Insolvenzverwalter lässt nach Dioxinskandal in Uetersen produzieren, aber nur für die technische Industrie
Uetersen. Die insolvente Harles und Jentzsch GmbH aus Uetersen, die als Auslöser des bundesweiten Dioxin-Skandals gilt, kann ihren Betrieb vorläufig fortführen. Das kündigte Donnerstag Insolvenzverwalter Heiko Fialski an. Außerdem teilte der Hamburger Rechtsanwalt mit, dass die Firma sowohl über eine Betriebshaftpflichtversicherung verfügt als auch eine Zusatzversicherung abgeschlossen hat.
Wie berichtet, waren Futterfette des Uetersener Unternehmens sowie seines Tochterbetriebes in Bösel (Niedersachsen), die für die Nahrungsmittelproduktion bestimmt waren, zum Teil erheblich mit Dioxin verunreinigt. Daraufhin waren landwirtschaftliche Betriebe in mehreren Bundesländern gesperrt worden, es folgten mit einem Riesenaufwand Untersuchungen. In Einzelfällen kann der Tierbestand von Betrieben nicht mehr verwendet werden. Der Schaden geht in die Millionen. Die Privathaftpflicht des Unternehmens deckt Personen- und Sachschaden bis zu zwei Millionen Euro sowie Vermögensschäden bis zu 100 000 Euro ab. Die Zusatzversicherung, die über die Mitgliedschaft im Deutschen Verband Tiernahrung besteht, hat ein Volumen bis zu 25 Millionen Euro.
Erst 30 mögliche Geschädigte haben Ansprüche angemeldet
Wie Fialski, der am 13. Januar vom Amtsgericht Pinneberg als vorläufiger Insolvenzverwalter berufen wurde, mitteilte, haben sich erst 30 potenziell Geschädigte beim Unternehmen gemeldet und Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Der Höhe nach seien diese nicht beziffert. An der späteren Verteilung der Insolvenzmasse können laut Fialski nur Forderungen berücksichtigt werden, die schriftlich bei Harles und Jentzsch angemeldet werden.
Den Gläubigern stünden sämtliche Vermögensmittel des Betriebes zu - auch etwaige Regressansprüche gegenüber den Gesellschaftern sowie Geschäftsführer Siegfried Sievert. Wie berichtet, ermittelt die Staatsanwalt Itzehoe gegen Sievert sowie weitere Personen wegen des Verdachts des Betruges, der Steuerhinterziehung und des Verstoßes gegen das Lebens- und Futtermittelgesetz. "Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Ermittlungsgruppe beim Landeskriminalamt laufen auf Hochtouren", sagt Oberstaatsanwalt Ralph Döpper. Allerdings, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, dauere die Auswertung der beschlagnahmten Geschäftsunterlagen der vergangenen fünf Jahre viel Zeit. "Wir hangeln uns quasi von Karton zu Karton." Bis zum Abschluss der Ermittlungen würden viele Wochen vergehen. Aktuell bestehe lediglich ein Anfangsverdacht.
Auch der Kieler Landtag hat sich gestern mit dem Dioxin-Skandal befasst. Dabei gab Landwirtschaftsministerin Juliane Rumpf bekannt, dass 111 Futterfettproben der Firma Harles und Jentzsch aus der Zeit ab dem 11. November 2010 untersucht worden sind. In 65 Fällen wurde der Dioxin-Grenzwert von 0,75 Nanogramm unter-, in 46 Fällen aber überschritten. Der höchste Wert betrug 62,07 Nanogramm. Die Proben stammen sowohl aus Uetersen als auch aus Bösel. Sieben Proben aus der Zeit vor dem 11. November zeigen, dass die Ware aus Bösel nicht zu beanstanden war. Bei sechs Proben aus Uetersen wurden geringe Überschreitungen nachgewiesen.
Agentur für Arbeit zahlt bis März für die 16 Beschäftigten Insolvenzgeld
Mit Futterfetten zu handeln, ist der Firma untersagt. Den Verkauf von Fetten und -säuren für die technische Verwendung und die Produktion von Natronseife will der Insolvenzverwalter fortführen, da Mittel vorhanden sind. Warenvorräte, die für die Futtermittelherstellung gedacht waren, können im technischen Bereich verwendet werden. Zu Harles und Jentzsch gehören elf Mitarbeiter, hinzukommen fünf einer ebenfalls insolventen Tochterfirma. Sie werden bis Ende März von der Agentur für Arbeit bezahlt - und zumindest so lange geht der Betrieb weiter.