Ein einstimmiges Votum der Quickborner Interessengemeinschaft: Die bestehende Bahnbenutzungsregel soll gerichtlich gekippt werden.
Quickborn/Hasloh. Jetzt wird's ernst. Nach jahrzehntelangem Einsatz für weniger Fluglärm und jahrelangem Hoffen auf eine Verhandlungslösung ist der Interessengemeinschaft (IG) Flugschneise Nord jetzt der Geduldsfaden gerissen. Die Organisation, die 300 Fluglärm-Gegner rund um Quickborn vereint, will jetzt gegen den Hamburger Senat klagen. Einstimmig beauftragten die 45 anwesenden Mitglieder am Donnerstagabend in der Quickborner Comeniusschule, den Vorstand, diese Klage vorzubereiten. Ihr Ziel ist es, die geltende Bahnbenutzungsregeln (BBR) des Hamburger Flughafens zu kippen, die aus ihrer Sicht einseitig die schleswig-holsteinischen Kommunen Quickborn, Hasloh, Norderstedt, Ellerau und Henstedt-Ulzburg benachteiligt. Jahr für Jahr wird fast die Hälfte aller Starts und Landungen von und nach Fuhlsbüttel über die nördliche Landebahn abgewickelt.
"Wir haben die Klage zwei Jahre zurückgehalten und auf die Verhandlungen zwischen Kiel und Hamburg gesetzt", sagt Eberhard von Lany. "Aber wie lange wollen wir noch verhandeln? Wir fühlen uns mittlerweile an der Nase herumgeführt." Bei seinem Amtsantritt 1999 hieß es, es müssten dicke Bretter gebohrt werden, sagte von Lany. "Aber offenbar ist der Bohrer kaputt, sonst müsste doch nach zwölf Jahren Bohren endlich mal ein Loch im Brett sein."
Die Fluglärm-Gegner setzen nun die juristische Bohrmaschine an und wollen vor dem Hamburger Verwaltungsgericht klagen. Ihr Bohrfutter liefert der renommierte Verwaltungsrechtler Wilhelm Mecklenburg aus Pinneberg, der gerade für die vorzeitige Neuwahl des Landtages in Schleswig-Holstein sorgte und die Gegner der Westumgehung in Pinneberg vertritt. Er sagt: "Die Klage macht Sinn." Bereits 2008 hatte Mecklenburg in einem 70-seitigen Rechtsgutachten nachgewiesen, das die praktizierte BBR nicht mehr gültig sei. Dies soll jetzt gerichtlich bestätigt werden. Zwei weitere juristische Stellungnahmen, die die Stadtverwaltung Quickborn eingeholt hat, bestätigen diese Rechtsauffassung.
Und auch Hamburg nimmt die bevorstehende juristische Auseinandersetzung sehr ernst. Bereits 2009, kurz nachdem die Klageschrift von Mecklenburg vorlag, hat Hamburg bei der Deutschen Flugsicherung eine neue Regelung für die Flugrouten angemeldet, um gewappnet zu sein, falls die Fluglärm-Gegner vor Gericht Recht bekommen sollten. Zudem bestätigt eine Sprecherin der Behörde für Wirtschaft und Verkehr Mecklenburg in einem Schreiben, dass diese nach der Klageandrohung 2009 vorsorglich eine "interne Stellungnahme erarbeitet (habe), in dem die Fragen zur Rechtmäßigkeit der BBR erörtert wurden." Mecklenburg dürfe diese Expertise aber nicht einsehen.
Von Lany hatte noch mal das Vorgehen der IG seit 2008 nachgezeichnet. Danach suchten die Fluglärmgegner lange den Verhandlungsweg, schalteten das Verkehrsministerium Kiel als Vermittlerin ein und formulierten vor genau zwei Jahren einen Neun-Punkte-Plan, den alle fünf betroffenen Kommunen unterzeichneten. Kernforderung ist die Begrenzung auf höchstens 60 000 Flüge pro Jahr in Richtung Norden (2010: 67 397) und 35 Prozent aller Flugbewegungen (2010: 44 Prozent).
Enttäuscht sind die IG-Mitstreiter von Bürgermeister Thomas Köppl. Dieser habe ihr Anliegen immer wieder torpediert, zuletzt indem er auf die Gremien Quickborns sowie auf Norderstedt und Ellerau eingewirkt habe, diese Klage nicht finanziell zu unterstützen. Aber mit 14 000 Euro ist die Kriegskasse der IG prall gefüllt. Die Gemeindevertreterin Elisabeth von Bressensdorf (CDU) aus Henstedt-Ulzburg kündigte an, dass ihre Gemeinde mit Sicherheit die Klage mitfinanzieren werde.
Köppl argumentiert, dass die Klage das Risiko berge, dass am Ende eine neue Regelung herauskommen könnte, die noch schlechter für Quickborn sei. Eine Auffassung, die von seinen Fluglärm-geplagten Bürgern, die im Durchschnitt jeden Tag 185 Flugzeuge über ihre Dächer rauschen hören, nicht geteilt wird. Mecklenburg will keine Vorhersage wagen, wie der juristische Streit ausgeht. "Aber dass es so extrem bleibt wie jetzt, dass eine Startbahn praktisch unbenutzt ist, halte ich doch für sehr unwahrscheinlich."