alte Krisen und neue Erfolge
Hamburg/Wedel . Gunter Gabriels verstrubbelte Mähne ist schütter geworden. Die Höhen und Tiefen von sieben kompromisslos leidenschaftlich gelebten Jahrzehnten haben sich in den Furchen seines Gesichts eingegraben. Doch die blauen Augen der deutschen Country-Legende sprühen immer noch Funken. Und der Terminkalender war selten so prall gefüllt wie heute, mit 70. Seit seinem Album "Sohn aus dem Volk" von 2009 geht es für den Barden mit dem Rauhbein-Image wieder steil nach oben. Und in der Titelrolle des Musicals "Hello, I'm Johnny Cash" tourt er seit 2010 höchst erfolgreich über die Bühnen Europas. Die 800.000 Euro Schulden sind bezahlt, Zigaretten rührt der Ex-Kettenraucher seit drei Jahren nicht mehr an. Und Alkohol? "Gelegentlich trinke ich mal ein Glas Wein, das kommt schon noch vor." Aber von den üblen Abstürzen der 80er- und 90er-Jahre ist der viermal geschiedene Gabriel heute weit entfernt.
Zu seinen neuen Projekten gehört auch die Kirchentournee, die ihn mit dem Programm "A Tribute to Johnny Cash" am Montag, 8. April, auch nach Wedel führen wird. In der Schulauer Christuskirche wird er von 20 Uhr an eigene Hits wie "Hey Boss, ich brauch mehr Geld", Gospels und einige der ins Deutsche übertragenen Cash-Klassiker singen. Die Idee dazu sei von einigen Pastoren ausgegangen. "Ich habe schon oft was in Kirchen gemacht, auch im Hamburger Michel." Er sei aber weder gläubig, noch ein Prediger. "Ich bin Entertainer."
Zwischen Konzerten in Berlin und Interviewterminen mit Boulevardpresse und öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern ist er mit seiner Freundin Monica, 34, endlich mal wieder für ein Wochenende zu Hause, auf seinem Hausboot im Hamburger Hafen. Vor den niedrigen Fenstern wirbelt Märzschnee in nassen Flocken, drinnen bollert die Ölheizung. Auf dem massiven Tisch dampft Ente süß-sauer, die der frisch heimgekehrte Sänger auf die Schnelle vom China-Imbiss mitgebracht hat. Gabriel nimmt die Baseballkappe ab, stopft das Flanellhemd etwas tiefer in die Jeans und nimmt Platz in seinem Biotop. Seit mehr als zehn Jahren ist der Kahn sein Zuhause. Ein Sammelsurium aus Tourneeplakaten, Sprüchekarten mit "Elvis lebt"-Aufdruck und anderen Erinnerungsstücken eines runden halben Jahrhunderts auf der Bühne bedeckt die Wände. Auf dem Tisch liegt der neue Schirrmacher-Roman "Ego".
Die Szene wirkt eher wie die Wohnküche einer Studenten-WG als das Domizil eines 70-Jährigen. Gabriel wirkt gelassen, zeigt keine Spur von Hektik. "Ich hab' keinen Stress, ich nehm' es, wie es kommt", brummt er. Er habe sich auf das unstete Leben eingestellt. "Ich bin seit 1965 so unterwegs."
Das vielleicht wertvollste Stück der Sammlung hängt beinahe leger mittendrin. Eine goldene Schallplatte, die die 2003 verstorbene US-Countrylegende Cash für sein Album "Live in San Quentin" bekommen hatte. Cashs Sohn schenkte sie Gabriel zum 70. Geburtstag. "Ich habe meine Karriere Johnny Cash zu verdanken", sagt Gabriel. "Er ist ein Leuchtfeuer für mich." Gabriel hat viele Cash-Hits ins Deutsche übertragen und gesungen. Davon bekam der Amerikaner Wind und lud den "fucking German" ein ins Tonstudio. Die beiden wurden Freunde. "Ich bewundere an Cash seine Authentizität. Der kam wie ich von unten, hatte was übrig für Malocher und Unterprivilegierte." Und wenn den coolen Gabriel etwas umgehauen hat, dann waren es die Tränen seines Idols im Tonstudio. "Ich sang seinen melancholischen Song 'Give my heart to Rose' auf Deutsch. Er saß am Mischpult und weinte. Der große Johnny Cash. Da kannst du nicht mehr weiterspielen."
Gabriel verehrt auch Elvis Presley, Fats Domino, John Lennon. Doch es war Franz Schuberts romantische Weise "Am Brunnen vor dem Tore", die in Gabriel die Begeisterung für Musik weckte. "Das war in der Jugendherberge in Clausthal-Zellerfeld, ich war 13 Jahre alt." Damals hieß der im westfälischen Bünde geborene Sänger noch Günther Caspelherr. Seine Mutter starb, als er vier war. Sein Vater, ein Schrankenwärter, zog ihn auf. Mit 14 haute Gabriel ab, schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Später holte er das Fachabitur nach, brach das Maschinenbaustudium ab, wurde Songschreiber für Schlagersänger von Juliane Werding bis Peter Alexander.
Die Zeit als vagabundierender Teenager prägte seine pragmatische Lebenseinstellung. "Das hat mich unerschrocken gemacht." Und zupackend. "Wenn da ein Stein im Weg liegt, musst du ihn eben selbst aufheben. Dir selbst helfen", sagt er. So rappelte er sich auch aus seiner wohl tiefsten Lebenskrise wieder auf. Mitte der 80er-Jahre saß der einstige Multimillionär hoch verschuldet auf der Straße. "Ich hatte mich verspekuliert. Ich hab' einfach nicht aufgepasst", sagt er ohne Selbstmitleid. Ein Freund schenkte ihm einen Wohnwagen, damit er ein Dach über dem Kopf hatte. Gabriel gab nicht auf, tilgte seine Schulden schließlich mit einer unkonventionellen Aktion, der Wohnzimmertour. Als Gast der NDR-Talkshow bot er in der Sendung an, bei jedem Privatmann zu Hause zu spielen, für einen Tausender. Die Reaktion überwältigte ihn. "2000 Anrufe hatten wir am ersten Wochenende." Gabriel hielt Wort, arbeitete mehr als 1000 Anfragen ab. "Das war eine großartige Erfahrung, diese Nähe. Das waren tolle Momente."
Für diese Nehmerqualitäten ist Gabriel in der Öffentlichkeit häufig bekannter als für seine Musik. Das ärgert ihn. "Viele Leute sehen mich nicht als Sänger, sondern als jemand der aus der Scheiße rausgekommen ist." Doch das sei ihm nicht wichtig. "Ich will über meine Songs definiert werden."
Karten für das Konzert gibt es für jeweils 29 Euro im Vorverkauf im Wedeler Buchhaus Steyer, Bahnhofstraße 46, im Gemeindebüro der Christuskirche, Feldstasse 32-36 und im Globetrotter Reisebüro, Bahnhofstraße 63, sowie im Schenefelder Buchhaus Heymann, Kiebitzweg 2. An der Abendkasse kosten die Tickets 32 Euro.