Aktion unterstreicht Forderungen nach mehr Gehalt und besseren Arbeitsbedingungen
Kreis Pinneberg. Die sonst in Arztpraxen und Kliniken üblichen Wartezeiten entfielen. Am Freitag drängten 30 Mediziner vor der Pinneberger Drostei den Passanten ihre Dienste regelrecht auf - und behandelten sogar kostenlos! "Wir wollten darauf hinweisen, dass wir regelmäßig umsonst tätig werden müssen", so Dr. Gebhard Becks, Sprecher der streikenden Klinikärzte.
Er ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie am Klinikum Elmshorn - und seit Montag im Ausstand. Was Anfang der Woche mit Arbeitsniederlegungen in den Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (alles Elmshorn) sowie in Pinneberg in den Bereichen Innere Medizin und Neurologie begann, hat sich Freitag auf weitere Abteilungen ausgeweitet. So schlossen sich im Klinikum Elmshorn auch die Ärzte der Inneren Medizin, der Chirurgie, der Anästhesie und der Gynäkologie dem Streikaufruf des Marburger Bundes an.
Einige Mediziner kamen gegen Mittag in die Pinneberger Fußgängerzone, wo sie Blutdruckmessungen und Lungenfunktionstests anboten, auf Wunsch auch den Alkoholpegel manches Spaziergängers ermittelten oder dessen neurologische Reflexe einer Prüfung unterzogen. Auch einige gut gemeinte ärztliche Ratschläge hatten die Damen und Herren im weißen Kittel parat, die nebenbei Handzettel verteilten, um über den Streik zu informieren.
Bei den meisten Passanten stießen die Mediziner auf Verständnis. Wie etwa bei Hans-Werner und Ingrid Pein aus Hemdingen. "Wir können das nachvollziehen. Unsere eine Tochter ist Krankenschwester, die andere Altenpflegerin. Die müssen immer mehr leisten und bekommen immer weniger."
Die Bezahlung ist auch bei den streikenden Ärzten an kommunalen Krankenhäusern einer der zentralen Punkte. So fordert der Marburger Bund eine Gehaltserhöhung für die Mediziner von fünf Prozent mit einer Laufzeit von drei Jahren. "Das Geld ist aber nur ein Punkt", sagt Dr. Becks. Er wie auch seine Kollegen fordern deutliche Verbesserungen bei den Nacht- und Wochenenddiensten. Diese werden meist als Bereitschaftszeiten angerechnet und daher lediglich teilweise vergütet.
Jedoch hätten die Mediziner inzwischen nachts mehr zu tun als tagsüber. "Dass wir nachts schlafen und nur für Notfälle geweckt werden, ist schon lange nicht mehr an der Tagesordnung", so der Krankenhausarzt. So würden immer mehr Routineaufgaben wie das Schreiben von Arztberichten oder das Fortführen von Krankenakten, für die tagsüber keine Zeit mehr bleibt, in die Abend- und Nachstunden verlagert.
"Bundesweit sind an den kommunalen Krankenhäusern 5000 Stellen unbesetzt", so Dr. Becks. Auch an den Kliniken in Emshorn und Pinneberg gebe es Bedarf. "Ärzte sind aber Mangelware. Viele Kollegen wandern ins Ausland ab, wo sie deutlich mehr verdienen können", berichtet der Mediziner. Dem Ärztemangel an den Kliniken stehe jedoch eine Zunahme des Patientenaufkommens gegenüber. "Patienten, die früher die niedergelassenen Ärzte aufgesucht haben, müssen dort jetzt teilweise ein Vierteljahr auf einen Termin warten. Das ist ihnen zu lange, da kommen sie lieber gleich zur Behandlung in das Krankenhaus."
Dort werden trotz des Streiks keine akut erkrankten Patienten abgewiesen. So haben die Klinikleitung und die Gewerkschaft Marburger Bund eine Notdienstvereinbarung getroffen. "Viele streikwillige Kollegen können sich nicht aktiv am Arbeitskampf beteiligen, weil sie für die Versorgung von Notfällen und schweren Erkrankungen einstehen", so das Mitglied der Streikleitung weiter. Laut Dr. Becks werden die Arbeitskampfmaßnahmen nach Pfingsten fortgesetzt. "Der Streikaufruf war unbefristet." Welche Abteilungen betroffen sind, werde erst am Dientag entschieden.