Orientierungsstufe: Neue Vorschriften sollen dem Wohl der Kinder dienen.

Kreis Pinneberg. Geänderte Vorschriften beim Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen Schleswig-Holsteins stoßen bei den Lehrkräften im Kreis Pinneberg auf ein unterschiedliches Echo. Es geht um die seit August wirksame Neufassung der "Landesverordnung über die Orientierungsstufe". Damit sind die Wahlmöglichkeiten der Eltern bei der Entscheidung für den Wechsel auf Hauptschule, Realschule oder Gymnasium eingeschränkt worden. Ziel sei es, so Schulrat Michael Doppke (53), die Verteilung der Kinder auf die Schularten "passiger" zu machen. Ob das den Eltern passen wird, bleibt abzuwarten. Denn die meisten wurden über die neuen Spielregeln noch nicht informiert. Dies dürfte erst in den kommenden Monaten bei Elternabenden geschehen, bevor Ende Januar 3107 Viertklässler im Kreis Pinneberg ihre Halbjahres-Zeugnisse und die Schulempfehlung erhalten werden. Der wesentliche Unterschied: Während die Empfehlung der Schulart bisher unverbindlich war und nicht beachtet werden musste, ist künftig eine Abweichung über zwei Stufen nicht mehr zulässig. Ein Schüler mit Hauptschulempfehlung darf also nicht auf ein Gymnasium eingeschult werden. Auch der umgekehrte Weg, der in der Praxis kaum eintreten dürfte, ist unzulässig. Doch auch die einstufige Abweichung wird erschwert. Wer trotz Hauptschulempfehlung sein Kind zur Realschule schicken will oder den Sprössling mit der Realschulempfehlung partout zum Gymnasiasten machen möchte, kommt um eine Beratung nicht herum. Das Beratungsgespräch muss in der empfohlenen Schulart stattfinden, um die Eltern von den Vorzügen dieser Bildungseinrichtung und anschließenden Weiterbildungsmöglichkeiten zu informieren. Doppke geht davon aus, dass meistens die Schulleiter damit betraut sein werden und dies bei einer intensiven Beratung zu beträchtlichem zusätzlichen Zeitaufwand führen wird. Allerdings: Sobald die Beratung bescheinigt worden ist, steht es den Eltern frei, ihr Kind auf die jeweils nächst höhere oder niedrigere Schulstufe zu schicken. Das läuft ähnlich wie beim Schwangerschaftsabbruch: Nach Vorlage des Beratungsscheins kann die Abtreibung vorgenommen werden. Eine weitere Einschränkung: In der Orientierungsstufe ist ein Schulartwechsel nur noch zum Schuljahresende möglich. Hildegard Vink, Leiterin der Förderschule im Rellinger Schulzentrum Egenbüttel, befürchtet, dass die Einschränkungen eine Prozesswelle auslösen könnten. Das sieht ihre Kollegin Barbara Burton von der Halstenbeker Grundschule Bickbargen ähnlich. Schulrat Doppke räumt ein, dass die juristischen Folgen eines Verbots der zweistufigen Abweichung von der Empfehlung noch nicht geklärt sind. Der Schulrat betont jedoch, dass mehr als 90 Prozent der Empfehlungen zutreffend sind und dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Doppke warnt vor dem überzogenen Ehrgeiz mancher Eltern und verweist auf die vielfältigen Möglichkeiten bei entsprechender Eignung später noch einen qualifizierteren Schulabschluss zu erreichen. Karsten Schneegaß, Leiter des kreiseigenen Wolfgang-Borchert Gymnasiums in Halstenbek, begrüßt die Neuregelung. Er rechnet nicht damit, dass es zu umfangreichen rechtlichen Auseinandersetzungen kommen wird. Bisher habe es nur sehr wenige Fälle gegeben, in denen Kinder mit Hauptschulempfehlung im Gymnasium eingeschult worden seien.