Beim Schleswig-Holstein Musikfestival tritt das mongolische Ensemble Egschiglen mit schillernden Klangwelten auf Gut Haseldorf auf.
Haseldorf. Das mongolische Ensemble Egschiglen holt den sphärischen Soundtrack der zentralasiatischen Steppe vermutlich in jeden Konzertsaal. Selbst wenn die vier Weltklasse-Virtuosen aus Ulan-Bator in Konzertfrack und weißer Fliege statt in folkloristischen Kostümen die Bühne des Haseldorfer Rinderstalls betreten hätten, hätten sie ihre 1000 Zuhörer im Handumdrehen in die menschenleeren Weiten ihrer Heimat entführt.
Und zwar mit dem ersten exotischen Oberton in typisch-mongolischer Khoomeii-Technik, den Sänger Amartuwshin Baasandorj durch seinen trainierten Kehlkopf gepresst hätte. Oder mit dem ersten Bogenstrich seines Kollegen Tumursaikhan Yanglav auf der zweiseitigen Pferdekopfgeige Moriin Khuur - oder den ersten Klöppelschlägen von Sarangerel Tserevsamba auf dem Yoochin, einer Art Kastenzither-Hackbrett.
Auch der deutsche Hochadel öffnete die Ohren für die fremden Töne. Begleitet von Gela Freiin von Lyncker, einer Cousine des Haseldorfer Festival-Gastgebers Udo Prinz von Schoenaich-Carolath, gehörte Franz Wilhelm Prinz von Preußen, ein in Madrid lebender Urenkel des letzten deutsche Kaisers Wilhelm II., zu den Zuhörern.
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In ihren Bearbeitungen traditioneller Nomadenlieder klingen die Naturgewalten auf, die die Perspektive des zentralasiatischen Volks zwischen schroffem Altai-Gebirge und karger Wüste Gobi prägen. Wie der Name der Gruppe klingt das für norddeutsche Ohren zwar zunächst etwas sperrig. Doch wer sich auf diese mystische, leicht spirituell anmutende Musik einlässt, den nimmt sie mit auf eine faszinierende Reise. Fließende Melodiebögen beschwören die Melancholie des harten Alltags unter freiem Himmel, treibende Rhythmen erzählen vom wilden Galopp, vom gemächlichen Passgang der Kamele, von Mut und Kraft eines uralten Reitervolks.
So, wie Khoomeii-Experte und Ober-Percussionist "Amra" Baasandorj sein zum Teil skurril anmutendes Geräuschimperium befehligte, klangen viele der traditionellen Weisen regelrecht nach tanzbarem Funk. Mit ihren Interpretationen von "Goovin Magtaal", "Nutgiin Zamd" oder "Uglee Shaazgai" rockten die Musiker bei ihrem ersten Gastspiel beim Schleswig-Holstein Musik Festival die Steppe und die norddeutsche Elbmarsch. Das war gelegentlich Lebenslust pur. Das ging durch die Ohren direkt in die Beine.
Dazwischen setzte Egschiglen, was sich ungefähr mit "Wohlklang" übersetzen lässt, leise, sehr zarte Akzente. Herausragendes Beispiel war das Wiegenlied "Minii Eeij". Ton für präzise gezupften Ton bescherte Zither-Expertin und Sängerin "Saran" Tserevsamba den Zuhörern innige Momente.
Wie feinfühlig die Kollegen an der wie eine Gambe zwischen den Knien gehaltene Pferdekopfgeige und dem dreisaitigen mongolischen Kontrabass Ih Khuur ihr charismatisches Spiel dabei umrahmten, belegte eindrucksvoll die hohe Professionalität des bestens eingespielten Ensembles.
Mehr als 20 Jahre lang lotet Egschiglen die Tiefen und Möglichkeiten der traditionellen Weisen bereits aus und erlangte mit seinen modernen Bearbeitungen weltweit Anerkennung. 1991 begründeten Meisterschüler des Konservatoriums der mongolischen Hauptstadt Ulan-Bator das Ensemble, das Mitte der 90er-Jahre im fränkischen Nürnberg eine neue Heimat fand.
Und so faszinierend die Klangwelten auch waren, die die vier "Steppenwölfe" plus anmutiger Tänzerin Ariunaa Tserendavaa und Moderatorin Taivan Chimeddoo knapp zwei Stunden lang unter den rohen Holzbalken entfaltet hatten - die meisten Sympathiepunkte beim Publikum und die meisten Lacher ernteten sie mit ihrer original-bayrischen Zugabe "Bäurin hat Katz' verlor'n".