Weil die Geschäftsleute über Umsatzeinbußen klagen, öffnet die Stadt den Ramskamp trotz andauernder Bauarbeiten - und verwirrt die Autofahrer.
Elmshorn. Uwe Forsthoff macht den Einweiser. "Bis 14 Uhr dürfen Sie in dieser Richtung durch die Baustelle fahren, danach nicht mehr", ruft er der älteren Autofahrerin zu. Die lässt das Seitenfenster auf der Fahrerseite hoch und fährt langsam weiter. Wenige Minuten später stoppt das nächste Fahrzeug neben dem Straßenbauingenieur in Diensten der Stadt Elmshorn. Diesmal sitzt eine Familie im Auto, das in Nordrhein-Westfalen zugelassen ist. Der Familienvater am Steuer ist verunsichert - und stellt die gleiche Frage wie die ältere Dame kurz zuvor.
Ortstermin am Ramskamp, in Elmshorns nervigster Baustelle. Seit Mitte März war das Teilstück zwischen dem Kreisverkehr bei Kibek und der Futterhaus-Zentrale wegen Sanierungsarbeiten gesperrt. "Die Straße ist in den 80er-Jahren für weniger Verkehr konzipiert worden und war aufgrund der starken Beanspruchung in einem Teilbereich abgesackt", sagt Forsthoff. Daher habe die Fahrbahn inklusive des Unterbaus erneuert werden müssen.
Seit Freitag ist dieser Bereich der Haupteinfallstraße trotz noch andauernder Bauarbeiten wieder offen - allerdings als Einbahnstraße zu wechselnden Zeiten: Von 22 Uhr abends bis 14 Uhr nachmittags kann der stadtauswärts in Richtung der A 23 fließende Verkehr das Nadelöhr passieren, von 14.10 bis 22 Uhr geht es in die andere Richtung. "Diese Regelung ist ein Novum für Elmshorn. Wir müssen jetzt sehen, ob das funktioniert", gibt Forsthoff unumwunden zu.
Zunächst hatte die Stadt andere Zeiten vorgesehen. Nachts sollte der Bereich dann komplett gesperrt werden - und am Wochenende nur in eine Richtung befahrbar sein. "Das konnte sich keiner merken. Deswegen haben wir die Regelung jetzt vereinfacht", sagt der Straßenbauingenieur. Die Erfahrungen der ersten drei Tage zeigen: Viele Autofahrer sind trotzdem verunsichert - und wissen nicht genau, ob sie durchfahren dürfen oder nicht. Unfälle hat es laut der Polizei in den ersten drei Tagen aber nicht gegeben.
"Die Autofahrer müssen sich da reintasten", sagt der Stadtangestellte. Die größten Probleme gibt es in Höhe des Dienstleistungszentrums: Dort prangt das Verkehrzeichen Einfahrt verboten - und darunter das wesentlich kleinere Schild mit den Zeiten, in denen die Einfahrt trotzdem erlaubt ist. Eine Kombination, die verwirrt.
Auf der anderen Seite, beim Kreisverkehr, ist die Situation wesentlich einfacher. Dort wird die Ausfahrt des Kreisverkehrs in den Ramskamp mit Absperrbaken dicht gemacht. Zwischen 14.10 und 22 Uhr, wenn für diese Seite die Durchfahrt durch die Baustelle gestattet ist, werden die Baken entfernt. Diese Prozedur übernehmen Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes. Sie müssen zudem dafür sorgen, dass in zwei Firmenzufahrten, die in der Baustelle liegen, die jeweils richtige Beschilderung steht, damit der von dort abfließende Verkehr nicht die falsche Fahrtrichtung nimmt.
"Sollten sich doch einmal zwei Fahrzeuge begegnen, ist das nicht so schlimm", sagt Forsthoff. Der Straßenbauingenieur verweist darauf, dass beide Fahrspuren fertiggestellt sind. Daher sei genügend Platz auch für einen Begegnungsverkehr vorhanden.
Eine komplette Freigabe der Trasse sei nicht möglich, weil noch der Fußweg sowie die Stellplätze am Fahrbahnrand hergerichtet werden müssen. Es finden also weiterhin Bauarbeiten statt, Materialien werden angeliefert, Baufahrzeuge blockieren teilweise eine Spur. "Wir haben die ersten 280 Meter Straße geschafft", sagt Gerhard Clement, Polier der SAW Bau GmbH. Er weist darauf hin, dass die Arbeiter mit dem ersten Abschnitt vier Wochen früher fertig geworden sind als geplant - und dass sie bereits 80 Meter weiter sind als vorgesehen. Sobald der Fußweg und die Parkflächen am Fahrbahnrand fertig sind, werden die Arbeiter sich in Richtung der Zufahrt zur Ernst-Abbé-Straße vorarbeiten. "Wir werden den Fahrbahnbelag abfräsen, die Autos könne da weiter rüberfahren", sagt Clement. Ende Juni kommt der Kreuzungsbereich Ernst-Abbé-Straße/Ramskamp an die Reihe. Clement: "Das muss in den Ferien passieren, damit der Betrieb der nahegelegenen Schule nicht behindert wird." Ab Beginn der Sommerferien, wenn die Bauarbeiten wieder intensiviert werden, ist vermutlich eine erneute Änderung der Verkehrsregelung notwendig.
Bis dahin hoffen die am Ramskamp ansässigen Geschäftsleute, dass dank der neuen, wechselseitigen Einbahnstraße der Umsatz wieder steigt. Sie haben sich massiv für diese Regelung eingesetzt. "Wir leben vom Durchgangsverkehr. Mit Beginn der Sperrung war das Geschäft wie abgeschnitten", sagt Patrick Henning, Inhaber der Vinothek am Grauen Esel.
Er beziffert seinen Umsatzverlust auf "fast 50 Prozent". Noch schlimmer, sei Henning, habe es seiner Kenntnis die nahegelegene HEM-Tankstelle getroffen. Dort will man jedoch auf Abendblatt-Anfrage nicht über die angefallenen Verluste reden.
Ulf Kremer, Chef der Kremer-Glissmann Eisenwarenniederlassung am Ramskamp, ist dagegen gesprächiger. "Selbst wir merken, dass Frequenz fehlt." Zum Glück, so Kremer, komme der größte Teil der Kunden aus dem gewerblichen Bereich. "Die haben uns die Treue gehalten." Der Firmenchef beklagt jedoch, dass seine Lkw-Fahrer wegen der Sperrung Umwege fahren mussten, um die Niederlassung zu erreichen. "Das hat viel Zeit gekostet und die Spritkosten sind auch gestiegen."
Auch am Nahversorgungszentrum am Franzosenhof, wo Großanbieter wie Marktkauf, Kibek, Roller und Obi residieren, sind die Umsätze gesunken. Seit der Ramskamp-Sperrung war dieser Bereich nur noch über die Wittenberger Straße erreichbar - und auf den Zu- und Abfahrten zum Gelände brach der Verkehr teilweise zusammen. Während die Vertreter der Großkonzerne über Einbußen nicht reden wollen, nehmen die kleinen Geschäftsleute kein Blatt vor den Mund.
"Wir leben von Laufkundschaft und haben 50 Prozent Verlust", sagen Jaster und Marina Gurr, die im Eingangsbereich des Marktkauf-Marktes das Blumengeschäft "Flower Power" betreiben. Zu ihren Kunden würden etwa viele Eltern der Leibnizschule gehören, die ihre Kinder zum Unterricht bringen und nach Schulende abholen. "Die kamen seit der Sperrung nicht mehr. Extra für einen Blumenstrauß nimmt niemand den Umweg in Kauf."
Ingo Pass, der bei Marktkauf den PM Service betreibt und Schlüsselanfertigungen, Batteriewechsel für Uhren und einen Paketservice anbietet, beziffert seinen Verlust auf 20 Prozent. "Die Kunden, die morgens auf dem Weg zur Arbeit oder abends nach Feierabend vorbeigekommen sind, sind weggeblieben", klagt er. Die Mietkosten jedoch seien gleich geblieben. "Ich hoffe nur, dass es jetzt besser wird", so der Geschäftsmann weiter.