Kaltenkirchen. Kicken einmal anders: Walking Football ist eine ungewöhnliche Ballsport. Langsamkeit ist gewollt. Zu Besuch bei der FSG Kaltenkirchen.
Es ist ein gewöhnungsbedürftiger Anblick, der sich da freitagabends in der Sporthalle des Gymnasiums Kaltenkirchen bietet. Eine Horde Männer im besten Alter spielt Fußball. Aber keiner läuft, alle gehen. So ist das eben Pflicht beim Walking Football. Trainer Jörg Konsorr war auf diese Variante der Volkssportart Nummer eins gestoßen und wollte das auch einmal ausprobieren. Als Versuchskaninchen mussten die Frauen der FSG Kaltenkirchen, Konsorrs Meisterteam aus der Landesliga, herhalten. „Wir hatten unglaublich viel Spaß. Und da war klar, das wollen wir im Verein anbieten.“
Geringere Verletzungsgefahr, aber körperlich gesund für die Aktiven
Einem ersten Aufruf folgte eine kleine Schar an Sportlern, die sich jetzt regelmäßig trifft. Was auf den ersten Blick lahm wirkt, ist anstrengender als gedacht. „Es heben mal bitte alle ihren Arm, die nach dem ersten Training keinen Muskelkater hatten“, fragt Konsorr die Runde ab. Alle Arme bleiben unten.
„Walking Football ist eine tolle Sache, um Couch Potatoes wieder auf den Sportplatz zu holen. Die Verletzungsgefahr ist deutlich geringer als beim normalen Fußball, aber der Spaßfaktor stimmt“, sagt Jörg Konsorr. Damit haut der Trainer in die selbe Kerbe wie die wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen über diese Sportart. Gesteigerte Fettverbrennung, Muskelaufbau, Senkung des Blutdrucks und eine Steigerung der Herzleistung seien Markenzeichen des Sports. Und das unter kontrollierten Bedingungen.
Für Mark Kopitzky beispielsweise war das der Grund, in den Sport einzusteigen. Der 49 Jahre alte ehemalige Ligaspieler des FC Union Ulzburg hatte vor sechs Jahren einen Herzinfarkt. „Ich hab es danach mit Kicken in einer Hobby-Mannschaft versucht, aber da war die Belastung zu hoch. Auch Walking hab ich ausprobiert. Und dabei hab ich schnell gemerkt, dass es mir keinen Spaß macht, alleine zu trainieren. Als ich den Artikel von Jörg über die Gründung einer Walking Football-Gruppe gelesen hatte, wusste ich sofort: Das ist mein Ding.“
Steilpässe klappen hier nicht
Mit 83 Jahren ist Jochen Stoll das älteste Mitglied der Gruppe. „Nach 20 Jahren als Fußball-Schiedsrichter musste ich altersbedingt aufhören, habe dann ein paar Jahren keinen Sport gemacht und gemerkt, wie ich körperlich abbaute. Walking Football macht mich wieder fitter. Ich bin mittendrin, um dabei zu sein“, sagt Stoll.
Mittendrin sein heißt beim Walking Football, jede Menge Spaß zu haben. Als Cornelis Rejmann „brutal“ gefoult wird, frotzelt beispielsweise Jörg Konsorr: „Brauchst du Eis? Ich hab welches mit. Aber ihr müsst vorher noch das Bier, das darin schwimmt, austrinken.“ Und auch im Spiel ist einiges anders. „Nach einem Ballgewinn im eigenen Strafraum mahnt Peter Dierks seine Mitspieler: „Langsam, Männer, schön langsam.“ Denn beim Walking Football ist der Pass in den Fuß Trumpf. Steilpässe, die man erlaufen kann, klappen einfach nicht. Nicht zuletzt, weil Laufen verboten ist.
Neue Mitstreiter sind in Kaltenkirchen stets gern gesehen
Die Walking-Football-Gruppe der FSG Kaltenkirchen ist eine offene Gemeinschaft. Ein paar Frauen kicken auch mit, kommen aber beruflich bedingt unregelmäßig. Auch sind Gastspieler und solche, die einfach einmal reinschnuppern wollen, immer willkommen. „Wir haben auch noch fünf, sechs Interessenten auf der Liste, die aber in den heutigen Corona-Zeiten nicht in der Halle trainieren möchten. Wenn wir wieder unter freiem Himmel üben können, sind die wieder mit dabei“, sagt Jörg Konsorr.
Der Trainer gibt nach 24 Jahren im „normalen“ Fußball im Sommer seinen Ausstand. Doch die Arbeit mit dem Walking Footballern möchte er weiter machen. „Ich träume davon, dass wir in Kaltenkirchen zwei Gruppen auf die Beine stellen können. Eine Gruppe, die abends trainiert und eine, beispielsweise für Rentner, die vormittags übt.“
Wer Interesse hat, kann sich bei Jörg Konsorr unter 0176/10 15 39 82 melden.
Das ist die Sportart:
Beim Walking Football wird mit einem fast luftleeren Fußball gespielt, der kaum springt. Das Feld ist mit 20 x 40 Metern groß wie ein Handballfeld. Gespielt wird sechs gegen sechs in Vierteln zu je zehn Minuten Spielzeit. Das Laufen – egal ob mit oder ohne Ball – und der intensive Zweikampf sind verboten, und der Ball muss flach gehalten werden. Deshalb sind die Tore zwar so breit wie beim Handball, nämlich drei Meter, aber nur einen Meter hoch.
Fliegt der Ball mal ins Aus, darf er mit einem Einkick zurück ins Spiel gebracht werden. Die Fifa hat Walking Football als eigene Sportart anerkannt. In England und den Niederlanden wird mittlerweile schon in Ligen gespielt. Im Kreis Segeberg gibt es Angebote bei drei Vereinen: der FSG Kaltenkirchen, dem TSV Nützen und dem SV Boostedt. Letzterer Verein bietet den Sport nur für Frauen an.
Übersicht beim Schleswig-Holsteinischen Fußball-Verband