ADAC und Jäger errichten einen “Duftzaun“ entlang der Landstraße zwischen Tangstedt und Quickborn

Tangstedt/Quickborn . Entlang der Tangstedter Straße stinkt es nach Bär oder Luchs. Oder auch, je nach individueller Wahrnehmung, nach tagelang getragenen Socken. Der unangenehme Geruch stammt nicht von echtem vierbeinigem Raubtieren oder unhygienischen Zweibeinern, sondern stammt aus der Dose. ADAC und heimische Jäger legen entlang der Überlandstrecke zwischen Tangstedt und Quickborn einen "Duftzaun" an. Die Maßnahme, die Teil einer bundesweiten, seit 2010 laufenden ADAC-Studie ist, soll dazu dienen, die Zahl der Wildunfälle zu reduzieren. Die künstlichen Duftstoffe halten Rehe und Hirsche nicht von der Straße fern, sorgen aber dafür, dass die Tiere die Fahrbahn aufmerksam und nicht blindlings überqueren.

"Bis zu 80 Prozent der Wildunfälle können verhindert werden, wenn alle mitmachen", sagt Experte Hermann Fedrowitz, Abteilungsleiter Verkehr und Technik beim ADAC. Im vorigen Jahr waren bei Zusammenstößen zwischen Tieren und Autos in Deutschland nicht nur mehr als 220 000 Rehe, Hirsche und Wildschweine, sondern auch 13 Autofahrer getötet worden. Mehr als 2800 Verletzte waren zu beklagen sowie mehr als 500 Millionen Euro an Sachschäden. Seit 1975 hat sich die Zahl der Wildunfälle mehr als verfünffacht.

In Schleswig-Holstein gab es laut ADAC im vergangenen Jahr 11 816 Wildunfälle, im ersten Halbjahr 2012 bereits 7946. Als besonders unfallträchtig gilt eine Strecke wie die zwischen Tangstedt und Quickborn, wo sich pro Jahr mehr als fünf Wildunfälle ereignen. Die Mitarbeiter der Verkehrsbehörde des Kreises und der Polizei, die am Projekt beteiligt sind, glauben, dass die Dunkelziffer viel höher ist. Dass also viele Wildunfälle gar nicht gemeldet werden. Kommen Füchse, Marder oder Hasen unter die Räder, fließt dies ohnehin nicht in die Polizeistatistik ein.

Der ADAC stellt den Jägern vor Ort die Grundausstattung zur Verfügung. Die Duftstoffe werden mittels Spritzpistolen auf Holzpfosten am Rand der Straßen aufgebracht. Später muss regelmäßig nachgesprüht werden. Dabei gilt, selbst nichts von dem Stinkezeug abzukriegen, wie Fedrowitz lachend sagte: "Das macht dann sehr einsam." Zum Einsatz kommt der Duftschaum vor allem dort, wo es bekannte Wildwechsel gibt. Das Wild soll von den Düften nach Bär oder Luchs (oder Socke) irritiert und dazu gebracht werden, am Fahrbahnrand zu verhoffen, wie es in der Fachsprache heißt. Dann hat der herannahende Autofahrer die Chance, Reh oder Hirsch rechtzeitig zu erkennen und notfalls anzuhalten.

Das klappt natürlich nur, wenn sich die Autofahrer in Gebieten, in denen Verkehrsschilder vor besonders gefährdeten Abschnitten warnen, an die elementaren Regeln halten. Dazu gehört, nicht schneller als 60 bis 70 Kilometer pro Stunde zu fahren, den Fahrbahnrand genau zu beobachten - und in Dämmerung und Dunkelheit mit Aufblendlicht zu fahren. Jedenfalls bis zum Augenblick, in dem ein Wildtier in den Lichtkegel gerät. Dann muss möglichst kontrolliert abgebremst, gehupt und vor allem abgeblendet werden, damit das Tier seitlich ausweichen kann. Kommt es doch zum Unfall, muss dieser unbedingt der Polizei gemeldet werden.

Nicht nur in Verkehrssicherheit haben die Jäger ein Interesse daran, die Zahl der Wildunfälle zu senken. "Bundesweit werden bis zu 28 Prozent der Rehwildstrecke auf der Straße erlegt", sagt Hans-Albrecht Hewicker, Vorsitzender der Kreisjägerschaft. Hinzu kämen unzählige Tiere, die bei Unfällen verletzt würden und elend an den Verletzungen verendeten.

Nicht nur für die Tiere hat ein Crash oft schreckliche Folgen. Der ADAC rechnet vor, dass ein Rehbock bei Tempo 60 mit einem Aufprallgewicht von 0,8 Tonnen gegen ein Auto stößt, ein Wildschwein sogar mit einem Aufprallgewicht von rund 3,5 Tonnen, was dem Lebendgewicht eines Nashorns entspricht. Jäger Hans-Albrecht Hewicker sagt: "Wer selbst schon einmal einen Wildunfall erlebt hat, der weiß: Das ist ein traumatisches Erlebnis."