Im Kreis Pinneberg gibt es immer mehr offene Ausbildungsstellen und mehr Lehrverträge. Der Geheimtipp ist dabei Azubi für Lagerlogistik.
Kreis Pinneberg. Wie sich die Zeiten ändern: Waren es noch vor wenigen Jahren junge Leute, die Hände ringend Ausbildungsplätze gesucht haben, so sind es dank demografischen Wandels und schwindender Kompetenzen die Unternehmen im Kreis Pinneberg, die immer intensiver auf der Jagd nach potenziellen Auszubildenden sind. Indiz dafür sind die Zahlen der Agentur für Arbeit. Während seit Oktober 354 Ausbildungsstellen mit Beginn Herbst 2011 gemeldet wurden, waren es ein Jahr zuvor noch 50 weniger gewesen - der Wettbewerb der Unternehmen um Auszubildende wird stärker.
"In einigen Berufen wird es zunehmend schwerer, die Ausbildungsstellen zu besetzen", sagte Gerold Melson, Sprecher der Agentur für Arbeit in Elmshorn. Dazu gehören Lebensmitteleinzelhandel, Friseurhandwerk, Hotel- und Gaststättengewerbe, Baumschulen und Gärtnereien. Die Fachkraft für Lagerlogistik ist noch ein Geheimtipp. Die Beschäftigungschancen nach der Ausbildung sind in diesen Berufen sehr gut.
Das bestätigen Firmensprecher. Bettina Heinemann, Personalverantwortliche beim Wedeler Technologieunternehmen Evac: "Wir suchen Fachkräfte für Lagerwirtschaft. Das ist schwierig, weil das häufige Vorurteil, das sei ein Hiwi-Job, einfach nicht stimmt." Man müsse fit in EDV und Logistik sein. Auch Mechatroniker-Stellen sind frei. Das gilt beispielsweise für Kfz-Betriebe wie das Autohaus Biesterfeldt und Schmidt. Personalleiterin Manuela Klein sucht ebenfalls junge Leute, die Mechatroniker, Lagerlogistiker oder Automobilkaufleute werden wollen. "Die Auswahl ist dünn", sagte Manuela Klein, "das Niveau der Fähigkeiten ist teilweise unzureichend."
Darüber klagt Karsten Krause, Chef der K+R Raumausstattung, extrem. "Wir haben einen dramatischen Rückgang der Bewerber. Während es vor einigen Jahren noch 100 Bewerbungen und mehr gab, hatten wir jetzt keine 20." K+R sucht angehende Bodenleger. Die Kompetenzen der Bewerber seien zum Teil katastrophal. "Wir suchen unter den Blinden die Einäugigen", so Krause. Bittere Worte, die dadurch entstehen, dass selbst Realschüler nicht einmal die Fläche eines quadratischen Zimmers ausrechnen, nicht wussten, was drei Prozent von 300 sind oder unfallfrei einen Satz in Deutsch schreiben können. Krause: "Wenn wir sehen, dass unsere Auszubildenden aus der Kurve zu fliegen drohen, schicken wir sie zu Lehrgängen bei der IHK oder der VHS."
Harry Zimmermann, Ausbildungsberater der Industrie- und Handelskammer in Elmshorn, bestätigt die Aussagen der Chefs. Unter den Bewerbern gebe es nicht nur viele, die mit "grottenschlechten Schulleistungen" auf dem Arbeitsmarkt suchen, sondern einigen jungen Leuten fehle auch "soziale Kompetenz" wie rechtzeitiges Erscheinen zu Terminen, ordentlicher Umgang. Deshalb ist der Ausbildungsberater froh, dass Firmen bereit sind, jungen Menschen eine Chance zu geben, die sie früher ungefragt aussortiert hätten.
Landesweit meldet die IHK, dass bis Ende Juni 6761 Lehrverträge für die Bereiche Industrie, Handel und Dienstleistungen eingetragen worden sind. IHK-Sprecher Michael Legband: "Das bedeutet eine kräftige Steigerung um 517 Verträge oder 8,3 Prozent."
Andreas Leicht, Präsident der IHK Kiel, verweist darauf, dass gute soziale Kompetenzen für eine erfolgreiche Ausbildung mittlerweile wichtiger seien als die Noten in Schulzeugnissen. Der Elmshorner Bäckermeister Horst Millahn wählt nach diesem Prinzip schon lange Bewerber aus - und bekam dafür Lob von der Arbeitsagentur. Ähnlich wie Millahn setzt der Elmshorner Süßwarenproduzent Wiebold auf firmeninterne Fortbildung. Das spricht sich herum und die Nachfrage bleibt groß. Firmensprecherin Sandra Kieselbach: "Alle Lehrstellen im Produktion- und kaufmännischen Bereich sowie in der Marketing- und Grafikabteilung konnten bislang besetzt werden." Der Schlüssel ins Unternehmen findet sich oft, so wie es die Berufsberater empfehlen, beim Praktikum im Betrieb.