Die Landesregierung will, dass die Kommunen für Gastschul-Abkommen zahlen. Doch viele von ihnen weigern sich, das Geld zu überweisen.
Kreis Pinneberg. Die Kommunen im Kreis Pinneberg gehen auf die Barrikaden. Der Grund ist das Gastschulabkommen zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg, das am 1. Januar 2011 erneuert wurde. Demnach muss das nördlichste Bundesland 12,4 Millionen Euro für das vergangene Jahr an die Hansestadt zahlen. Das Land bittet nun die Kommunen zur Kasse. Die sollen für jeden ihrer Schüler, der in Hamburg zur Schule geht, tief in die Tasche greifen. Doch im Gegenzug bekommen sie für Hamburger Schüler die zum Beispiel in Rellingen, Halstenbek oder Pinneberg am Unterricht teilnehmen, gar nichts.
"Solange sich das nicht ändert, werden wir nicht bezahlen", sagt Halstenbeks Bürgermeisterin Linda Hoß-Rickmann. 41 969 Euro soll sie für die Halstenbeker Kinder zahlen. "Umgekehrt möchte ich dann aber auch für die 46 Kinder aus Hamburg, die unsere Schulen besuchen, 39 452 Euro bekommen."
+++ So reagieren andere Orte aus dem Hamburger Umland +++
Mit dieser Forderung steht sie nicht allein. Auch ihre Kolleginnen aus Schenefeld und Rellingen boykottieren das Abkommen zwischen Kiel und Hamburg. Quid pro quo findet Christiane Küchenhof. "Für Schenefeld würde der Differenzbetrag bei 33 000 Euro liegen", sagt sie. Solange die 39 000 Euro, die aus Hamburg kämen, nicht angerechnet werden, beträgt die Rechnung immerhin 72 110 Euro. Eine Summe, die Christiane Küchenhof nicht bereit ist zu begleichen.
Von Rellingen hätte Kiel gern 48 131 Euro für 53 Rellinger Kinder, die in Hamburg unterrichtet werden. Bürgermeisterin Anja Radtke macht die Gegenrechnung auf. Sie fordert 15 238 Euro für elf Kinder, die die Landesgrenze gen Norden überschreiten.
Das Gefühl, Kiel habe sich über den Tisch ziehen lassen, haben auch andere. Peter Liske, Bürgermeister aus Bönningstedt, findet es "ungeheuerlich, dass solche Verträge zulasten der Kommunen ausgehandelt werden." Er unterstützt eine Resolution der Kommunen am Hamburger Rand, die eine Überarbeitung des Abkommens fordern, obwohl derzeit kein Schüler aus Bönningstedt in Hamburg unterrichtet wird. Auch aus Wedel wird kein Geld fließen. 52 000 Euro müsste Wedel bezahlen für 54 Kinder an Hamburger Schulen. Für die neun Hamburger Jungen und Mädchen, die in der Rolandstadt lernen, könnten 10 000 Euro gegen gerechnet werden. Pinneberg hätte 25 746 Euro zu zahlen und könnte 14 524 Euro fordern. Bisher hat die Stadt noch nichts gezahlt. Tornesch und Barmstedt sind vom Gastschulabkommen derzeit nicht betroffen.
Die Grünen haben einen Vorschlag zur Änderung des Schulgesetzes in den Landtag eingebracht. Das Parlament stimmt zwischen dem 22. und 24. Februar darüber ab. Die Aussichten stehen allerdings nicht gut. CDU und FDP hatten im Finanz- und Bildungsausschuss bereits empfohlen, den Antrag abzulehnen. Dieser sollte den Kommunen, die Kinder aus Hamburg beschulen, finanziell entschädigen. Die SPD hatte sich enthalten.
+++ Die Kosten sollen abgewälzt werden +++
Ines Strehlau, Landtagskandidatin für den Kreis Pinneberg, ist empört. "Wer für seine Kinder zahlt, wenn sie auswärts eine Schule besuchen, muss im Gegenzug Schulgeld für Gastschüler erhalten", sagte die Grünen-Politikerin aus Halstenbek. "Zurzeit zahlen die Kommunen drauf. Das unausgewogene Ausgleichsprinzip kostet die Kommunen im Hamburger Rand rund 350 000 Euro jährlich." Auch Christdemokratin Natalina Boenigk plädierte während eines Besuchs im Halstenbeker Rathaus für ein "lebensnahes Gesamtkonzept". Man müsse aufzeigen, in welchen anderen Bereichen Hamburg von Schleswig-Holstein profitiere. Auch SPD-Politiker Kai Vogel prangerte die Zahlungen an: "Das Abkommen ist völlig unsinnig."
Das findet auch der Städteverband Schleswig-Holstein. Er hat dem Bildungsministerium vorgeschlagen, für die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens die Erstattungen ruhen zu lassen. Bildungsminister Ekkehard Klug, FDP, hat den Vorschlag bisher abgelehnt. "Wir halten dieses Vorgehen nicht für sachgerecht", sagt Marc Ziertmann, stellvertretender Geschäftsführer des Städteverbandes. Er und seine Kollegen haben sich nun an die bildungspolitischen Sprecher der Fraktionen gewandt, um eine Lösung im Interesse der zahlungspflichtigen Gemeinden zu erreichen.
Nicht alle Kommunen halten das Geld zurück. Uetersen hat für fünf Schüler 2889 Euro an Kiel beglichen. "Wir wollen nicht, dass die Schüler Schwierigkeiten bekommen", sagt Rathausmitarbeiterin Anja Stange. Den Anspruch für den einen Schüler aus Hamburg hat die Rosenstadt allerdings geltend gemacht. Quickborn hat nur einen Teil der Rechnung bezahlt. "Wir haben die Differenz zurückgestellt", sagt Burkhart Arndt, Fachbereichsleiter Bildung. Statt der geforderten 18 000 Euro wurden nur 12 200 Euro beglichen.