Ärztliche Versorgung bei weniger als 400€ im Monat ist unmöglich. Die Initiative “Menschen helfen Menschen“ greift ein, um dies zu ermöglichen.

Wedel. 41,40 Euro. Für viele ist das ein Betrag, den sie schnell mal ausgegeben haben. Etwa für einen Restaurant- oder Kinobesuch oder beim Shoppen. Für Bedürftige hingegen ist es ein unbezahlbarer Jahresbeitrag von dem ihre ärztliche Versorgung abhängt.

Das ist ein Resultat aus der Gesundheitsreform von 2004. Normalerweise sind im Quartal für einen Arztbesuch zehn Euro Praxisgebühr fällig. Ein Vermögen für Menschen, die von zu kleiner Rente, Hartz IV, oder der Grundsicherung leben. Abhilfe soll die Freistellungsbescheinigung mit dem Mindestbeitrag von 41,40 Euro schaffen. Sobald die Belastungsgrenze von zwei Prozent – bei chronisch Kranken ein Prozent – des Jahreseinkommen überschritten wird, übernimmt die Krankenkasse die restlichen Kosten. Der Mindestbeitrag von 41,40 Euro muss aus eigener Tasche bezahlt werden. Aus einer sehr kleinen Tasche. Die Menschen leben von weniger als 400 Euro im Monat. Da wird genau überlegt, ob ein Arztbesuch unbedingt notwendig ist.

Doch bei diesen Kosten bleibt es nicht. Bestimmte Zusatzkosten zahlen die Krankenkassen auch nicht mehr. Es geht hier um eine Reihe von Zuzahlungen zum Beispiel für Medikamente, Kosten für Brillen, Zahnarzt- und Augenarztleistungen oder Hörgeräte. Für Bedürftige ist es eine Entscheidung zwischen ihrem täglich Brot oder der notwendigen ärztlichen Versorgung. Oft wird sich für ersteres entschieden.

Diese Not sahen vor sechs Jahren Ingeborg Dehn (63) und Ursula Kissig (73) und gründeten die Initiative „Menschen helfen Menschen“ in Wedel. Zustande kam die Idee bei einem Glas Wein und dem Gespräch über die neue Gesundheitsreform. Sie dachten daran, dass es doch für Menschen mit geringen Einkommen schrecklich sein müsste, die neuen Gebühren zu bezahlen und dass es für diejenigen einen Topf geben müsse. „Also mussten wir einen schaffen!“, erzählte Ingeborg Dehn.

Die Hilfe erfolgt auf dem schnellsten und so unbürokratischsten Weg wie möglich. Ingeborg Dehn vergleicht die Hilfesuchenden mit denen, die zur Kleiderkammer kämen. Dort werde auch nicht überprüft, ob sie die Kleider wirklich bräuchten. Wer dorthin komme, habe die erste Schwellenangst überwunden und bekomme die benötigten Sachen. Bei „Menschen helfen Menschen“ sei das ähnlich. Meistens werden die Betroffenen durch ortsansässige Beratungsstellen an die Initiative weitergeleitet oder bekämen die Grundsicherung, weshalb eine genaue Überprüfung nicht notwenig sei. Andernfalls werde zum Beispiel der Rentenbescheid überprüft, aber nicht, ob entfernte Verwandte noch Geld besäßen.

„Ich sehe die Betroffenen menschlich“, sagte Jutta Kross (63) Pflegedienstleiterin und Anlaufstelle für Hilfsbedürftige des DRK. Eine teure Brille werde nicht erstattet, ein bisschen mehr Geld für Lebensmittel sei jedoch möglich. Bevor Jutta Kross in den Spendentopf greift, probiert sie mit den Betroffenen, Hilfe bei der Krankenkasse zu bekommen. Wenn das nicht funktioniert, übernimmt die Initiative „Menschen helfen Menschen“ die jeweiligen Kosten. In 321 Fällen konnte die Initiative bereits helfen und hat 37.000 Euro seit der Gründung 2004 ausgegeben.

Seit 2009 ist nun der pensionierte Siegfried M. Knauthe (77) ehrenamtlich für die Initiative unterwegs, um Spenden zu sammeln. Zuerst versuchte er es durch Briefe, doch die landeten wohl im Mülleimer. Firmen würden mit Spendenbitten überhäuft werden, weshalb ihnen dies nicht zu verübeln sei. Besser liefe es durch Kontakte oder wenn Siegfried M. Knauthe persönlich anfragt. Die Spender und Sponsoren wissen oft nicht, dass solche Nöte existierten und freuen sich, dass die Initiative bestehe.

Besonders will „Menschen helfen Menschen“ die Altersarmut bekämpfen. Es besteht eine hohe Dunkelziffer, da Altersarmut im Verborgenen stattfinde. „Gerade für Betroffene der Nachkriegsgeneration, der Generation, die aktiv im Wiederaufbau mitgeholfen hat, die über 70jährigen, sei es eine Schande, um Hilfe zu bitten“, sagte Ingeborg Dehn. Die Betroffenen will die Initiative finden und ihnen helfen. Dabei ist sie unbedingt auf die Hilfe der Bürger angewiesen, um zum einen die Betroffenen zu finden und zum anderem eine finanzielle Basis zu schaffen.

Auf die Spendenbereitschaft ist „Menschen helfen Menschen“ besonders angewiesen. Ohne das Mitgefühl der Mitmenschen und der Spenden könnte die Initiative trotz ehrenamtlicher Mitarbeit nicht bestehen. „In vielen Fällen haben wir uns als Institution „Letzte Rettung“ entwickelt“, so Ingeborg Dehn.