Die Beratungsstellen in Quickborn und Tornesch unterstützen seit 2002 mit dem Projekt Kleine Riesen Kinder alkoholkranker Eltern.
Quickborn/Tornesch. Ein richtiges Jubiläum ist es noch nicht. Aber für ein Hilfsangebot einer Beratungsstelle sind zehn Jahre eine lange Zeit. Die ambulante und teilstationäre (ATS) Suchtberatung der Inneren Mission, die Beratungsstellen in Quickborn und Tornesch unterhält, kümmert sich seit 2002 gezielt um Kinder, deren Eltern suchtkrank, meist alkoholabhängig sind. "In dieser Zeit konnte 200 Kindern mit dem Projekt Kleine Riesen Beistand geleistet werden", sagt ATS-Leiter Hans-Jürgen Tecklenburg bei einer kleinen Geburtstagsfeier. Zurzeit würden etwa 25 Kinder betreut.
Das Problem sei lange unterschätzt und vernachlässigt worden, sagt Tecklenburg. Dabei seien es bundesweit gut 2,5 Millionen Kinder, die mit dem Suchtproblem ihrer Mütter und Väter oft allein gelassen und mit dieser Situation fertig werden müssten. "Sucht ist eine Familienkrankheit, die sich mit fortschreitendem Krankheitsverlauf zunehmend auf das Familienleben auswirkt.
Meist sind die Kinder durch die Suchterkrankung der Eltern stark belastet und in ihrem seelischen und emotionale Gleichgewicht beeinträchtigt", sagt der Suchtexperte. Zudem sei das Risiko sehr groß, dass diese Kinder später als Erwachsene selber suchtkrank werden.
Wie sehr sie darunter litt, dass ihre Mutter alkoholkrank war, erzählt Nina A., 22, die fast neun Jahre lang den Gesprächskreisen der Kleinen Riesen angehörte. Erst dort fand sie Halt in ihrem Leben. "Das Problem eskalierte, als meine Eltern auf die Philippinen auswanderten", sagt die junge Frau. Die Mutter, die offenbar nicht klar kam in der fremden Welt, in der sie niemanden kannte, trank immer mehr. "Es wurde richtig schlimm", sagte Nina A. Mit Mutter und Bruder kehrte sie zwar schnell wieder nach Deutschland zurück, musste dort aber in einer Pflegefamilie untergebracht werden, weil sich die Suchtkrankheit der Mutter drastisch verschlimmerte. Sie starb schließlich am Alkoholmissbrauch.
In dieser schwierigen Zeit seien die Gespräche mit der Suchtberaterin und den anderen Kindern, die auch darunter litten, sehr hilfreich gewesen, sagte Nina A. "Als Kind suchtkranker Eltern fühlt man sich sehr isoliert, vertraut sich keinem an, wagt niemanden deshalb anzusprechen." Weil die Sucht der Eltern nicht öffentlich werden darf und weiterhin ein großes Tabu in vielen Familien ist, seien die Kinder zum Schweigen verurteilt. "Da haben mir die wöchentliche Treffen mit den Kleinen Riesen Halt und Struktur gegeben", sagte Nina A., die jetzt Kommunikationsdesign in Hamburg studiert. Ihre Rolle als überfordertes Kind, dass für die Mutter zum Schnaps kaufen in den Supermarkt geschickt wurde, zu Hause aufräumen, sauber machen und das Essen kochen musste, thematisierte die Studentin gleich in einer Seminararbeit. Sie drehte einen Filmspot, der die Suchtkrankheit aus Sicht des Kindes zeigte.
Ein kurzes, aber beeindruckendes Werk, wie die Gästeschar in der ATS-Beratungsstelle in Quickborn fand, als der Streifen dort erstmals gezeigt wurde. Kreispräsident Burkhard E. Tiemann kündigte an, ihn vor der Haushaltsberatung den Kollegen im Kreistag zeigen zu wollen. Das solle deren Bereitschaft fördern, die finanziellen Mittel für die Suchtberatungsstelle weiter zu bewilligen. So könnte das Kleine Riesen-Projekt nur mit Unterstützung vom Kreis (35 000 Euro), den Städten Quickborn (10 000 Euro), Uetersen und Tornesch (jeweils 4900 Euro) sowie dem Kinderhilfswerk (2000 Euro) und anderer Spenden der Rotarier fortgesetzt werden.
"Quickborn leistet einen großen Anteil", sagte Erster Stadtrat Klaus H. Hensel. "In unserer Stadt gibt es kein Projekt, das so anerkannt ist wie die Suchtberatungsstelle."
Das hörte Pastor Rüdiger Gilde gern, Direktor des Landesvereins für Innere Mission, der in den Landkreisen Pinneberg, Segeberg, Ostholstein, Rendsburg-Eckernförde und der Stadt Neumünster Suchtberatungsstellen und Fachkliniken unterhält. 2500 Mitarbeiter beschäftige der Landesverein, der zur Nordkirche gehört, sagte Pastor Gilde. Allein in der Fachklinik Rickling mit ihren 282 Plätzen für suchtkranke Menschen arbeiteten 700 Menschen.
In Quickborn und Tornesch leiten die Sozialpädagoginnen Sina Jessen und Ronja Plew die Kleinen-Riesen-Gruppen. "Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin, den gefährlichen Suchtkreislauf zu beenden", erklärte Sina Jessen.
"Wir versuchen die Kinder zu stärken, indem wir mit ihnen mit Gesprächen und Rollenspielen Bewältigungsstrategien entwickeln, wie sie die Sucht ihrer Eltern überwinden können." Für 95 Prozent der Kinder konnte die Lebenssituation auf diese Weise entscheidend verbessert werden.