Produzenten wehren sich gegen “unehrliche Vorwürfe“ von Naturschützern und Jägern . EU schuld am Preisdruck

Kreis Pinneberg. Einst galten sie als ein Königsweg hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung - doch geraten sie zunehmend auch in die Kritik. Biogasanlagen sind wegen des Flächenverbrauchs für nachwachsende Rohstoffe bei Naturschützern, Jägern und sogar Landwirten nicht mehr unumstritten. Im Kreis Pinneberg gibt es sieben Anlagen. Eine von ihnen gehört der "Bio Energie Rellingen GmbH" und die wiederum Stefan Kruse sowie Christian und Thorsten Karp. Die drei Freunde stehen zu dieser Technik und wehren sich gegen Vorwürfe.

Seitdem die Anlage am Kirchenstieg auf dem Kruse-Hof im Jahr 2009 in Betrieb genommen wurde, stinkt es in Rellingen weniger. Thorsten Karp erklärt. "Die Gülle von den rund 300 Kühen des Hofes wurde bis dahin auf die Felder verteilt. Jetzt bildet sie 30 Prozent des Grundstoffes für die Biogasanlage." Bakterienkulturen fressen die stinkenden Ammoniakverbindungen und wandeln sie in energiereiches Gas um. Die Rückstände der Anlage werden zwar auch noch als Dünger ausgebracht, der jedoch nicht mehr penetrant in den Nasen sticht.

Thorsten Karp ist Bauingenieur, technisch interessiert und war deshalb mit dabei, als sein Bruder Christian und Stefan Kruse, beides Landwirte, die Bioenergie-Idee hatten. Eine Million Euro wurde in die beiden 1500 Kubikmeter fassenden Gärbehälter, das Gaskraftwerk und dazugehörige Technik investiert. "Die Anlage hat ein Leistungsvermögen von 190 Kilowatt elektrisch. Pro Jahr werden etwa 1,5 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt." Das reicht für rund 300 Einfamilienhäuser. "Im Verhältnis zu Fotovoltaikanlagen mit 190 Kilowatt Peak ist die Energieausbeute zehn Mal so hoch."

Nicht nur der Strom wird ins Netz eingespeist, sondern zudem die Abwärme aus dem Kraftwerk genutzt. Mit ihr wird die Milch in der hofeigenen Meierei pasteurisiert, das Haus beheizt sowie drei zusätzliche Gebäude in der Nachbarschaft. In der nächsten Zeit sollen drei weitere Häuser angeschlossen werden. Zu der nahe liegenden Idee, ein Gewächshaus für Tomaten und dergleichen mit der Abwärme zu betreiben, sagte Karp: "Das ist ein weiteres Geschäftsfeld mit erheblichem Aufwand. Das rechnet sich nicht."

Zusätzlich zur Gülle muss weitere Biomasse in die Fermentbecken geschüttet werden, damit die bakteriellen Helfer genug Nahrung haben. "Benötigt werden zwölf Tonnen pro Tag", erzählt Karp. Wichtig seien eine einheitliche Futterqualität und gleichmäßige Fütterungen, da die Bakterien auf Schwanklungen sensibel reagieren. Bei den Pflanzen allerdings gibt es eine große Auswahl. Mais wird komplett mit Stiel, Blättern und Frucht gehäckselt und verfüttert - übrigens ist das genau das gleiche Futtergut, das auch den Kühen schmeckt. Graspflanzensilage und gehäckseltes Getreide stehen ebenfalls auf dem Speiseplan der lebendigen Gasproduzenten.

Der Ertrag von 70 Hektar ist in etwa notwendig, um die Anlage am Laufen zu halten. Hier setzt die Kritik von Jägern und Naturschutzbund Nabu an. Die Jäger beklagen Mais-Monokulturen, die insbesondere zur Vermehrung der Wildschweine stark beigetragen haben. Der Nabu-Bundesverband wendet ein: "Allein der Anbau von Energiemais ist innerhalb von sechs Jahren von 70 000 Hektar auf weit über 600 000 Hektar gestiegen und hat drastische Auswirkungen auf das Landschaftsbild und den Naturhaushalt."

Was die Vielfalt an Pflanzen in der Natur, die Biodiversität, angeht, achte man auch auf Alternativen. Karp: "Mit Maisanbau kennen sich die meisten Landwirte am besten aus, deshalb steht er oft im Vordergrund. Aber auch Zuckerhirse und die "Durchwachsene Silphie", eine aus den USA stammende asternartige Blume, werden mehr und mehr verwandt.

Unter dem Schlagwort "Teller statt Tankstelle" fordern soziale Gruppen weltweit, die Flächen besser für den Anbau von Lebensmitteln zu nutzen. Thorsten Karp sagt dagegen: "Vor einigen Jahren hatte die Bundesregierung das Ziel ausgegeben, zehn Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen stillzulegen, um die Nahrungsmittelpreise zu stabilisieren. Jetzt werden gerade mal vier Prozent für Energiepflanzen verwandt."

Die Diskussion sei "unehrlich". Der Getreidepreis sei seit den 50er-Jahren fast nicht gestiegen. "Und so lange die Europäische Union immer noch den Export von Lebensmitteln subventioniert und die Märkte in Afrika kaputt macht, weil die Bauern ihre Produkte dann nicht absetzen können, habe ich kein Verständnis, dass die Energieerzeugung aus Biomasse beklagt wird." Karp berichtete, dass sogar Lieferanten aus der Elbmarsch ihr Korn anbieten. "Im vorigen Jahr hat man einem Landwirt für Futtergetreide neun Euro pro Doppelzentner geboten. Wir haben zehn Euro zahlen können, weil wir mit Mähdreschern selbst geerntet haben", so Karp. Allerdings seien derart entfernte Anbaugebiete eher die Ausnahme. Solche langen Transportstrecken widersprechen dem Umweltschutzgedanken.

Karp räumte mit einem weiteren (Vor-)Urteil auf: "Millionär kann man mit so einer Anlage nicht werden. Ohne meinen Job und die Erträge des Milchviehs kämen wir nicht klar."