Kreis Pinneberg behält zwei Schulpsychologen. Der Bedarf ist aber viel höher, sagen die Experten
Kreis Pinneberg. Die Schüler und Eltern können aufatmen. Der Kreis Pinneberg verliert nun doch nicht wie zunächst befürchtet eine von zwei Planstellen des schulpsychologischen Dienstes. Am Dienstag stellte Wiebke Wallrodt vom Bildungsministerium in Kiel, das die Fachaufsicht besitzt, mit Susanna Bettmann die zweite Schulpsychologin neben Marlen Bartels für alle 96 Schulen mit 33 000 Schülern für den Kreis Pinneberg vor. Das sei auch dringend notwendig gewesen, sagt Reinhard Mischke, Leiter des Elsenseegymnasiums in Quickborn. "Der schulpsychologische Dienst ist schon jetzt überlastet. Für eine Person allein wäre diese Aufgabe gar nicht zu bewältigen. Da wäre eine Kürzung völlig falsch gewesen."
Dabei ist der Kreis Pinneberg noch relativ gut ausgestattet. Neben Rendsburg-Eckernförde ist er der einzige Kreis in Schleswig-Holstein, für den das Land zwei Schulpsychologen finanziert. Aber das Verhältnis - ein Schulpsychologe für 16 500 Schüler - ist bundesweit Schlusslicht, stellt Marlen Bartels fest. In Hamburg seien gerade 50 neue Planstellen für Schulpsychologen eingerichtet worden. Dort liege das Verhältnis jetzt bei 1:5000, sagt sie. Das sei neben Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen bundesweit Spitze. Auch wenn dies im internationalen Vergleich noch weit übertroffen wird: In Moskau liege dieses Verhältnis bei 1:500, so Marlen Bartels. Und in St. Petersburg habe jede Schule sogar einen eigenen Schulpsychologen.
Das wünschte sich Bernd Poepping auch hierzulande. Der Rektor der Grund- und Gemeinschaftsschule in Barmstedt mit fast 1000 Schülern sagt: "Die zwei Planstellen sind zu wenig." Die Wartezeiten für Eltern, die ein Beratungsgespräch wünschen, betrage bis zu einem halben Jahr. "Aber wir brauchen sofort Hilfe, wenn ein Schüler auffällig geworden ist." Zumindest eine dezentralere Betreuung sei notwendig, damit die Beratung ortsnaher geschehen könnte und keine weiten Anfahrtswege zusätzliche Hürden darstellen.
Diese Aufgabe sei aber in erster Linie für Lehrer und Schüler gedacht, betont Wiebke Wallrodt. "Die erhalten Express-Service." Heißt: ein Termin innerhalb von ein bis zwei Wochen. 350 Beratungsfälle kommen jährlich zusammen, berichtet Marlen Bartels. "Der Bedarf steigt ständig." Immerhin leisten sich Elmshorn und Schenefeld noch eigene Schulpsychologen. Wobei Elmshorn die Stelle zum Frühjahr 2012 gekündigt hat. Und mit 56 Schulsozialarbeitern, die der Kreis bezahlt, "sind wir landesweit Spitzenreiter", sagt Landrat Oliver Stolz. "Da üben wir eine Vorbildfunktion aus."
Vor allem zunehmende Probleme mit den Schülern sind es, die den Lehrern zu schaffen machen. Schulleiter Poepping bringt es auf den Punkt. "Es ist ein gesellschaftliches Problem. Die Verhältnisse in den Familien, die Erziehung und das Wertesystem haben sich radikal verändert." Es gebe immer mehr Patchworkfamilien und Kinder, die von einem Elternteil erzogen werden. Diese würden zu Hause teilweise verhätschelt, ihnen keine Grenzen mehr aufgezeigt, so Poepping. "Wenn diese kleinen Prinzen sich dann in der Schule an Regeln halten müssen, knallt es."
Das führe zu Schulstress bei Lehrern und Schülern, was sich in krankhaften Symptomen ausdrücken kann, weiß Susanna Bettmann. Burnout, Depression, Stress. Ein Schulpsychologe könne da entscheidende Hilfestellung geben. "Wir sind gut in der Diagnostik und wissen schnell, wo der Schuh drückt", sagt die neue Schulpsychologin, die fünf Jahre Erfahrung im schulpsychologischen Dienst aus Rendsburg mitbringt. Mit Rollenspielen, Gesprächs- und Ergotherapie würde den Schülern, Lehrern und Eltern geholfen. In manchen Fällen reichte es aus, die Betroffenen an die richtigen Beratungsstellen weiter zu leiten, die ahnungslosen Eltern auf die Probleme aufmerksam zu machen oder im Konfliktfall als Moderator oder Supervisor zu vermitteln. "Unsere Erfolgsquote ist sehr hoch", versichert Marlen Bartels. "Alle kommen freiwillig zu uns und wollen, dass es besser wird."