Gefängnis, Größenwahn, Offenbarungseid - der Mann kam mit dem Ruhm nicht zurecht. Heute soll er Profi-Pokerspieler sein.

Wedel/Moskau. Er wollte ein bisschen Frieden ins "Reich des Bösen" bringen. Am Montag vor 20 Jahren, am 28. Mai 1987, landete der Wedeler Mathias Rust mit seiner Cessna auf dem Roten Platz in Moskau - und wurde berühmt. Heute ist sein Ruhm verblasst, was folgte, ist ein tiefer Sturz.

Von Uetersen über Island und Finnland bis ins Herz des russischen Reiches war der damals 19-jährige Amateurflieger gelangt, unbemerkt vom russischen Radar. 30 Meter vor der Kreml-Mauer stoppte er nach der Landung die Maschine, stieg aus - und wurde wenig später abgeführt. Liebe und Frieden habe er bringen wollen, verkündete Rust schlagzeilenträchtig vor Gericht. Das Urteil: vier Jahre Arbeitslager.

Nach 432 Tagen in einer normalen Haftanstalt kam der Wedeler frei - und kassierte angeblich eine Million Mark für die exklusive Geschichte. Er kaufte einen Mercedes 280 SE, wohnte weiter bei den Eltern in Wedel - und geriet in Vergessenheit. Bis er als Zivildienstleistender im Krankenhaus in Rissen einer Schwesternschülerin niederstach, die einen Kuss verweigerte. Die wurde lebensgefährlich verletzt, Rust kassierte zweieinhalb Jahre Haft wegen versuchten Totschlags.

Im Verfahren bescheinigte ein Psychologe dem Wedeler "Größenfantasien" und eine "narzisstische Persönlichkeitsstörung". Noch vor der Haft in der JVA Neumünster heiratete der Wedeler eine Polin. Die Ehe scheiterte - wie später so vieles. Rust versuchte, Möbel und Schuhe in Moskau zu verkaufen. Zurück in Wedel, musste er vor dem Amtsgericht Pinneberg einen Offenbarungseid leisten, weil er Prozesschulden nicht zahlen konnte. Mehrere Gerichtsverhandlungen folgten. Mal hatte der Kreml-Flieger einen Kaschmir-Pullover gestohlen, mal Möbel bestellt und nicht bezahlt, mal blieb er die Wohnungsmiete schuldig, mal wartete eine Umzugsfirma vergeblich auf ihr Geld.

Auch eine zweite Ehe mit der Tochter eines angeblich reichen indischen Tee-Händlers ist inzwischen passe. Und die Konfliktlösungsagentur "Orion and Isis" ("Lassen Sie uns Ihre neuen Flügel sein, die Sie zur Quelle des Friedens tragen"), die Rust angeblich unter der Beteiligung von mehreren Friedensnobelpreisträgern und verdienten Wissenschaftlern im Internet betrieb, ist abgeschaltet.

Während seine Eltern weiter abgeschieden in seiner Heimatstadt leben, fristet Mathias Rust sein Dasein angeblich als professioneller Pokerspieler. Das verriet er vor kurzem der Bild-Zeitung - und will auch seine Pilotenlizenz wiedererworben haben. Beweise dafür gibt es nicht. Rust - einstiger Überflieger, jetzt im ständigem Sinkflug. . .